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Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

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Der Nachbar von unten

Ein Roman von Mercedes Abad
für Nachbarn und Übersetzer,
die Schriftsteller werden wollen

Von Karim Akerma


„Die Arbeiten begannen heimtückisch an einem Montagmorgen um Punkt acht.“ – So der erste Satz. Um zehn hören die Hammerschläge vollständig auf. Und die Icherzählerin jubiliert, Miquel Aubet, der Nachbar unter ihr, werde gleich mehrere Handwerker engagiert haben, um mit dem Einreißen der Zwischenwände umso schneller fertig zu sein. „Deshalb war der Lärm entsprechend größer, aber eben auch nicht so lang anhaltend.“ Sie sieht sich gründlich getäuscht. Als kurz darauf eine Kreissäge ihre kreischende Stimme erhebt, denkt die Protagonistin bereits sehnsüchtig an die niederreißenden Hammerschläge zurück. Dass ihr ausgerechnet in Momenten wie diesen ihr sich mit gigantischen Schritten nähernder Abgabetermin für die Übersetzung eines mit widerspenstigen Sätzen angefüllten Buches des – imaginären – ewigen Nobelpreiskandidaten Agni Rinecke in den Kopf kommt, macht den Lärm nicht erträglicher.

Protagonistin dieses noch unübersetzten spanischen Romans ist eine geschiedene Übersetzerin, deren Ein und Alles die gerade einmal vor fünf Wochen bezogene Eigentumswohnung ist. Das Buch dem nicht Spanisch lesenden Publikum vorzuenthalten, wäre eine einer Straftat gleichkommende Unterlassung, da hier ein alle Nachbarn – also fast die gesamte Menschheit – betreffendes altbekanntes Thema in literarisches Neuland umgeschrieben wird: Das eingebildete Recht, in den eigenen vier Wänden tun und lassen zu dürfen, was einem beliebt, ohne jemals gefragt zu haben, ob es weitere Betroffene als einen selbst gibt.

Für die Ich-Erzählerin ist die Wohnung zugleich ihr Arbeitsplatz. In Anbetracht des infernalischen Krachs von unten (wie man ihn zuletzt aus dem 18. Kapitel von Rohinton Mistrys Roman Family Matters [Die Quadratur des Glücks] aus einer Wohnung vernommen hatte) ist sie genötigt, Wohnung und Werkstatt zu verlassen. Alles, was ihr jetzt noch bleibt, um dem näherrückenden, mit dem Verlag vereinbarten Abgabetermin für ihre Übersetzung zu begegnen, ist ihr wichtigstes Werkzeug, der Klapprechner. Doch dieser wird bei einem Sturz um seine funktionierende Elektronik gebracht, und die um ihren Broterwerb gebrachte Freischaffende zu einer Michaela Kohlhaas.
Die bis dato frei Schaffende wird eingesperrt, sie lernt ein Gefängnis von innen kennen, nachdem sie auf ihrem Feldzug gegen ihren Nachbarn eine Hauswand beschmiert, einem eintreffenden Polizisten einen Tritt verpasst hat und vor Gericht einen Auftritt hinlegt, mit dem sie sich quasi selbst hinter Gitter bringt. Um Wohnung und Arbeit gebracht, findet die Protagonisten immer mehr Geschmack am Ruinösen und erstrebt nicht mehr bloß den Untergang des Nachbarn unter ihr, sondern auch den eigenen. Entlassen, wird sie in gewissen kulturellen Milieus zu einer gefragten Persönlichkeit. Auf Feiern sieht sie sich von Bewunderern umlagert. Unter Mithilfe einer Nachbarin nimmt ihr Rachefeldzug gegen den Nachbarn die makabre Form einer – überaus erfolgreichen – Agentur zur Nachbarschaftsvergrämung (oder zur Bekämpfung sonstiger unliebsamer Personen) an. Mit Unterstützung der gelangweilten Kreise aus der Welt der Werbung und Computeranimationen kommt es zu einem Arrangement, in dem die Stationen des Heerzugs gegen den Nachbarn filmisch aufgezeichnet und faszinierten Partygästen dargeboten werden. Irgendwann ist Aubet, der Nachbar von unten, nur noch ein Schatten seiner selbst. Sein Restaurant geschlossen. Zu einer fiktiven Preisverleihung nach Paris gereist, in ein Hotel, in dem ihn niemand kennt. Alles gefilmt!
Aus der Beschaulichkeit eines erlebnisarmen Wohnungseigentümer- und Übersetzerdaseins gerissen, erlebt die Protagonistin so viel, wie eben in einen Roman passt. Wie Stammzellen sich einem Gerüst aus Kollagen anlagern, um eine neue Nase oder Blase zu bilden, so besiedeln in diesem Roman neuartige Erlebnisse die bislang in einem unvollständig übersetzten Buch und einer Eigentumswohnung aufgegangene Existenz, bis diese Erlebnisse selbst ein Buch bilden. Die Übersetzung wird niemals fertig. Aber am Ende hat die von kargen Seitenhonoraren lebende Übersetzerin eine Metamorphose zur erfolgreichen Verfasserin eines alles andere als langweiligen spanischen Romans durchgemacht und der Leser begriffen, dass die Ich-Erzählerin, während er mitlas, den Roman niederschrieb.

 

Mercedes Abad
El vecino de abajo
2007 Santillana Ediciones Generales, S.L.
ISBN: 978-84-663-2112-9
EUR 10,99


 


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