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Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

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Im Mahlwerk des Regimes

Der iranische Autor Amir Hassan Cheheltan beschreibt in seinem im Iran nicht veröffentlichten Roman »Teheran. Revolutionsstraße« die Unterdrückung der einfachen Menschen durch das System und dessen selbstgerechte Repräsentanten.

Im Iran herrscht bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr der Ausnahmezustand. Nachdem die Opposition nach den Präsidentenwahlen im Juni ihre Proteste für alle Beobachter überraschend lange aufrecht erhalten konnte, ist es jetzt nach dem Tod des geistigen Führers der iranischen Reformbewegung Großajatollah Hossein Ali Montaseri und dem kurz darauf folgenden Aschura-Fest erneut zu Demonstrationen und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und iranischen Oppositionellen gekommen. Wieder schaut alle Welt aufden Iran und die iranischen Intellektuellen.
Der iranische Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan gehört zu diesen Intellektuellen. Momentan lebt Cheheltan dank eines DAAD-Stipendiums in Berlin, fernab von Teheran. Von den revolutionären Bewegungen in seiner Heimatstadt erfährt er daher nur über Umwege und aus den Medien. Der Titel seines gerade auf Deutsch erschienenen Romans könnte dennoch passender kaum sein. „Teheran. Revolutionsstraße“ lautet er und entspricht auf beeindruckende Weise den gegenwärtigen Verhältnissen – als hätte Cheheltan geahnt, dass es die Opposition bei den sommerlichen Unruhen nicht belassen und die sich nächstbietende Gelegenheit beim Schopfe packen würde, um gegen das Regime aufzubegehren.

Wie schon Mahmud Doulatabadis Roman „Der Colonel“ wir der Roman nun durch das Prisma der aktuellen Ereignisse gelesen. Und wie die Handlung von Doulatabadis eindrucksvollem Totentanz spielt auch „Teheran. Revolutionsstraße“ nicht im aktuellen Iran, sondern in der Zeit nach dem Sturz des Schahs, im Iran der schwarzen Revolution und des ersten Golfkrieges zwischen den Nachbarländern Irak und Iran. Ebenso wie Doulatabadis „Colonel“ wird in Cheheltans Roman auf eindrucksvolle Weise deutlich, wie sinnlos das Leben in einer von Unterdrückung und Gewalt geprägten Gesellschaft ist. Ein Grund, warum sein Werk das Schicksal des Romans seines iranischen Schriftstellerkollegen teilt: Im Iran sind sie beide verboten.
„Teheran. Revolutionsstraße“ ist ein weiteres beklemmendes Dokument der iranischen Verhältnisse im 20. Jahrhundert, in denen seit etwa 30 Jahren nur noch das Gesetz des Stärkeren Gültigkeit besitzt. Und dieser Stärkere ist für gewöhnlich Teil des Mullah-Regimes. So auch in diesem Werk, in dem zwei Vertreter des Regimes erbittert um eine junge Frau kämpfen. Cheheltans Roman handelt vom Schicksal der siebzehnjährigen Schahrzad, die den jungen Mustafa – Wächter und Folterer im berühmt-berüchtigten Evin-Gefängnis – heiraten soll. Vor der Hochzeit muss sie sich allerdings unauffällig einer Operation unterziehen, um zumindest wieder den Anschein der Jungfräulichkeit zu erwecken.
In dieser Situation setzt der Roman ein, die junge Schahrzad auf dem OP-Tisch, dem Geschick des Klinikchefs Fatah ausgeliefert. Grob handwerkt dieser zwischen ihren Schenkeln herum und kommentiert abschätzig das Schicksal der jungen Frau. Erst außerhalb des Operationssaals, als er das Gesicht der jungen Frau sieht, welches während des Eingriffs hinter einem weißen Tuch verborgen war, nimmt er diese als wertzuschätzendes Individuum wahr und verliebt sich in die junge Frau. Er beginnt um die bereits versprochene Schahrzad zu werben, die im Kampf der Konkurrenten zur bloßen Trophäe degradiert wird. So wenig, wie es zu Anfang des Romans um das Glück der jungen Frau geht, so wenig rückt ihr Wohl im Laufe des Romans in den Vordergrund. Vom Vermögen des jungen Arztes gelockt, beschließt Schahrzads Familie, dass die junge Frau nun doch mit Fatah verheiratet werden soll. Mustafa, der vormalige Anwärter und bereits auserwählte Bräutigam bekommt Wind von der Sache und beginnt seinerseits, mit seinen ihm zu Verfügung stehenden Mitteln um die junge Frau zu kämpfen – nicht weil er sie liebt, sondern weil eine Niederlage gegen den Konkurrenten eine Schande wäre und er sowieso schon zu lange vergeblich eine Braut sucht. Die heimliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern nimmt tragische Züge an und das Leben der jungen Braut wird zum Spielball der Macht.

An Schahrzads Schicksal vollzieht Cheheltan seine Kritik am machistischen iranischen Regime und dem unwürdigen Dasein im Iran, in dem nicht nur das Leben und die Selbstverwirklichung der Frauen mit Füßen getreten werden, sondern die Zukunft einer ganzen Generation. Und die junge Schahrzad spricht für die im Iran Revoltierenden, wenn sie am Ende fragt: „Und was war mit meiner Kindheit, meinen Träumen?“

Zugleich ist „Teheran. Revolutionsstraße“ ein zeithistorisches Dokument, in dem der iranische Autor die Atmosphäre des nachrevolutionären Irans spiegelt. Darin fängt er die existenzielle Not ebenso ein wie die Unmoral der iranischen Märtyrerpsychologie. „Zucker, Geflügel und Speisefett hatte man rationiert, sogar Reis und Käse. Brot und Menschenleben gab es jedoch zuhauf, die Bäcker backten und die Frauen gebaren rund um die Uhr. Die Bevölkerung stand da und dort in langen Schlangen und musste sich schreiend verständlich machen, weil sämtliche Lautsprecher der Stadt Marschmusik ausstrahlten.“ Diese Märtyrerhaltung hat bis heute ihre Gültigkeit bewahrt, denn die Opferbereitschaft der Protestierenden im Iran ist enorm.

Cheheltans Roman besitzt allerdings nicht die Tiefe und Intensität von Doulatabadis Erzählung. Doulatabadis Sätze sind schärfer und prägnanter, die innere Struktur zieht nicht in den iranischen Abgrund, wie es die Erzählung seines iranischen Schriftstellerkollegen vermag. Dennoch ist „Teheran. Revolutionsstraße“ ein bemerkenswerter und lesenswerter Roman. Er hilft, die Absurditäten und Funktionalitäten des iranischen Regimes und des Lebens im Iran ein wenig mehr begreifbar zu machen. Nur wenig dringt aus dem Iran zu uns westlichen Lesern – Cheheltans Roman trägt dazu bei, dass dieses Wenige zumindest gehaltvoll ist.
 

Amir Hassan Cheheltan
Teheran. Revolutionsstraße
Aus dem Persischen von Susanne Baghestani
Verlag P. Kirchheim. München 2009
203 Seiten
22 €
ISBN 3874101118.


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