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de Balzac
Berserker und Verschwender
Balzacs
Vorrede zur Menschlichen Komödie
Die
Neuausgabe seiner
»schönsten
Romane und Erzählungen«,
über eine ungewöhnliche Erregung seines
Verlegers Daniel Keel und die grandiose Balzac-Biographie
von Johannes Willms.
Leben und Werk
Essays und Zeugnisse mit einem Repertorium der wichtigsten
Romanfiguren.
Hugo von
Hofmannsthal über Balzac
»... die größte, substantiellste schöpferische Phantasie, die seit
Shakespeare da war.«
Literatur in
Bild & Ton
Literaturhistorische
Videodokumente von Henry Miller,
Jack Kerouac, Charles Bukowski, Dorothy Parker, Ray Bradbury & Alan
Rickman liest Shakespeares Sonett 130
Thomas Bernhard
Eine
kleine Materialsammlung
Man schaut und hört wie gebannt, und weiß doch nie, ob er einen
gerade auf den Arm nimmt, oder es ernst meint mit seinen grandiosen
Monologen über Gott und Welt. Ja, der Bernhard hatte schon einen
Humor, gelt?
Hörprobe
Die Fluchtbewegungen des Bob Dylan
»Oh
my name it is nothin'/ My age it means less/ The country I come from/
Is called the Midwest.«
Ulrich Breth über die
Metamorphosen des großen Rätselhaften
mit 7 Songs aus der Tube
Glanz&Elend -
Die Zeitschrift
Zum 5-jährigen Bestehen
ist
ein großformatiger Broschurband
in limitierter Auflage von 1.000
Exemplaren
mit 176 Seiten, die es in sich haben:
Die menschliche
Komödie
als work in progress
»Diese mühselige Arbeit an den Zügen des
Menschlichen«
Zu diesem Thema haben
wir Texte von Honoré de Balzac, Hannah Arendt, Fernando Pessoa, Nicolás
Gómez Dávila, Stephane Mallarmé, Gert Neumann, Wassili Grossman, Dieter
Leisegang, Peter Brook, Uve Schmidt, Erich Mühsam u.a., gesammelt und mit den
besten Essays und Artikeln unserer Internet-Ausgabe ergänzt.
Inhalt als PDF-Datei
Dazu erscheint als
Erstveröffentlichung das interaktive Schauspiel »Dein Wille geschehe«
von Christian Suhr & Herbert Debes
Leseprobe
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Edition
Glanz & Elend
Martin Brandes
Herr Wu lacht
Chinesische Geschichten
und der Unsinn des Reisens
Leseprobe
Neue Stimmen
Die
Preisträger
Die Bandbreite der an die 50 eingegangenen Beiträge
reicht
von der flüchtigen Skizze bis zur Magisterarbeit.
Die prämierten Beiträge
Nachruf
Wie
das Schachspiel seine Unschuld verlor
Zum Tod des ehemaligen Schachweltmeisters Bobby Fischer
»Ich glaube nicht an Psychologie,
ich glaube an gute Züge.«
Wir empfehlen:
kino-zeit
Das
Online-Magazin für
Kino & Film
Mit Film-Archiv, einem bundesweiten
Kino-Finder u.v.m.
www.kino-zeit.de
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Bei
mir soweit alles daneben
Sigrid Lüdke-Haertel über
Annegret Helds
neuen Roman »Fliegende Koffer«
Ein absoluter Scheißjob. Annegret Held kennt die Arbeit, über die
sie schreibt aus eigener Anschauung. Sie ist als Polizistin Streife gefahren,
hat sich an der Startbahn West als Bulle beschimpfen lassen. Sie hat in einem
Sägewerk geschuftet, in einem Altersheim den Senioren die Windeln gewechselt.
Immer war sie, in solcher Umgebung, eine unter den anderen, Kollegin, Freundin.
Alles was sie schreibt, ist erfahren, erlitten. Mit der »Baumfresserin« (1999)
ist sie bekannt geworden. Mit den »Fliegenden Koffern« wird sie, wenn's nach uns
geht, berühmt.
»Bitte
den Gürtel ablegen, die Schuhe ausziehen, die Arme heben, rumdrehen«.
Wir sind hier nicht
etwa beim Arzt, die Anweisungen gibt Annette Heinz, 45,
Luftsicherheitsassistentin am Flughafen im Schichtdienst. Sie wird miserabel
bezahlt, und sie hatte sich ihr Leben einmal ganz anders vorgestellt.
»Bei mir soweit alles und alles daneben«. Statt, wie sie einst träumte, auf der
Bühne zu tanzen und zu singen, muß sie jetzt tausend mal am Tag in die Knie
gehen, tausendmal den Leuten in den speckigen Hosenbund oder in den Schritt
fassen. Wie die meisten Kollegen hat sie die nackte Not hierher verschlagen,
keiner ist gerne da. Nicht der Augenoptiker, nicht der Theologe oder die
Buchhändlerin. Sie alle haben ihre Jobs verloren, aber an Kontrolleuren herrscht
zum Glück Mangel, »schließlich gibt es immer wieder Anschläge«.
Sie werden wenig geachtet, müssen sich ständig anpöbeln lassen: Welcher Inder
trennt sich schon gerne vom Hosengürtel, wer will schon auf sein heiliges Wasser
aus Lourdes verzichten und welche Oma trennt sich leicht vom Glas
selbstgemachter Marmelade, das der Enkel erhalten soll? Alles wandert, oft unter
wüsten Beschimpfungen, in den Mülleimer.
Wenn Annette nicht mehr kann, nimmt sie eine Auszeit im Café Istanbul. Da
treffen sich die Kofferschlepper und das erschöpfte Sicherheitspersonal. In
dieser rauchgeschwängerten, Kneipe gibt es Kaffee für 30 Cent in dünnen
Plastikbechern, die immer einknicken, sodaß einem die heiße Brühe über die
Finger läuft. Man quatscht ein bißchen, raucht gierig eine Zigarette und hastet
dann wieder zu den »polternden grauen Wannen in den blechernen Schienen der
Gepäckprüfanlage«, schnappt sich die Sonde, und weiter geht’s in die Knie und
auf die Zehen, und wenn es piept, ab in die Kabine, wo es den Leuten an die
Wäsche geht, immer auf der Suche nach unerlaubtem, gefährlichen Material.
Aber es gibt auch Zeiten, wo Annette Heinz den Job mit Leidenschaft betreibt.
Nämlich dann, wenn Frauen aus Jordanien, Nonnen aus Mexiko oder Großfamilien aus
Indien anrücken. Sie erscheinen ihr wie Wesen von einem anderen Stern. Sie
fängt, während sie kontrolliert, an zu träumen. Sie liebt diese Frauen in ihren
wallenden wunderbaren Gewändern, ihrem »singenden« Schmuck, den verhüllten,
kräftig geschminkten Gesichtern, dem schweren, seidigen Haar. »Frauen von Amman
haben keinen Sprengstoff in ihren langen Gewändern. Sie tragen keine Pistolen
unter ihrem Schleier ... Niemals, niemals darf man etwas Böses denken von den
guten Frauen aus dem Wüstensand«.
Eines Tages, im Café Istanbul, passiert das Ungeheuerliche. Ein Mann steht vor
ihr. Ein Hüne. Ein Traum in blauer Polizistenuniform, ihre große Liebe, der
Mann, dem man »im Leben nur einmal begegnet.«
Simon hatte sich vor zehn Jahren für seine Frau und Kinder entschieden und »ich
hatte es nie wirklich überwunden. Wir waren füreinander bestimmt, das weiß doch
jeder.« Mühsam hatte sie sich damals in der »Unfähigkeit eingerichtet wie in
einem Schuppen, in den es hineinregnet«, ihre Haut hatte »darüber ganz die Farbe
verloren«.
Und jetzt? Simon‚ der alles konnte, fürsorglich, umsichtig war, ihr Held, ist
nur noch ein Häufchen Elend, seine Ehe ist kaputt, er ebenso, im noch längst
nicht fertigen Eigenheim haust er jetzt allein. Annette glaubt einen Augenblick,
die Zeit sei stehengeblieben. Sie träumt von einem neuen Anfang. Doch bald merkt
sie, daß ihr Simon ein anderer geworden ist, schwerfällig, einer, der Sätze
mehrfach wiederholt, irgendwie nicht mehr ganz klar im Kopf ist. Nur was sie
sieht, das will sie nicht glauben. Bis zum bitteren Ende.
Simons Leben endet tragisch. Aber Annette, noch so gebeutelt, gibt nicht auf.
Sie versinkt nicht im Kummer. Sie kontrolliert weiter »Bäuche und Hälse und
Hintern und Häupter«. Sie ist wie alle ihre Vorgängerinnen, wie alle Figuren von
Annegret Held, optimistisch bis zum Gehtnichtmehr. Ihr Leben mag schwierig sein.
Einen Sinn hat es doch.
Als es ihr richtig schlecht geht, denkt sie daran, was sie ihren Passagieren
beim Abtasten mit auf die Reise geben kann, mit einem leichten Händedruck, einem
freundlichen Blick und mit ihrer magisch heilenden Kraft »die eine Schwellung am
Knie beseitigen, die Schuppenflechte in rosige Haut« verwandeln wird.
Sie ist, das weiß sie, dazu da, »das Wohlgefühl auf diesem Erdball zu steigern«.
Das ist doch was. Sigrid Lüdke-Haertel |
Annegret Held
Fliegende Koffer
Roman.
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 2009,
296 Seiten
19,95 €
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