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Séance in italienischen Desingermöbeln
Ein
Kommentar zur deutschen Erstausgabe Von Karen Lohse
Der Erfolg Paulo Coelhos
auf dem internationalen Buchmarkt ist unglaublich. 2003 stellte der Brasilianer
auf der Frankfurter Buchmesse einen Rekord auf, als er 51 verschiedensprachige
Ausgaben seines Romans »Der Alchemist« signierte. Jetzt erschien im Diogenes
Verlag die deutsche Erstausgabe seines Romans »Brida«, 1990 geschrieben und nach
»Auf dem Jakobsweg« (1987) und »Der Alchemist« (1988) Coelhos dritter Roman. Natürlich ist auch in diesem Coelho-Roman die Liebe wieder ein wichtiger Aspekt. Brida ist mit einem jungen Physiker liiert. Beide sind offen für den Weg des anderen, die Geheimnisse der Welt zu ergründen: Magie oder Naturwissenschaft, letztendlich ist das Ziel dasselbe. Brida ist sich sicher, dass sie Lorens liebt. Bis sie auf den Magier trifft. Auf Bridas Frage: »Wenn es am Anfang nur so wenige Menschen auf der Welt gab und heute so viele, woher kommen dann all diese Seelen her?« bekommt sie von ihrer Meisterin die Antwort: »Bei bestimmten Reinkarnationen teilen wir uns. So wie die Kristalle und die Sterne, so wie die Zellen und die Pflanzen, teilt sich auch unsere Seele. Sie verwandelt sich in zwei Teile, und diese zwei Teile sind zwei neue Seelen, die sich ihrerseits teilen (…) Daher teilen wir uns, aber wir finden uns auch wieder. Und dieses Wiederfinden heißt Liebe. Denn wenn sich die Seele teilt, teilt sie sich immer in einen männlichen und einen weiblichen Teil.« Tragisch ist nur, dass Brida ihren anderen Teil nicht in Lorens erkennt, sondern in dem doppelt so alten Magier. Nun quält sie sich mit der Entscheidung zwischen den beiden Männern, denn das Suchen und Finden des anderen Teils ist kein Selbstzweck sondern, nach Coelho, eine kosmische Notwendigkeit. »Brida« ist eng mit der Biografie seines Autors verwoben. In einem Prolog gibt Coelho an, dass es die Frau seines Romans wirklich gibt und er nur ihren Namen geändert hat. Aber es sind auch Coelhos eigene Erfahrungen und Überzeugungen, die in diesem Buch zum Tragen kommen. In seiner Jugend gehörte er einige Jahre einer Sekte im Umfeld von Aleister Crowley an, in der magische Riten praktiziert wurden. In einem Interview erklärte Coelho: »Ich bin ein Magier, wie alle anderen Menschen auch (…) Ich bin jemand, der versucht, seine Gaben und seine Kraft zu entwickeln, das bedeutet es Magier zu sein, und das macht mich weder besser noch schlechter als andere Menschen.« Jedem seiner Bücher liegt diese Konzentration auf die eigene Person zugrunde. Coelho sagt von sich, dass er nur schreibt, um mit sich selbst zu kommunizieren. Seine eigene Selbstverwirklichung findet sich in der seiner Figuren wieder. Damit trifft er den Nerv eines hochtechnifizierten Industriezeitalters, in dem der Einzelne immer mehr auf sich selbst zurückgeworfen wird. Seine Botschaft ist durchaus positiv: Habe den Mut mit Veränderungen positiv umzugehen, nimm dein Leben in die Hand, verwirkliche deine Träume und höre auf deine eigene Stimme. Er übersieht dabei aber, dass der einzelne Mensch, ob er will oder nicht, immer in eine Gemeinschaft eingebunden ist und mit dieser agieren muss. Jedes soziale System setzt der individuellen Selbstverwirklichung Grenzen, das große Thema der Literatur seit Jahrhunderten. Auch wenn Coelho sagt, er würde nur für sich selbst schreiben – er hat eine riesige internationale Fangemeinde, die ihn und seine Botschaften verehrt. In dieser Coelhomanie steckt das Suchen und Finden des Religiösen in einer säkularen Welt. Beides befriedigt der Autor in seinen Büchern. Coelho entwickelt dabei eine sehr eigene Form von Religiosität. Er sammelt aus den verschiedensten Religionen und Kulturen sakrale Elemente zusammen und verknüpft sie zu einer eigenen Heilsbotschaft. Seine Texte sind dadurch kultur- und institutionsunabhängig und sprechen Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen an.
Bleibt noch die Frage: Ist das, was Coelho schreibt, Literatur oder gehören
seine Bücher eher in die Ratgeber- und Selbsthilfeecke? Literarisch weisen seine
Romane erhebliche Mängel auf: Seine Figuren sind flach und eindimensional, haben
keine Brüche und Kanten. Ihr Weg zu sich selbst gelingt immer, besonders wenn
sie jung, hübsch und intelligent sind. Der Fokus seines Schreibens scheint an
vielen Stellen nicht auf der Handlung zu liegen: Man hat oft den Eindruck, dass
hier jemand seine Botschaft nur notdürftig mit literarischen Details
ausschmückt. Und dennoch: Coelhos Bücher besitzen eine gewisse Anziehungskraft,
der sich auch studierte Literaturwissenschaftler nicht ganz entziehen können.
Auch wenn der kitschige Satz nicht so recht von den Lippen kommen will: In
bestimmten Situationen sind Coelhos Bücher Balsam für die Seele. Sind wir
schwach und verzweifelt, greifen wir eher zu
»Brida«
als zu Thomas Manns
»Zauberberg«.
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Paulo Coelho |
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