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Schweizer
Exporte
Von Wilhelm
Tell ist nicht bekannt, ob es ihn tatsächlich gegeben hat. Aber auch sonst haben
es viele Schweizer zu Ruhm gebracht, der über die Landesgrenzen der Schweiz
hinausreicht. Und dann gab es da noch Samuel Johann Pauli oder Ferdinand
Hassler. Diese Namen kennt nicht einmal Wikipedia. Alex Capus erzählt in
»Himmelsstürmer. 12 Portraits« die Lebensgeschichten von 12 mehr oder (zumeist)
weniger bekannten Schweizern, die irgendwann einmal mit der Weltgeschichte in
Berührung kamen und deren Spuren sich zumeist wieder darin verloren haben. Dabei ermöglicht Capus auch neue Blickwinkel. Wer weiß, ob aus dem kleinen Jean-Paul nicht ein längst vergessener Arzt geworden wäre, wenn er nicht verbittert und einsam gewesen wäre durch seine abschreckende Hautkrankheit und seine Wachstumsstörungen. So verfeinerte er zwar als Arzt die Methode zur Heilung von Tripper, in die Geschichtsbücher ging Jean-Paul Marat aber als Revolutionär und Stützpfeiler der Jakobinerdiktatur ein. Nach seiner Ermordung fertigte Marie Grosholtz, die ihm einst Unterschlupf gewährte, die Totenmaske an. Auch die Bernerin Marie Grosholtz floh einst vor der Armut aus der Schweiz zunächst nach Paris, wo sie die Wachsbildnerei erlernte. Dort lernte sie auch den Ingenieur Francois Tussaud kennen und heiratete ihn. Die Ehe hatte nicht lange Bestand, Madame Tussaud aber ging nach London und gründete dort das nach ihr benannte Museum. Mit den Darstellungen von Madame Tussaud und Marat beginnt der Erzählreigen, der sich bis weit in das 20. Jahrhundert erstreckt. Und Capus spürt immer wieder Punkte auf, an denen sich einzelne Lebensgeschichten kurz berühren. So beeinflusste die Eroberung Berns durch französische Truppen die Lebenswege von Ferdinand Hassler, der später das Territorium der USA um etliche hundert Quadratmeilen erweitert und von Samuel Johann Pauli, der später das erste lenkbare Luftschiff erfinden sollte, gleichermaßen.
Capus versucht,
jede Biographie eine der anderen tangieren zu lassen, dies gelingt allerdings
nicht immer schlüssig.
Alex Capus hat
umfangreich recherchiert, zeitgenössische Quellen ausgewertet, das
Wahrscheinliche vom wahrscheinlich Falschen getrennt. Seine Erzählminiaturen,
kein Kapitel beansprucht mehr als 20 Seiten, stehen auf einem soliden
Faktenfundament. Und doch ist
»Himmelsstürmer«
mehr als nur eine bloße Aneinanderreihung von Historien. Die Distanz des
Historikers vereint sich mit der Empathie des Autors für die Figuren. Alex Capus
ist in erster Linie ein großartiger Erzähler. Er verwechselt nicht kunstvoll mit
gekünstelt, seine Kunstfertigkeit liegt darin, dass man den Portraits genau
diese Kunstfertigkeit erst auf den zweiten Blick anmerkt. Die Sprache ist von
einer Leichtigkeit, dass die Lektüre zum puren Genuss wird. |
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