Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik


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Die menschliche Komödie
als work in progress


Zum 5-jährigen Bestehen ist
ein großformatiger Broschurband
in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten erschienen, die es in sich haben.

 

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Ulrich Breth über die Metamorphosen des großen Rätselhaften mit 7 Songs aus der Tube

Glanz&Elend - Die Zeitschrift
Zum 5-jährigen Bestehen ist ein großformatiger Broschurband in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren mit 176 Seiten, die es in sich haben:

Die menschliche Komödie als work in progress

»Diese mühselige Arbeit an den Zügen des Menschlichen«
Zu diesem Thema haben wir Texte von Honoré de Balzac, Hannah Arendt, Fernando Pessoa, Nicolás Gómez Dávila, Stephane Mallarmé, Gert Neumann, Wassili Grossman, Dieter Leisegang, Peter Brook, Uve Schmidt, Erich Mühsam u.a., gesammelt und mit den besten Essays und Artikeln unserer Internet-Ausgabe ergänzt. Inhalt als PDF-Datei
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Seitwert

 

Über die Ewigkeit in den Abgründen der DDR

Kurt  Drawert’ s neuer Roman zeigt die Pathologie der im Tode röchelnden DDR in großartigen apokalyptischen Bildern

Von Karen Lohse

Willkommen in der Hölle der Wirklichkeit! So könnte der Untertitel zu Drawert’s Roman »Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte« lauten. Denn genau das ist es, was der Autor beschreibt: Die Geschichte eines wiedergeborenen Kaspar Hauser, dessen unterirdisches Verlies den Namen »Deutsche D. Republik« trägt. Im Gegensatz zu dem historischen Findling, ist der Protagonist in Drawert’s Roman unter der Erde nicht allein. Die Bevölkerung eines ganzen Landes ist in diesem sich trichterförmig nach unten ausdehnenden Hohlraum zusammengepfercht. Es sind erbarmungswürdige Kreaturen. Beherrscht von einer Macht, die darauf aus ist, jeden Funken von Individualität in ihnen zu ersticken. Alle miteinander tragen sie den Einheitsnamen »Tutti.« Einzig der Grad ihrer körperlichen Gebrechen unterscheidet sie voneinander. Und darin nimmt der Protagonist den Spitzenplatz ein, er, der ein »Zwergenwuchs mit Klumpfuß und Zwitterneigung« ist. Als sei das nicht genug, plagt ihn eine schlimme, ständig »stäubende« Schuppenflechte. An der Menge seiner körperlichen Makel ist allerdings auch der Grad seiner Individualität abzulesen, den er trotz der widrigen Umstände unter der Erde entwickelt hat. So ist es kein Wunder, dass bald der Drang in ihm wächst, das Gesehene und Erlebte aufzuschreiben. Aufgrund seiner Besonderheiten besitzt er genügend Abstraktionsvermögen für einen Blick aus der Distanz. Er wird Beobachter, Chronist und Schriftsteller. 

Es ist ein Leben unter einer autokraten Diktatur, die deutliche Züge der DDR trägt, aber von zeitloser Grausamkeit ist. Eckdaten der DDR-Geschichte stellt Drawert deswegen auch stets ins Ungewisse, wie »xx61« oder »xx89.« Die Instrumentarien der Herrschenden sind immer gleich: Entindividualisierung, totale Kontrolle und absolute Deutungshoheit. Aber auch die psychischen Deformationen, die der einzelne durch diese Behandlung davon trägt, sind erschreckend konstant. Drawert beschreibt sie auf sehr berührende Weise. Er gibt den willenlosen Automaten damit etwas Menschliches. Der Anblick des zur Individualität entstellten Protagonisten zum Beispiel macht dessen Mitmenschen betroffen: »Auch über mich hat (...) nie jemand gelacht. Eher geweint, eher, nach einer Begegnung mit mir, ist er, aus Verzweiflung oder Entsetzen oder einer vollkommenen Hoffnungslosigkeit infolge des Anblicks meiner Erscheinung, mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen, immer wieder, bis zur Bewusstlosigkeit oder bis zum Tod. Oder er ist verstummt. Wir hören sie nicht mehr, sie leben noch, aber wir hören sie nicht mehr. Sie gehen noch, aber wir sehen sie nicht mehr, aber sie gehen noch. Sie haben Spuren gebildet, die indessen schon wieder verweht sind, und in ihren Erinnerungen gehen sie auf diesen Spuren weiter und weiter. Sie sehen sich geradeaus gehen, weil ihr Blick fest auf den Boden gerichtet bleibt, auf einen Punkt dieses Bodens, der eine Gerade zieht, aber sie gehen nicht geradeaus,sondern im Kreis. Wie Sträflinge.«

Drawert steht mit seinem Buch in der Tradition der großen kulturgeschichtlichen Dystopien, angefangen bei Dantes »Divinia Commedia« über George Orwells »1984« bis hin zu Wolfgang Hilbigs Texten über die apokalyptischen Landschaften der späten DDR. Vor allem zu Hilbig bestehen zahlreiche Parallelen, bedingt schon durch die Wahl des gemeinsamen Sujets. Auch in Hilbigs Roman »Ich« gibt es einen Kaspar-Hauser-Wiedergänger und dessen Gegenpart Feuerbach, ähnlich ist das Unterwelt-Sujet, die Hell-Dunkel-Dramaturgie, die Sprachproblematik. Prägnant sind bei beiden Autoren die Beschreibungen des Verhältnisses zwischen Arbeitern und Intellektuellen im Arbeiter-und-Bauern-Staat: gegenseitige Ablehnung, ein Unverhältnis. Bei Drawert heißt es: »Und wer einmal nach Bohrmilch und Lötfett riecht, das ist wie, als wäre ein Vogeljunges fremdberührt worden.«

In Drawert’s Roman werden »xx89« die Schleusentore zur Oberwelt geöffnet. Geblendet taumeln die Unterwelt-Bewohner hervor. Die Konsumwelten der oberen Hemisphäre erweisen sich als genauso labyrinthisch verschlungen und unentrinnbar, wie ihr bisheriger Daseinsbereich in der Unterwelt: »Ich torkelte wie blind durch die mir endlos erscheinenden Einkaufsfabriken, immer auf der Suche nach einem Ausgang und immer weiter durch Eingänge stürzend.« Von den Unterwelt-Bewohnern wird ähnlich wie in ihrem Höllenpfuhl erwartet, sich den Verhältnissen der Oberwelt anzupassen, sich einzufügen: »Mein Sumpfloch, mein Himmelreich, es ist alles eine Frage der Perspektive. Wir gewöhnten uns schnell an jeden Zustand, Anpassungstiere, die wir geworden waren.« Drawert’s Protagonist gelingt das nicht.  Er landet im Irrenhaus, dem literarischen Ort der Wahrheitssuche. Die »Deutsche D. Republik« ist unsichtbar geworden, fantastisch. Hat sie je wirklich existiert? Die schier unlösbare Aufgabe des Schriftstellers ist es, über die »Wahrheit der Verhältnisse« zu berichten, Zeugnis abzulegen, die Erinnerungen wach zu halten. Der Bachmannpreisträger Kurt Drawert ist mit seinem Roman dieser Forderung sehr nahe kommen.

 

Kurt Drawert
Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte
Roman
C. H.Beck Verlag
317 Seiten, Gebunden
ISBN 978-3-406-57688-1

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