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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Bücher & Themen
Artikel online seit 17.08.13

»Eine schwierige zitternde Seele«

Wolf Wondratschek ist 70 Jahre alt geworden und
präsentiert uns mit »Mittwoch« ein Geschichtenalbum.

Von Lothar Struck




 

Wäre es ein Kinofilm, könnte man von einem Episodenfilm reden. In der Literatur gibt es die Novellensammlung. "Mittwoch" von Wolf Wondratschek ist eine solche Sammlung; ein Geschichtenalbum. Die Klammer mit der die einzelnen Protagonisten und deren Erzählungen verbunden werden, ist ein 100 Euro-Schein, der von Person zu Person wandert und ganz am Schluss auf fast wundersame Weise zur Person zu Beginn wieder zurückkommt - wie weiland die Schnapsflasche in Frank Beyers Film "Spur der Steine".

Wie wird man diesem Buch gerecht? Zunächst einmal in dem man all die gängigen Wondratschek-Attribute, die sich seit Jahrzehnten wie ein Haufen schmutziger Kleidungsstücke angesammelt haben, ignoriert bzw. versucht zu ignorieren. Also hiervon keine Rede mehr, wenngleich die Milieus, in denen seine früheren Gedichte, Reportagen und Erzählungen spielen, auch in diesem Buch wieder vorkommen und in wunderbarer aber auch wundersamer Art gespiegelt werden.

Wondratschek erweist sich in diesem stillen Buch als großer Stimmungserzähler: Ob es um die kaskadischen Wortüberschläge bei den Reportagen zu Pferderennen geht (dies niemals so gelesen), den platonisch liebenden, schließlich fliehenden Boxer, den geheimnisvollen Antiquitätenhändler in Russland, das empathisch-feurige Plädoyer des Journalisten für das Rauchen oder die fast physisch spürbare Atmosphäre im (paradoxerweise rauchfreien) Tabakladen - Wondratschek gelingt es mit feinen und zugleich starken Strichen, den Leser zu bannen. Speziell an dem Ort, der am stärksten als Bühne fungiert - dem bereits erwähnten Tabakladen - vermischen sich die unterschiedlichen Milieus. Vom 95jährigen Universitätsprofessor über den bereits genannten Journalisten bis zum gescheiterten Gelegenheitsarbeiter - alle erzählen sie unaufgeregt, aber ernst aus ihrem Leben und zeigen damit ohne es dezidiert auszusprechen auch ihre Sehnsüchte, in denen man sich - oh je - oft genug wieder erkennt oder auch, phasenweise erleichtert, nicht. Im Nebeneinander dieser einzelnen Welten und Sprachen wird die kleine Crux des Buches deutlich: Banales und Philosophisches intermittieren, stehen zuweilen ungeordnet nebeneinander. Eine wunderbare Passage, ein faszinierendes Bild, ein unorthodox-luzider Gedanke - und nur wenige Zeilen später der jähe Abbruch. Wie im richtigen Leben halt, aber vielleicht liest man, um diesem Kontrast auch einmal zu entkommen?

Aber kein weiteres fragendes oder gar schlechtes Wort zu diesen Buch, das man unbedingt Episode für Episode lesen sollte; nicht schnell hintereinander, weil die einzelnen Mäander dann nicht ihre Wirkungen, ihre Nachwirkungen, entfalten können und man Gefahr läuft, den Verästelungen nicht genug nachzuspüren. Olga, die Geigenspielerin, eine der Protagonistinnen dieses Romans, deren Leben man für einen kleinen Augenblick verfolgen darf, wird vom unbestimmten Erzähler eine "schwierige zitternde Seele" genannt. Vielleicht gilt das ja auch für Wolf Wondratschek. Nicht auszudenken...

 

Wolf Wondratschek
Mittwoch
Roman
Jung und Jung
244 Seiten, gebunden
€ 22,–
978-3-99027-041-7

 


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