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Das Paradies ist auch nicht nebenan
Yael Hedayas Roman »Eden«
ist das kluge Psychogramm eines außergewöhnlichen Mikrokosmos Tel Aviv gilt als die säkularste Stadt Israels, sie ist jung, modern und pulsierend. Ehemalige Dörfer in ihrem Umland sind zu angesagten Vororten für Yuppies und Intellektuelle geworden, in denen es sich verhältnismäßig sicher vor Anschlägen leben lässt. Einen solchen Vorort hat Yael Hedaya als Bühne für ihr einfühlsames Psychogramm der modernen israelischen Gesellschaft gewählt und ihm in der Tradition der Gründungsphase des Staates Israel einen hochklingenden, auratischen Namen gegeben: Eden.
Yael Hedaya interessiert
sich in ihren Romanen vor allem für zwischenmenschliche Beziehungen, für ihre
Spielarten, ihre Grenzen, ihre verschiedenen Perspektiven. Es ist Yael Hedayas große Stärke, sich vollkommen glaubwürdig in die verschiedenen Charaktere hineinversetzen zu können. Die Auseinandersetzungen der 78-jährigen Großmutter mit ihrer zunehmenden Gebrechlichkeit wirken ebenso authentisch wie der ständige Kampf Alonas mit der Überforderung durch ihre beiden Kinder, die sie innig liebt, die ihr aber auch den letzten Nerv rauben, wenn sie sie Nacht für Nacht aus dem Schlaf reißen oder beim Frühstück in unbändiges Geschrei ausbrechen, weil es keine Schokokissen gibt. Gegen Ende des Buches offenbart der dreieinhalb-jährige Ido seiner Großmutter in einer sehr anrührenden Szene ein kindliches Geheimnis, das sich subtil durch beinahe das gesamte Buch zieht und das den kleinen Kerl bis zur Verzweiflung belastet hat. Der Alltag in Eden bietet nicht besonders viel Aufregung und dennoch überfordert er jeden von ihnen auf seine Weise. Hedayas Figuren stoßen immer wieder an äußere und innere Grenzen, die unüberwindlich erscheinen, wie etwa den Schmerz über den Verlust eines Menschen oder die Mauer zu Palästina. Gleichzeitig sind sie mit der Aufweichung und Auflösung von gewohnten Orientierungen konfrontiert: die politischen Konturen von Rechts und Links verblassen ebenso wie die traditionellen Geschlechterrollen. Gestandene Linksintellektuelle ertappen sich etwa dabei, dass sie bei einem Einbruch reflexartig ‚die Araber’ verdächtigen. Die Frauen im Roman sind außerordentlich tatkräftig und durchsetzungsfähig, wogegen die Männer eher den fürsorglichen, gefühlvollen Part übernehmen und zuweilen von ihren Frauen und Töchtern dafür Verachtung ernten. Eine stete Abfolge von Alltagsbegebenheiten aus dem Leben der israelischen Mittelschicht trägt das Buch mühelos durch 700 Seiten, wenn man von Ronnys frühreif-pubertären Träumereien absieht, die hier und da etwas lang geraten sind. Und dann geschieht auf den letzten 200 Seiten doch noch etwas Erschütterndes, das alle aus ihrem Trott herausreißt.
Die 21 Kapitel des Buches
richten den Fokus in unregelmäßigen Wechseln auf jeweils eine der acht
Hauptpersonen, so dass einige Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven erzählt
werden. Yael Hedaya lässt ständig das Geschehen in den Gedankenstrom und die
Erinnerungen der jeweiligen Person abgleiten. Sie beherrscht diese Technik
derart gut und elegant, dass man stets genau weiß, wo man gerade ist. Hedaya
verzichtet vollkommen darauf, wörtliche Rede durch Anführungszeichen oder
Zeilenwechsel zu markieren, und auch der Ton ändert sich nur wenig von Figur zu
Figur. Die Sprache ist so unaufgeregt wie der Alltag in Eden, manchmal etwas zu
lässig. Die Häufigkeit der Wörter ‚Sex’ und ‚ficken’ wirkt in diesem Kontext
irgendwie exotisch und die durchgängig umgangssprachlichen Schreibweisen ‚mal’
und ‚was’ anstelle von ‚einmal’ und ‚etwas’ wirken nicht locker, sondern
störend. Doch das sind kleine Mäkeleien am Rande von Eden, nicht mehr als paar
Kratzer am Gartentor. |
Yael Hedaya
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