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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik


 








Unverzichtbare Informationsquelle

Mit diesem
Handbuch zeichnen Matthias Schöning
und seine Autoren ein umfängliches und kritisches
Portrait Ernst Jüngers.


Von Jürgen Nielsen-Sikora
 

Das Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor einhundert Jahren macht die Lektüre von Ernst Jünger zweifellos zu einer besonderen. Mitunter interessanter als die Stahlgewitter, Das Wäldchen 125 oder Der Waldgang war und ist das, was über den Autor dieser Werke geschrieben wird, obwohl auch die Polarisierungen in der Causa Jünger längst der Geschichte angehören und die großen Pinselstriche der Erdbeeren-in-Burgunder-Kritik allmählich verblassen.

Abseits der bekannten Polemiken hat die Jünger-Forschung seit dem Tod des Schriftstellers 1998 enormen Auftrieb erfahren. Noch zu Lebzeiten erschienen bereits Karl Heinz Bohrers einzigartige Studie über die „Ästhetik des Schreckens“ und Helmut Lethens außergewöhnliche Schrift „Verhaltenslehren der Kälte“, die die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem umstrittenen Autor maßgeblich mitgeprägt haben. Heute ist die Forschungslandschaft unübersichtlicher. Auch, weil sie nicht an den Grenzen der Literaturwissenschaft Halt macht. Auffällig ist, dass Jüngers Werk vor 1945 intensiv erforscht ist, die biografischen Umstände – trotz der akribischen Arbeiten von Helmuth Kiesel – dahinter aber zurückbleiben. Nach 1945, so Matthias Schöning, verhält es sich genau umgekehrt.

Umso verdienstvoller ist es, dass sich Schöning der Mühe unterzogen hat, ein Handbuch zu Ernst Jüngers Leben, Werk und Wirkung herauszugeben. Einer allgemeinen Einführung in Leben und Werk folgt die Auseinandersetzung mit den Publikationen Jüngers in chronologischer Abfolge, unterteilt in die Epochen Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg sowie  Nachkriegszeit und Bundesrepublik, abgerundet durch ein Kapitel zu den Nachlasspublikationen. Anschaulich wird in diesem Themenblock die Entwicklung Jüngers vom Kriegsautor zum Seismographen der deutschen Gesellschaft und ihrer Befindlichkeiten sichtbar.

Es folgen Darstellungen der wichtigsten Begriffe im Jüngerschen Universum. Dazu gehören Leitkonzepte wie Autorschaft, Gestalt, Rausch und Technik. Einigen wichtigen Persönlichkeiten im Leben Ernst Jüngers wie Martin Heidegger und Ernst Niekisch widmet sich das Kapitel Persönliche Konstellationen. Zum Schluss wird der Leser über die Rezeptionsgeschichte der Werke und den Stand der Forschung informiert. Kritiker wie Walter Benjamin und Verehrer wie Alfred Andersch kommen zu Wort. Interessant für Forschungsvorhaben ist aber vor allen Dingen der Bericht über den Bestand im Literaturarchiv Marbach. Der Anhang des Handbuchs beinhaltet unter anderem eine Zeittafel und eine Publikationschronologie.

Matthias Schöning und seine Autoren schaffen es, ein umfängliches und kritisches Portrait Jüngers zu zeichnen. So wird auf verschiedene Text-Überarbeitungen eingegangen, die Metaphorik und Paradoxien der Schriften erläutert. Entwicklungslinien werden skizziert, Beziehungsgeflechte offengelegt und Charakteristika der Sprache erläutert. Das Handbuch liefert darüber hinaus ausführliche inhaltliche Darstellungen, erklärt Bedeutungszusammenhänge  und nimmt Dechiffrierungen vor. Politische Umstände werden von den Autoren entschlüsselt, der Erzählstil seziert, der Aufbau der Werke und ihr Stellenwert im Gesamtwerk sachgerecht kommentiert. Verschiedene Diskurse zum Werk werden aufgenommen und weiter gedacht.

Mit Autoren wie Bernd Stiegler, Helmuth Kiesel und Peter Trawny hat Schöning zudem Kollegen gewonnen, die weit über ihr Fach hinaus bekannt sind und deren Name für höchste wissenschaftliche Qualität steht.
Die bei J.B. Metzler erscheinende Handbuch-Reihe ist längst eine unverzichtbare Forschungshilfe und bietet zugleich interessierten Lesern eine kurzweilige Informationsquelle.
Auch das Jünger-Handbuch wird diesem Anspruch vollauf gerecht.

Artikel online seit 02.07.14
 

Matthias Schöning (Hrsg.)
Ernst Jünger-Handbuch
Leben - Werk - Wirkung
J.B.Metzler
VII, 439 S., Gebunden
69,95 €
978-3-476-02479-4

Leseprobe

 


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