Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik |
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Genese eines Gotteslästerers Der junge US-Autor Shalom Auslander zeigt in seinem ersten Roman »Eine Vorhaut klagt an«, wie viel Irrsinn in religiöser Indoktrination steckt.
Wenn es einen gütigen,
gerechten und allwissenden Gott gibt, dann ist diese Welt mit ihren
Ungerechtigkeiten und Schrecken nicht erklärbar. Oder anders gesagt: Angesichts
der Übel dieser Welt kann das göttliche Wesen, so es denn existiert, nicht
gütig, gerecht und allwissend sein. Denn sonst würde es eine solche Welt nicht
zulassen. So oder ähnlich ließe sich die gute alte Idee der théodicée auf
den Nenner bringen. Die Folge daraus wäre: Gott muss fehlerhaft sein.
Inmitten der
jüdisch-orthodoxen Gesellschaft der amerikanischen Kleinstadt Monsey, in der
Auslander aufwächst, sind schnell mehrere dutzend Verfehlungen gesammelt, sofern
das Dasein nicht auf die Weisheiten der Tora beschränkt wird. Die ist bei Shalom
Auslander jedoch nicht der Fall! Alles was sünd- und lasterhaft ist, zieht ihn
an, wie ein Magnet. Schon als kleiner Junge klappert er – am heiligen Sabbat –
die Fastfood-Ketten seines Viertels ab, um sich mit völlig unkoscheren Hotdogs
und Cheeseburgern heimlich den Magen voll zu stopfen. An den jüdischen
Feiertagen entflieht er der erdrückenden Atmosphäre des Elternhauses und zieht
durch die großen Shoppingmalls, um mitgehen zu lassen, was nicht niet- und
nagelfest ist. In der Pubertät liest er eifrig die sündigsten Pornomagazine, die
er auftreiben kann und beschmutzt sich mit ihrer Hilfe auf eine ganz neuartige
Weise. Als Heranwachsender konsumiert er allerlei bewusstseinserweiternde Mittel
und verstößt so bewusst gegen die gesellschaftlichen Regeln. Shalom Auslander
kreiert sich ein neues, wildes Leben außerhalb der jüdisch-orthodoxen Regeln,
welches halb aus tatsächlichen Verstößen und halb aus Möchtegern-Erzählungen
besteht.
Neben dieses tragikomische
Possenspiel Auslander kontra Gott tritt das Aufbegehren des Buchhelden gegen das
Elternhaus, das Judentum und alles Religiöse. Dabei entwickelt die Erzählweise
eine derart bitterböse Ironie und Komik, wie man sie schon lange nicht mehr
lesen konnte. Naiv, wütend und zugleich um Verständnis suchend. Einfach
köstlich. Dabei besteht der klügste Schachzug des Autors darin, weite Teile des
Romans dialogisch zu gestalten. So gelingt es ihm, die Grenze zwischen den
tatsächlichen Gesprächen der Protagonisten und den Zwiegesprächen Auslanders mit
Gott zu verwischen. Nach seiner Aufsehen erregenden Sammlung Kurzgeschichten unter dem Titel „Vorsicht, bissiger Gott“ (2007) ist dem 38-jährigen Shalom Auslander mit „Eine Vorhaut klagt an“ ein ebenso überzeugendes Romandebüt gelungen. In Philip Roth-Manier entblößt er die verknöcherten Absurditäten des Religiösen, die er selbst jahrelang inmitten seiner jüdisch-orthodoxen Familie erfahren und erdulden musste. Und trotz allem hat er nicht mit Gott gebrochen. Mit ihm diskutiere er weiter, gestand er dem KulturSpiegel. Gebrochen hat er wenn dann mit der Orthodoxie und dem Religiösen, denen er mit diesem Roman die wütende Anklageschrift verliest. Denn nicht Gott ist es, der sich über uns erhebt, sondern wir sind es selbst, die das Göttliche über uns stellen. Und wozu das alles? Maybe only God knows! Thomas Hummitzsch
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Shalom
Auslander |
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