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»Renaissance
am Rhein« Besucht von Franz Siepe
Gleich im
ersten Raum der Ausstellung „Renaissance am Rhein“ des LVR-LandesMuseums Bonn
steht eine Feldschlange Karls des Kühnen neben zwei Ritterrüstungen. Auf mich
allein gestellt, wäre ich als Besucher ohne besonderes Interesse an Militaria
aller Zeiten wohl ziemlich achtungslos an diesen Sachen vorbeigegangen. Aber ich
war in einer Gruppe, die von einer Dame geführt wurde, deren museumsdidaktisches
Talent erst gar keine Unaufmerksamkeit zuließ; selbst nicht vor der auf eine
Lafette montierten Kanone des kühnen Burgunderherzogs (1433-77), der damals
seine Hand vergeblich nach den Ländern am Rhein ausgestreckt hatte.
Gebhard II. Truchsess von Waldburg Unschwer jedenfalls ist schon aus dem Bisherigen zu erkennen, daß die Bonner Ausstellungsmacher „Renaissance“ nicht als einen rein kunsthistorischen Terminus auffassen. Vielmehr verstehen sie ihn als „regionalhistorischen Epochenbegriff für den Zeitraum von etwa der Mitte des 15. Jahrhunderts bis um 1600“. Im Katalog heißt es weiter: „Der Vorteil und die Leistung eines so verwendeten Renaissance-Begriffes liegt in der enormen Synthesefähigkeit, die es erlaubt, ganz unterschiedliche kulturelle, soziale und politische Zusammenhänge am Rhein als Manifestationen einer neuen Mentalität und Denkart zu deuten.“ Der Weite dieses Renaissance-Begriffs entspricht sowohl der Umfang der Ausstellung mit ihren mehr als 350 Exponaten, die zum großen Teil von in- und ausländischen Leihgebern zur Verfügung gestellt wurden, als auch das beachtliche Volumen des Katalogs. Dessen Textteil umfaßt etwa ein Viertel; der eigentliche Katalogteil gliedert sich – nicht ganz analog der Ausstellungslogik – in diese fünf Abschnitte:
1. Der Raum und
die Menschen, Diesen Abschnitten sind wiederum insgesamt neun Unterabteilungen zugeordnet:
Die Rheinlande
– Grenzen und Wahrnehmung, Gemessen an Italien, dem Ursprungsland von Renaissance und Humanismus, wurden die katholisch dominierten Länder am Rhein von den Veränderungen in allen Lebensbereichen mit etwa hundertjähriger Verzögerung erreicht. Rheinisch-katholischer Beharrungswille nahm alles allzu Neue, allzu Reformerische und Reformatorische nur widerstrebend an: „Über Humanismus im Rheinland zu sprechen“, so der Historiker Harald Müller im Katalog, „heißt in gewisser Weise ein rheinisches Defizit zu berühren, wenn nicht ein Trauma. Denn in den sogenannten Dunkelmännerbriefen blamierten einflussreiche Humanisten zu Beginn des 16. Jahrhunderts Vertreter der Kölner Universität literarisch bis auf die Knochen, indem sie deren sprachliche Defizite in satirischer Zuspitzung offen legten: als ‚inhumanissimi – extrem unhumanistisch‘ (wenn nicht sogar ‚absolut unmenschlich‘) galten die Kölner Theologen in Humanistenkreisen um 1512, weil sie weder das Griechische noch das Lateinische, geschweige denn das Hebräische im Ansatz zu beherrschen schienen“. Derartige Polemiken sind jedoch cum grano salis zu nehmen. Denn immerhin war der Einfluß des Erasmus von Rotterdam nicht unbeträchtlich; und eine Figur wie der hochgelehrte Konrad Heresbach steht paradigmatisch für die Tatsache, daß das Rheinland keine Insel innerhalb des gesamteuropäischen Kulturtransfers war.
Bartholomäus Bruyn, Die drei Stände
der Christenheit Nichtsdestoweniger ist das Ständebild Bruyns ein erstklassiges Dokument der Herrschaftsapologie: „TU SUPPLEX ORA (du bete demütig)“ sagt das Spruchband über den Klerikern, „TU PROTEGE (du beschütze)“ steht über den Adligen; und in unüberbietbarer Deutlichkeit ist den kleinen, in der Tiefe des Raumes grabenden und im Schweiße ihres Angesichts schuftenden Bauern vorgeschrieben: „TUQUE LABORA (und du arbeite)“.
Nach
Pieter Brueghel d.J., Bauernadvokat
Hans Vredeman de Vries, Gegen Ende des so schön geführten Ausstellungsrundgangs waren noch zwei „Highlights“ zu bestaunen, die Zeugnis gaben von der erlesenen Fest- und Tafelkultur derer, die demütig beten und tapfer beschützen. (Ein Besucher bedauerte, Büchners „Hessischen Landboten“ nicht zur Rezitation parat zu haben.) Da war das eine Mal ein Raum der „Fürstlich Jülischen etc. Hochzeit“ von 1585 in Düsseldorf gewidmet. Anläßlich der Eheschließung des Erbprinzen Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg mit Jakobe von Baden – die Verbindung war von den katholischen Mächten dieser Welt lanciert worden – zeigte der Hof, daß und wie er eine Woche lang zu feiern und 1500 Gäste mit Festbanketten, Tänzen, Turnieren, Feuerwerken etc. bei Laune zu halten verstand.
Tafelschiff aus dem Besitz Jakobs
III. von Eltz Überhaupt scheinen die Rheinländer damals in der Besorgnis gelebt zu haben, sich durch liederliches, den Geboten Gottes und/oder der Sittlichkeit zuwiderlaufendes Verhalten zum Narren zu machen. Zugleich relativierten sie aber das Gewicht dieser Besorgnis mit typisch rheinischer Nonchalance. Das sehen wir an Kat. Nr. 187, einem figürlich geschnitzten Handtuchhalter für „gehobene Wohnkultur“, der als Umschlagsabbildung (s.u.) auch den parallel zur Ausstellung erschienenen Tagungsband „Städte, Höfe und Kulturtransfer“ aus dem Verlag Schnell & Steiner schmückt: Ein Mann kann seine Hände nicht bei sich behalten und umarmt in eindeutiger Absicht eine als verheiratet identifizierbare Frau, die sich dem Tête-à-tête offensichtlich nicht verschließt. Der Mann, ein Narr! Und die ganze lüsterne Turtelei erwachsener Leute ist ein Possenspiel, zu dem drei weitere Narren die Musik spielen. Der Aachener Kunsthistoriker Andreas Gormans widmet in seinem Tagungsbeitrag diesem sinnigen Kunstwerk des Kalkarer Bildschnitzers Arnt van Tricht einige hinreißende, hochgescheite Seiten über Liebe, Lust und Narretei in Antike und rheinländischer Renaissance. So schreibt er: „Wenngleich Ehebruch und Triebhaftigkeit zwei ernsthafte Vergehen darstellten, so bediente der Handtuchhalter gleichwohl ein deutlich gewandeltes Narrenverständnis. Eine todernste Sache war er jedenfalls nicht; als ironische Selbstspiegelung belegt das Meisterwerk vielmehr, dass Laster und Liebe, Gelächter und Belehrung, Witz und Ironie thematisch eng beieinander lagen. Der Handtuchhalter Van Trichts forderte mithin dazu auf, mehr oder weniger betroffen nach dem versteckten Narren in sich selbst zu fahnden.“ War je die wissenschaftliche Betrachtung eines Handtuchhalters so aufklärerisch, so freundlich moralisierend? Ist weiterhin vorzugsweise dem Rheinländer das „Minimalprogramm der Humanität“ (Walter Benjamin) in die Wiege gelegt, demzufolge jeder Jeck anders ist? – „Jet jeck simmer all (Etwas jeck sind wir alle)“. Diese Erkenntnis wäre gewiß nicht die übelste, die man aus der Renaissance-Ausstellung des LVR-LandesMuseums Bonn mit nach Hause nehmen könnte.
Während der Tagungsband
von Schnell & Steiner einige zentrale Aspekte des Ausstellungsthemas vertieft
(z.B. Stadtansichten, Humanismus, Entdeckung antiker Monumente, Kunst- und
Kulturaustausch, Druckmedien und Sozialstruktur), geht das vom Rheinischen
Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz herausgegebene Kunststätten-Heft
„Orte der Renaissance im Rheinland“ in die kulturräumlich-geographische
Dimension, indem es siebzehn Orte mit mehr oder weniger bekannten
Renaissance-Denkmälern in Text und Bild vorstellt. Wegen seines handlichen
Formats eignet sich dieses Heft ausgezeichnet als preiswertes Vademecum für eine
Renaissance-Rheinreise auch in Städte wie etwa Jülich, Dierdorf oder Braubach,
die sonst vielleicht nicht unbedingt ganz oben auf der Ausflugs-Wunschliste
stehen. |
Stephan Hoppe,
Alexander Markschies, Norbert Nußbaum (Hg.):
Rheinischer Verein
für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (Hg.):
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