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Vom
Suchen und Finden in Afrika Ein rechter Egozentriker ist Richard Scheer. Nach ihrem Suizidversuch verlässt der Journalist Johanna, seine Partnerin, er flieht geradezu nach Dakar. Dort, am Stadtrand, lebt er im Haus eines Freundes. Ausgestattet mit einem monatlichen Fixum seiner Redaktion, deren Mann in Afrika Richard Schlee ist, hängt er in Dakar rum, je länger, desto sinnloser. Eigentlich hat er ein Ziel. Einige Zeit vor Johannas Selbstmordversuch erfuhr er, dass er Vater einer Tochter ist. Die vierjährige Tochter, Joy, lebt im Norden Nigerias, ihre Mutter starb an AIDS. Richard will Joy zu sich in den Senegal holen. Er lässt sich aber Zeit, vorher fliegt er noch für eine Reportage nach Jamaika. Erst danach begibt er sich nach Lagos und von dort weiter zu Joys Familie, die ihm heftige Vorwürfe macht, dass er ihre Mutter im Stich gelassen hat. Tatsächlich hat Richard den E-Mail-Kontakt abgebrochen, nachdem sie andeutete, dass die Krankheit ausgebrochen sei, so wie er sich eigentlich immer in seinem Leben Verantwortung und Teilnahme entzogen hat. Aber auch die Vorwürfe des Großvaters dienen letztlich nur dazu, noch ein paar Dollar zu bekommen. Zusammen mit Joy macht sich Richard auf den Weg zurück in den Senegal. Nach der Heimkehr gerät die vorher schon ungeordnete Welt Richards vollends aus den Fugen. Schuld daran hat nicht die keimende Beziehung zu seiner Tochter. Es sind vielmehr Kleinigkeiten, die unerklärlich sind und die sich langsam wie in einem Netz um Richard zusammenziemen. Richard bekommt eine Mail von seinem jamaikanischen Chauffeur, in der dieser ihn bezichtigt, seine Geldbörse samt Papieren gestohlen zu haben. Eine nigerianische Soziologin, die der Journalist während seines Aufenthalts traf, beschuldigt ihn, sie per E-Mail unsittlich belästigt zu haben und droht Konsequenzen an. Und schließlich wirft ihm eine feministische Gruppe vor, eine Teilnehmerin eines Matriarchatskongresses vergewaltigt zu haben. Es sind keine konkreten Bedrohungen, es ist die fehlende Greifbarkeit, die die Situation für Richard bedrohlich werden lässt. Richard bricht, wieder als Flucht, im Auftrag des SZ-Magazins auf nach Haiti, um von den Unruhen, die zur Abdankung von Jean-Bertrand Aristide führen, zu berichten.
David Signer,
Ethnologe und Journalist, legt mit „Die nackten Inseln“ seinen zweiten Roman
vor. Wie bereits im Debüt „Keine Chance in Mori“ bewegt sich die Handlung im
Spannungsfeld zwischen Westeuropa und Dritter Welt. Zentrales Motiv ist die
Suche. Im Debütroman begibt sich Theaterregisseur Serge – der auch in „Die
nackten Inseln“ einen kurzen Auftritt hat – auf die Suche nach seinem Freund
Max, der in der Sahelzone verschwand. Die Suche führt ins Nichts, Serge verfängt
sich in einem Zustand zwischen Realität und scheinbarem Wahnsinn. „Die nackten Inseln“ kommt vordergründig wie ein Kriminalroman daher, ist es aber nicht. Schnell, für einen Krimi zu schnell, wird Richard und dem Leser klar, wer hinter den Vorfällen und dem Verschwinden von Joy steckt. Während der scheinbar aussichtslosen Suche bekommt Richard ein Foto seiner Tochter zugeschickt. Die Schrift auf einem Schild im Hintergrund deutet darauf hin, dass sich Joy auf den Kapverdischen Inseln aufhält. Dort schließlich kommt es, nach einem psychologischen Duell, zu einem für Richard und Joy befreienden Ende. David Signer versteht es, seinen Plot an Tempo gewinnen zu lassen. Er mischt Elemente der Reportage mit einer Handlungsrahmen, die seinen Protagonisten treibt und den Leser zu fesselt. Und die Sprache liefert den passenden Sound. Kurze, prägnante Sätze sorgen dafür, dass der Roman nicht an Tempo verliert. Einzig in den Passagen, in denen Signer aus einem fiktiven, in einem dubiosen Zuschussverlag erschienenen, Roman zitiert, nehmen Geschwindigkeit raus. Diese Passagen sollen ein Element sein, um die Figur Richard Scheel herauszuarbeiten. Ein derartiges Stilelement stört häufig mehr, als dass es die Handlung trägt. Und auch hier erscheinen die meist ein- oder zweiseitigen Textabschnitte verzichtbar. David Signer weiß, wovon er schreibt. Viele Jahre hat er in Afrika verbracht und deshalb tappt er auch nicht in die Falle, die sich beim Thema Afrika aus westlicher Sicht fast zwangsläufig stellt. „Die nackten Inseln“ ist weder Mitgefühl-heuchelndes-die-armen-Negerlein-Geschwurbel noch schulmeisterhafte Ich-weiß-was-für-Afrika-gut-ist-Belehrung des Weißen Mannes. Unverfälscht ist sein Blick, sein Standpunkt objektiv. Der von Korruption gespeiste Irrsinn, die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, werden ohne Beschönigung benannt. Beispielhaft die Szene, in der Richard und Joy ungeplant auf dem Flughafen in Abidjan zwischenlanden und erst am nächsten Tag weiterfliegen können. Den Transitbereich verlassen dürfen sie nicht, es fehlt das Visum, im Transitbereich bleiben dürfen sie auch nicht, der Flughafen wird nachts geschlossen. Die Szenen in Nigeria und Haiti veranschaulichen den Alltag in Gebieten, in denen sich staatliche Institutionen und Ordnungsgefüge auflösen oder längst aufgelöst haben. David Signer enthält sich einer generellen Wertung. Und auch die „Expats“, jene Ansammlung von westlichen Diplomaten, Geschäftsleuten und Journalisten, die an jeder Station des Romans zu finden sind, verharren in einer Mischung aus Sarkasmus, Überheblichkeit und Fatalismus, der sich mit der bestehenden Situation abgefunden hat. Auch Richard Scheel ist eine von Brüchen durchzogene Figur, weit weg von jeglicher charakterlicher Geradlinigkeit.
Der Ethnologe
Signer hat eine Studie über Hexerei in Afrika veröffentlicht (Die Ökonomie der
Hexerei oder Warum es in Afrika keine Wolkenkratzer gibt. Peter Hammer Verlag).
Hexerei, Aberglaube und damit verbundene Rituale tauchen in beiden Romanen auf.
Und doch verhindert Signer, dass es sich der Leser einrichten kann, im wohligen
Grusel, im Kopfschütteln ob des Abgesangs an Rationalität. Afrikanischem
Aberglauben stellt er immer wieder, gleichberechtigt, die psychischen
Diskrepanzen des Westeuropäers gegenüber. Denn David Signer lässt keinen Zweifel
zu: Wahnsinn ist universell, so das Fazit dieses schönen Romans.
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David Signer |
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