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»Mir
ist nach ein bisschen Abenteuer. Von Georg Patzer „Doris und Wilfred. Heute heißt kein Mensch mehr Doris. Wilfred auch nicht. Solche Namen gehören ins Museum. Im Altenheim heißen sie alle Alice und Doris. Mabel und Gladys. Antiquitäten. Zum Wegschließen in Vitrinen. ‚Wie heißen Sie? Doris? Ach so. Dann packen Sie Ihre Koffer. Sie gehören ins Altersheim.’ Ins Heim. Ich nicht. Keine Sorge.“ Sie sitzt auf dem Boden, als sie das erzählt, denn sie ist auf die Anrichte gestiegen, trotz Schwindelanfälle und Herzschrittmacher. Weil Zulema wieder einmal nicht richtig geputzt hat. Und natürlich ist sie gestürzt und hat sich was gebrochen. Und nun entdeckt sie auch noch den Kräcker unter dem Kanapee. Wie Doris geht es vielen Frauen in diesen sechs Geschichten, den sechs Monologen. Es sind einsame Menschen. Einsam auch in Gesellschaft, denn sie werden nicht mehr verstanden. Wurden ausgemustert oder haben sich selbst ins Aus manövriert. So ist Graham, der schon über vierzig ist, entsetzt, als seine Mutter plötzlich einen Verehrer hat, einen Mr. Turnbull, und auf einmal alles anders sein soll: Normalerweise finden sie beide, dass Rot „eine gewöhnliche Farbe“ ist. Aber als Mr. Turnbull sie in ein neues Café einlädt, ist dort alles rot: die Lampenschirme, die Kleidung der Kellnerinnen, die Teller und die Soßenspender aus Plastik. Was sagt die Mutter? „Ach, das sieht aber fröhlich aus, nicht, Graham?“ Und als sie etwas trinken wollen, sagt Graham: „Wir mögen lieber Tee“, aber die Mutter meint: „Nein, mir ist nach ein bisschen Abenteuer. Ich nehme Kaffee.“ Ihr ist so sehr nach Abenteuer, dass sie mit Mr. Turnbull sogar nach Teneriffa will. Natürlich ist der ein Betrüger, und der paranoide Graham sehr froh, als das rauskommt. Denn so ist seine kleine Welt doch wieder in Ordnung. Es geht um das Leben in diesen Geschichten von Alan Bennett: um das richtige Leben. Um verpasste Gelegenheiten, um Lebenslügen und Neurosen, die in diesen beinah humorvollen Erzählungen sichtbar werden. Auch Susan merkt man eigentlich nicht an, dass sie ihr Leben als Pfarrersfrau leid ist. Warum muss sie immer in die Kirche? Geht die Frau eines Rechtsanwalts immer ins Gericht? Und ihr Mann? Glaubt der wirklich an Gott? Das Thema ist tabu. Ebenso, dass alle im Dorf wissen, dass sie Alkoholikerin ist.
Bennett lässt die
Protagonisten erzählen, und obwohl sie die Tragweite des Erzählten selber gar
nicht verstehen, werden die kleinen, oft bitteren Schicksale präzise,
detailliert und facettenreich lebendig. Es sind Alltagserzählungen, die erst
weit hinter der humoristischen Fassade, hinter den Späßchen, die die armen
Geschöpfe noch machen, ihre brutale Grausigkeit zeigen. Man lasse sich also
nicht täuschen: Hinter dieser menschenfreundlichen Maske ist Bennett ebenso
unerbittlich wie seine große Kollegin A.L. Kennedy. Aber er benutzt andere
Mittel: Wo Kennedy von innen her seziert und sogar im größten Elend noch das
überirdische Glück findet, deckt Bennett das soziale und psychische Elend der
unteren Mittelschicht mit britischem Understatementhumor fast zu. |
Alan Bennett |
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