Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik |
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Alptraum auf dem Kaukasus
Der Tschetschenienveteran
Arkadi Babtschenko legt mit »Ein guter Ort zum Sterben« sein zweites Buch über
die Folgen seines Einsatzes im Kaukasus vor. Nachdem er in seinem Debut vor
allem seine Erlebnisse in autobiografische Erzählungen gebannt hat, setzt er
sich in seinem neuen Roman nun mit seiner Traumatisierung auseinander.
Im Zeitalter der modernen,
der neuen, der schnellen Kriege werden die aus diesen zurückkehrenden Veteranen
immer jünger. In Afrika und Asien sind es oft noch Kinder, meist Jugendliche,
selten Erwachsene. Im Nahen Osten Jünglinge, gerade der Schule entwachsen. In
Russland sind die Kriegsveteranen aus Tschetschenien inzwischen in den
Dreißigern – wenn sie Glück haben. Arkadi Babtschenko ist so einer. Gerade
einmal Anfang dreißig schultert er das, was wir nur aus den Geschichten unserer
Großväter kennen, Leid und Schuld.
Babtschenko schildert den
Automatismus, der jeden Soldaten im Falle eines Angriffs überkommt, wie kein
Autor vor ihm. Eine Mischung aus panikartigem Reflex, überlebensnotwendigem
Adrenalinschub und abgrundtiefem Hass. „Die Bewegung kam instinktiv –
zusammenzucken, ducken, das Gehirn setzt erst kurz danach ein.“ Was dann folgt,
ist eine geradezu mechanische Abfolge unbewusster und bewusster Reaktionen.
Zunächst physisch: „Der Körper wird von Hitze durchzuckt. Die Kälte, die ihnen
so zugesetzt hatte, verfliegt augenblicklich, Schweiß bricht aus, es wird heiß
und feucht wie im Dampfbad.“ Dann psychisch: „Angst!“ Und schließlich
konditioniert militärisch, moralisch taub: „Die MP von der Schulter! Schneller!
… Die Sicherung, die Sicherung, verflucht! … Endlich gelingt es, den
Sicherungshebel zu ziehen. Der erste Feuerstoß ist wie ein Orgasmus – die
Schüsse werden begleitet von einem Stöhnen der Erleichterung. … alle ballern
blindlings drauflos, ohne Sinn und Verstand, nur mit dem einen Gedanken – dieses
Schwein im Blei zu ersticken, es umbringen, ihm das Maul stopfen. Ihn töten,
bevor er mich tötet, das Aas.“ „Ein guter Ort zum Sterben“ ist ein dicht geschriebener Bericht aus dem Zentrum des Krieges, in dem Angst und Hass die Hände der Menschen führen. Vieles ist dabei denkbar und vorhersehbar, aber die physische Gegenwart der Schrift und der kalte militärische Ton der Sprache machen den Irrsinn des Krieges plötzlich sehr real.
Nur einmal, am Ende des
Romans, bricht die soldatische Schutzhülle auf, als Artjom erfährt, dass ein
alter Mann und seine achtjährige Enkelin bei einem Angriff auf ein Haus ums
Leben gekommen sind, in dem er tschetschenische Kämpfer vermutete. Schuld
überkommt den sonst so kalten Soldaten: „Ab jetzt ist er der Mörder eines
Kindes. Und er wird damit leben müssen. Essen, trinken, Kinder großziehen, sich
freuen, lachen, traurig sein, Schmerz empfinden, lieben.“ Ein Weg, den auch
Babtschenko gehen muss. Auch er wird Kinder großziehen, sich freuen, lachen und
lieben. Doch auf allem lastet die Schuld, ein Kind getötet zu haben. |
Arkadi
Babtschenko |
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