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Seelenlandschaften
Über den Band mit 19 erstmals ins deutsche übersetzte Erzählungen von Joyce
Carol Oates und einer Kurzgeschichte.
Von Ingrid Mylo
Anrufen? Oder nicht anrufen? Und dann: was ihm sagen? Und wenn er nicht abhebt?
Oder wenn der Anrufbeantworter dran ist? In einem Hotelzimmer in Vegas, 2237
Meilen von ihrem Liebhaber entfernt, schlägt sich Kathryn in den frühen
Morgenstunden mit diesen Fragen herum. Vor drei Tagen hat sie Matt überstürzt
verlassen, er weiß nicht, wo sie ist, sie weiß nicht, ob sie das Verhältnis mit
ihm überhaupt will. Zudem hat sie – ist das ein Hinweis auf ihre wahren Wünsche,
ist es eine Vorsichtsmaßnahme? – seine Telefonnummer nicht bei sich, weder auf
einem Zettel, noch in ihrem Kopf. Den ersten Schritt, denkt Kathryn, könnte sie
wenigstens machen: sie ruft die Auskunft an. Und setzt damit einen
unkontrollierbaren Prozess in Gang, einen schwarzen Wirbel falscher Nummern,
fremder Stimmen und widersprüchlicher Gefühle, bei dem auch die verriegelten
Fenster im zwölften Stockwerk des Hotels am Rand der Wüste von Belang sind. Es
geht um nichts als einen Telefonanruf. Und es geht um die schiere Existenz. Am
Ende der Erzählung 'Entfernung' meldet sich Kathryn mit "Ich bin's."
Die wenigsten der Heldinnen von Joyce Carol Oates können das: von sich sagen
"Ich bin's". Für die meisten wäre der Satz, kurz, wie er ist, eine Lüge. Es gibt
kein 'Ich': es gibt nur für die Öffentlichkeit hart erarbeitete Versionen ihrer
Person, und wenn sie in den Spiegel schauen, erkennen sie sich nicht ohne
weiteres wieder. Wie Grace (in 'Böses Schäferspiel'), die sechs Tage vor ihrer
Hochzeit feststellt, daß sie keine Lust mehr hat zu leben: das Benehmen, das sie
dann an den Tag legt, ist nicht "so geziert, wie es ihrer Rolle entsprach".
Aber kommt man aus dieser Rolle je unbeschadet heraus? Und wer ist man danach?
Als eine Frau (in 'Nackt') nach einem Überfall auch noch ihrer Kleidung beraubt
wird, verliert sie damit ebenfalls das Bild, das die anderen von ihr haben
sollen. Nackt ist sie, so verdreht das klingt, nicht mehr 'sie selbst': und was
dieses 'sie selbst' ist, hängt in hohem Maß von dem Eindruck ab, den sie auf die
Gesellschaft macht. Und doch gibt es Augenblicke, in denen die Frauen dieser
Erzählungen darauf hoffen, jemand möge hinter dem hübschen zurechtgemachten
Gesicht, hinter den angelernten Artigkeiten und dem Partylachen den "echten
Mensch" entdecken.
Die Bücher von Joyce Carol Oates lassen sich nicht als Notausgang benutzen: wer
liest, um der Realität zu entfliehen, muß eine andere Tür öffnen. Wer aber in
die andere Richtung geht, wer nicht hinaus will sondern hinein, wem am Erkunden
innerer Landschaften gelegen ist: den führen 'Die Lästigen' ans Ziel.
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Joyce
Carol Oates
Die Lästigen
Eine amerikanische Chronik in Erzählungen.
Aus dem Amerikanischen von Susanne Röckel
Eichborn 2011
(Andere Bibliothek 315)
381 Seiten
EUR 32,00
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