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Auf
dem Trockenen
Welche gesellschaftlichen
und machtpolitischen Verhältnisse unter diesen Bedingungen eintreten können,
demonstriert der israelische Schriftsteller Assaf Gavron in seinem neuen Roman „Hydromania“.
Mit dem Titel spielt er ebenso sehr auf den subjektiven Wahnsinnszustand einer
Manie an, wie auch auf eine quasistaatliche Entität, sprachlich angelehnt an
diverse literarische Zukunftsvisionen. Während aber Thomas Morus „Utopia“ oder
Ernst Callenbachs „Ecotopia“ in ihrer hoffnungsvollen Ausrichtung durchaus
positiv sind, fügt sich Assaf Gavrons Erzählung in die Reihe negativer
Staatsromane wie Jewgeni Samjatins „Wir“ oder George Orwells „1984“ ein. Gavron bedient sich diverser politikwissenschaftlicher Szenarien, um seine pessimistische Zukunftsvision zu zeichnen. Eine elementare Rolle spielen dabei die demografischen und hydrologischen Voraussagen, die bereits heute belegen, dass der arabischstämmige Bevölkerungsanteil ungleich mehr wächst als der israelische und die Wasservorräte in der Region zur Neige gehen. Bereits jede dieser Tatsachen stellt bereits für sich ein enormes Konfliktpotential dar. In seinem Roman tritt beides ein, während eine Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern ausbleibt. In diese Verhältnisse platziert Assaf Gavron einen futuristischen Krimi, in dessen Mittelpunkt der israelische Ingenieur Ido und dessen Frau Maja stehen. Beide haben nach seinem Rauswurf bei Ohiya, einem der weltweit größten Wasserkonzerne, die Firma Ido-Wasser gegründet und versuchen gemeinsam, mit den global agierenden Konzernen um die regionale Wasserversorgung zu konkurrieren. Als diese jedoch rechtliche Regelungen lancieren, die das Unternehmen in den Ruin treiben, tritt Ido den Kampf gegen die Unternehmen an. Mit Hilfe eines privaten Investors, will er seine Pläne für eine neuartige Wasseraufbereitungsanlage umzusetzen. Dafür begibt er sich in die gnadenlose Unterwelt der Wirtschaftskriminalität und sieht sich plötzlich einem zwielichtigen Banker-Duo sowie einem Vertreter eines ukrainischen Wasserkonzerns gegenüber, die ihm seine Pläne mit allen Mitteln zu entlocken versuchen. Ido weigert sich und die Verhandlungen geraten außer Kontrolle.
Neben diese
wirtschaftspolitische Konstellation tritt die der modernen Dystopie typische
Annahme des alles umfassenden Überwachungsstaates. Der Gläserne Bürger ist in „Hydromania“
ein gläserner Konsument, denn nicht primär der Staat, sondern die Konzerne
überwachen 2067 die Menschen. Wofür George Orwell jedoch noch einen allseits
präsenten „Big Brother“ brauchte, benötigt Gavron lediglich einen implantierten
Chip in Reiskorngröße (genannt Doy), der seiner körperlichen Gegenwart zum Trotz
aus dem Sinn der Menschen verschwindet. Über diesen Doy können Behörden und
Konzerne auf Knopfdruck Informationen über Aufenthaltsort, Arbeitsverhältnis,
Wohnsitz, Gesundheitszustand, Vermögen, Kommunikations- und Kaufgewohnheiten
usw. abrufen. Über ein sog. Sky-Eye-Earth-System wird jede Handlung jeder Person
weltweit aufgezeichnet und archiviert.
Damit beginnt auch der
Roman, in dem Gavron die Handlung anfangs auf die zurückgebliebene Maja
fokussiert, die verlassen und schwanger versucht, den Kampf gegen Durst und
persönliche Verzweiflung zu bestehen. Den einzigen Ausweg aus ihrer Lage sieht
sie darin, an einen Doy zu gelangen, der ihr ein besseres Leben ermöglicht. Doch
damit erreicht sie das Gegenteil. Nach einem illegalen Wechsel des Chips kommt
ihr die Polizei auf die Spur und sie gerät in den Verdacht, den ehemaligen
Besitzer des Doy umgebracht zu haben. Als feststeht, dass es sich bei diesem um
einen der beiden kriminellen Banker handelt, mit denen Ido verhandelte, bevor er
verschwand, eröffnet Gavron seine diametral aufgebaute Erzählung. Während er den
Leser vom Ausgangspunkt des Romans Schritt für Schritt zu den dubiosen
Geschehnissen rund um die Verhandlung mit Ido zurückführt, treibt er mit Majas
Perspektive die Geschichte voran. Diese zieht nun aus lauter Verzweiflung in den
Kampf gegen die Konzerne. Neben der allgegenwärtigen Warnung vor den drei großen K’s Krieg, Klimawandel und Kapitalismus scheint Gavrons Kernaussage vor allem in seiner Hoffnung auf einen nahöstlichen Frieden mithilfe der weiblichen Vernunft zu liegen. Denn schließlich nimmt Maja ihr Schicksal und das ihrer Gemeinschaft in die eigenen Hände, während Ido in seinem persönlichen Krieg gegen die Konzerne scheitert. Die weibliche Protagonistin ist es, die sich mit Argumenten gegen die Skeptiker und Widerständler durchsetzt und ihrer Gemeinschaft zumindest eine Perspektive bietet. Die männliche Figur hingegen fährt mit ihrer blinden Wut bereits die Chance auf Veränderung gegen die Wand. Insofern war die Veröffentlichung des Originals im vergangenen Jahr vielleicht auch eine politische Wahlempfehlung für die Israelis, mit Zippi Livni auch eine grundsätzlich andere Politik, eine weibliche Politik zu wählen, um der Region eine Chance zu geben. Die bisher einzige weibliche Ministerpräsidentin Israels Golda Meir war in ihrem Tun stets verantwortungsvoll um Frieden in der Region bemüht, Zippi Livni hätte vielleicht in ihre Fußstapfen treten können. Wir werden es nicht erfahren, denn die Israelis haben nicht auf Gavron gehört. Sie haben mehrheitlich der nationalkonservativen Regierung um Benjamin „Bibi“ Netanjahu und Avigdor Liebermann an die Macht verholfen. Wohin sie das führen langfristig kann, zeigt dieser überaus lesenswerte politische Zukunftsroman von Assaf Gavron.
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Assaf Gavron |
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