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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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Ein
Junge, der sich selbst entdeckt Von Georg Patzer Der Katzentisch steht ganz hinten, weit weg von der Tafel des Kapitäns, wo die Ehrengäste sitzen. Dafür ist er der Tisch, an dem es am interessantesten ist. Jedenfalls für die drei Jungs, die von Sri Lanka nach England fahren müssen, damals, 1954, als die Reise noch drei Wochen dauerte. Schnell werden Michael, Ramadhin und Cassius, die allein zu ihren Eltern fahren oder ins Internat, Freunde: Hier leben sie ihr eigenes Leben. Schnell stellen sie ihre wichtigste Regel auf: jeden Tag ein Verbot zu übertreten. Versuchen, frühmorgens, wenn die Erwachsenen noch schlafen, Essen aus der 1. Klasse zu stehlen. Verstecken sich in den Rettungsbooten und belauschen die anderen, beobachten die rollschuhfahrende Australierin, die sich mitsamt Kleidern unter die Außendusche stellt. Erkunden das Schiff von oben bis unten, bis zu dem erstaunlichen riesigen Garten, den der Botaniker Mr. Daniels sich im Schiffsbauch eingerichtet hat. Sehen den geheimnisvollen Gefangenen, der Niemeyer heißen soll und nachts regelmäßig an Deck gebracht wird, streng bewacht und in Handschellen und später sogar mit Ketten gefesselt. Hier werden sie erwachsen, vor allem der elfjährige Michael, der diese Geschichte erzählt. Denn es ändert sich alles für ihn. Langsam, sachte, unmerklich. Und mit Spätwirkung: Denn erst Jahre später, von denen der Roman „Katzentisch“ von Michael Ondaatje auch erzählt, versteht der Ich-Erzähler Michael, was da eigentlich alles passiert ist. Dass er die junge Emily, in die er sich verliebt hatte, nie richtig verstanden hat und ihr auch nie helfen konnte. Auch nicht Miss Lasqueti, die ein paar Brieftauben in ihrer gefütterten Jacke spazieren führte. Es sind skurrile Figuren und hunderte abstruse Geschichten. Dennoch wirkt alles ganz normal, gefärbt durch die Brille eines Knaben, der sich dabei selbst entdeckt. Ondaatjes große Kunst aber ist es, all diese halbverstandenen, manchmal bruchstückhaften Geschichten in eine poetische Wirklichkeit zu verwandeln, die nicht weniger wahr ist. Realistisch beschreibt er das Leben an Bord, aber gleichzeitig ist seine Sprache sanft und zärtlich, manchmal auch melancholisch. Wenn er über das plötzliche, doch noch fast unschuldige Begehren nachdenkt, über den plötzlichen Abgrund zwischen sich und Emily, obwohl ihre Hand immer noch seine hielt, „wie ich es noch nie erlebt hatte, und mich von einer Sicherheit überzeugte, die es wahrscheinlich gar nicht gab.“
Ondaatjes neuer Roman ist
eine Abenteuergeschichte, eine Reflexion über Leben, Liebe, Freundschaft und
Trennung, vor allem aber ist es eine Geschichte der Unsicherheit, der
unendlichen Deutungsmöglichkeiten, der Fremdheit – im eigenen Leben und dem
anderen gegenüber. |
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