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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Glückskekssätze

Bernhard Schlink enttäuscht mit seinem Roman »Die Frau auf der Treppe«

 

Von Georg Patzer





 

»Ich machte den gleichen Fehler wie damals. Damals meinte ich zu wissen, wer sie war, und wusste doch nichts. Unsere Nähe hatte nur in meiner Phantasie existiert. Und schon wieder meinte ich, ich könnte mich in sie hineindenken und hineinfühlen. Sie sei mir nah. Warum? Nur weil sie nackt in mein Leben getreten war? Auf einem Bild?«

 

Damals – da war er ein junger Rechtsanwalt und sollte zwischen dem aufstrebenden Maler Karl Schwind und dem reichen Industriellen Gundlach vermitteln. Schwind hatte Gundlachs junge Frau Irene gemalt, wie sie nackt eine Treppe hinuntersteigt. Dann hatte Irene ihren Mann verlassen und lebte mit Schwind zusammen, und Gundlach bat Schwind, das Bild, das beschädigt worden war, zu restaurieren. Kaum fertig, war es wieder beschädigt, und Schwind sollte es wieder restaurieren. Gundlach reizte den Maler so lange, bis der mit einem Vertrag einverstanden war: Schwind bekommt das Gemälde zurück und Gundlach seine Frau. Und Irene stiftet den jungen Rechtsanwalt, der sich in sie verliebt hat, an, für sie das Bild zu stehlen. Und verschwindet spurlos.

 

Jahrzehnte später sieht der Rechtsanwalt das Bild zufällig in einer Ausstellung in Australien, sucht Irene und findet sie in einer Bucht nördlich von Sydney. Und da das Auftauchen dieses Bildes des inzwischen berühmten Malers eine Weltsensation ist, erfahren es auch Schwind und Gundlach, und beide wollen das Bild zurück. Genau das war Irenes Plan gewesen, denn sie ist sterbenskrank und wollte alle drei noch einmal wiedersehen.

 

Bernhard Schlink, berühmt geworden durch seinen Roman »Der Vorleser«, hat einen ziemlich schnulzigen Roman um einen verkopften, stets beherrschten Rechtsanwalt geschrieben, der nach vielen Jahren noch einmal die Chance bekommt, sein Leben zu betrachten und es zu ändern. So interessant und anrührend das Thema sein mag, Schlink hat nicht die Sprache dafür. Von Anfang an ist klar, worauf die Geschichte hinausläuft: Vom emotional verkümmerten und erfolgreichen Rechtsanwalt entwickelt er sich zu einem Menschen, der seine Gefühle zeigen, sich um jemand anderen kümmern, der weinen kann. Das ist so platt wie viele Passagen und Details: dass es ihn plötzlich nicht mehr schert, ob sein Anzug Grasflecken bekommt; dass er sich in ein anderes Leben wünscht: »Immer wenn ich in einem fremden Land bin, frage ich mich, ob ich hier glücklicher wäre.« Dass Irene anfangs »krank riecht« und am Ende stirbt. Und sehr häufig passieren dem Erzähler Glückskekssätze wie »Oder sind es gerade die kleinen Niederlagen, über die wir nicht hinwegkommen? Der erste kleine Kratzer am neuen Auto schmerzt mehr als die späteren größeren. Die kleinen Splitter sind schwerer zu entfernen als die großen«.

 

Das Problem ist wohl vor allem, dass hier der Ich-Erzähler spricht, der um sich selber kreist und sich zu seinem wahren Menschsein erst noch entwickeln muss. Aber das so bruchlos über knapp 250 Seiten lesen zu müssen, das tut schon ein bisschen weh. Dazu hat die Geschichte riesige Löcher – dass Irene bei der Roten Armee Fraktion gewesen ist und in der DDR untertauchte und darüber nicht das geringste erzählt wird, ist nur das auffälligste.

Artikel online seit 05.09.14

 

Bernhard Schlink
Die Frau auf der Treppe
Roman

Diogenes Verlag
244 Seiten
21,90 Euro

Bernhard Schlinck auf Lesereise

 

 


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