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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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Über Industrieschreiberei und Tantenerschrecker
Matthias
Zschokkes unterhaltsam-bissiger Mail-Wechsel
Unerhört. Unerhört amüsant. Der vorliegende Band versammelt rund 1500 E-Mails, die Zschokke zwischen 2002 und 2009 an Niels geschickt hat. Es entfaltet sich ein Tagebuch eines Schriftstellers, das durch den Verzicht auf Rücksichtnahme auf sich und andere, durch Bissigkeit, viel Unverstandenfühlen und viel Humor zum Zeugnis des Literatenalltags und des Literaturbetriebs wird. Entscheidend dabei die Form des Briefwechsels, denn obwohl die Mails von Niels fehlen, ist dieser doch Motivator, Resonanzfläche und Reibungspunkt. Der daraus entstehende Dialog in Monologform zählt unzweifelhaft zu den schönsten Leseerlebnissen des Jahres. Lieber lass ich's ganz bleiben Matthias Zschokke gehört zur großen Schar derer, die seit Jahren im Literaturbetrieb präsent sind und doch einem größeren Lesepublikum unbekannt sein dürften, der Autor dieser Zeilen gesteht, auch lediglich den Namen mal vernommen zu haben. Der 1954 in der Schweiz geborene, seit 1980 in Berlin lebende Autor hadert damit, natürlich. Und ist Realist genug, zu wissen, dass seine Vorstellung von Literatur nicht massentauglich ist. Habe den Bestseller-Schmitt gelesen, Monsieur Ibrahim … Klebrig, anbiedernd, einfältig. Das also schafft es auf den Markt. […] Lieber lass ich's ganz bleiben, als so etwas vorzulegen.
Schmitt und Zschokke sind
beide zum Zeitpunkt des Mail-Verkehrs Autoren des Ammann Verlags, der im
letzten Jahr aufgelöst wurde. Zschokke fühlt sich von Egon Ammann schlecht
betreut, beklagt die Langsamkeit, mit der Ammann auf seine Manuskripte reagiert,
ganz anders als bei der Verlags-Cashcow Schmitt. Trotzdem kann, ja will er sich
nicht endgültig vom Verleger trennen, schön die Passagen, in denen beschrieben
wird, wie es das Schlitzohr Ammann immer wieder schafft, seinen Autor zu
besänftigen, anzutreiben.
Keinesfalls soll hier aber
der Eindruck entstehen, Lieber Niels sei eine 760-seitige Jammertour.
Zschokke besitzt die Eigenschaft – und hierin unterscheidet sich Lieber Niels
deutlich Raddatz‘ Tagebüchern, die sich bei der Lektüre als Vergleich aufdrängen
-, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Und gar so schlecht ergeht es dem Autor
dann auch nicht. Es lässt sich schon irgendwie aushalten in diesem
Literaturbetrieb. In den Zeitraum des Mail-Wechsels fallen längere
Stipendienaufenthalte in Budapest, Amman und New York, Zschokke ist regelmäßig
zu Gast auf champagnervernichtenden Empfängen und den einen oder anderen Preis
gibt es auch. Immer wieder kommt es dabei auch zu komischen Brechungen. Wenn er über Christ Wolf schreibt, Als ich einmal mit Christa Wolf zusammen eingeladen war, las ich vorher alle Bücher von ihr, weil ich dachte, das gehöre sich so – und starrte sie daraufhin den ganzen Abend wütend an, weil ich die Bücher so grauenvoll gefunden habe. (23.1.06), mag man sich das bildlich vorstellen. Tantenerschrecker
Nicht nur mit Literatur
setzt sich Matthias Zschokke auseinander. Er ist auch ein begeisterter
Theatergänger, liebt die Oper. Umso weniger scheut er sich auch hier, sein
Urteil kundzutun. Wenn über eine Aufführung von Jonathan Meese zu lesen ist, Seine Kritik gilt vielmehr allgemein einem Kulturbetrieb, der den Lauten mehr Beachtung schenkt, der seinen Hausgöttern huldigt und dabei längst aufgehört hat, dies zu reflektieren. Unterstützung und Widerworte bekommt er dabei von Niels. Kulturkritik ist eine Ebene des Bandes, den man nicht darauf reduzieren darf. Lieber Niels ist auch das Protokoll einer Freundschaft. In bewährter Elisabeth-Förster-Nietzsche-Manier
In Niels Höpfner hat
Zschokke seinen Lebensmenschen gefunden. Der Freund motiviert, tröstet, schimpft
und streitet mit ihm, er widerspricht und ist zugleich unendlich geduldig.
Bereitwillig und nachsichtig besorgt er Informationen, die Zschokke nur deshalb
nicht selber beschaffen kann, weil er sich beharrlich weigert, das Internet zu
mehr als nur zum Verschicken von E-Mails zu verwenden – das Wort googeln
benutzt er erstmals im April 2008. |
Matthias
Zschokke
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