Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik |
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Anschreiben gegen die
unendliche Müdigkeit Dort wo heute im Südraum von Leipzig ein Naherholungsgebiet mit in der Sonne glitzernden Seen entsteht, erstreckte sich bis vor wenigen Jahrzehnten das Konzentrat der Hölle: endlose Tagebauödnis, finis terrae – das Ende der Welt. Mitten in dieser Hölle entstand aus der Feder eines Industriearbeiters ein unvergleichbares Stück Literatur, die Bestandsaufnahme einer gemarterten Welt. Die Arbeit an der kürzeren Textform der Erzählung lag Hilbig mehr als das Schreiben dickleibiger Romane, die alle nur schwer beim Lesepublikum Fuß fassen konnten. Es sind die kurzen Stücke, in denen sich die hypnotische Sprache Hilbigs bündelt und den Leser malstromartig in sich einsaugt. Das bestätigt auch Jürgen Hosemann, Hilbigs letzter Lektor und Mitherausgeber seiner Werkausgabe in der Nachbemerkung zum kürzlich erschienenen 2. Band mit Erzählungen und Kurzprosa. Ausgespart bleiben in diesem bibliophilen Buch die drei großartigen Erzählungen ‚Die Weiber,’ ‚Alte Abdeckerei’ und ‚Die Kunde von den Bäumen.’ Laut Hosemann werden sie innerhalb der Werke in einem gesonderten Band erscheinen. Besondere Aufmerksamkeit erregen bei derartigen Editionen natürlich die zu Lebzeiten unveröffentlicht gebliebenen Texte. Davon haben die Herausgeber aus Hilbigs Nachlass 13 ausgewählt, wobei ihnen bei ‚Leipzig-Plagwitz. Abfahrt und Ankunft’ eine Ungenauigkeit unterlaufen ist. Erstveröffentlicht wurde dieser Text 1992 in einem Fotoband des Fotografen Peter Thieme in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung Leipzig. Motivisch bieten die nachgelassenen Erzählungen Vertrautes und Überraschendes. Das Zerrissensein zwischen Arbeiter- und Schriftstelleridentität, die typischen Meuselwitzer Industriesujets und das sich allmähliche Verlieren im asozialen Großstadtsumpf stehen neben märchenhaften Geschichten, wie ‚Weihnachtswald’ und ‚Ein Gesicht des gelben Kaisers.’ Völlig singulär in Hilbigs Werken ist die Erzählung ‚Flutter und Flugfindel,’ in der es um extraterrestrische Phänomene geht. Die Metapher des Grases schlägt von der ersten der nachgelassenen Erzählungen einen Bogen zur letzten und verbindet sie mit den schon publizierten Texten. Das „unsterbliche Gras“ aus der 1992 entstandenen Erzählung ‚Grünes, grünes Gras’ stillt durch seine Verlorenheit an die Zeit auch in „Schläfriges Gras“ die endlose Müdigkeit des einsam Schreibenden. „Es schläft sich gut in diesem Gras“ heißt es dort und weiter: „Aber ich schlafe nicht, ich habe kalte Gedanken im Kopf.“ Und diese kalten Gedanken konnte Hilbig wie kaum ein anderer mit einer hochpotenziert poetischen Sprache beschreiben: „Wer hat das gesagt, dass der Schlaf nicht kommt zu den Einsamen? Unsere Betten sind leer, leer und am Abend besteigen sie die Müdigkeit und wir. Müdigkeit ist das einzige, das wir mitbringen von den langen Tagen.“ Ist das Gras in der 1968 entstanden Erzählung noch vegetativ und symbolisierte dadurch zumindest den Schatten der Möglichkeit von Utopie, ist es in der letzten der nachgelassenen Erzählungen ‚Die Nacht am Ende der Straße’ (2005) im Begriff zu verschwinden: „Das Gras auf dem Platz war von einem sonderbaren Grün, mit dem es zu Ende ging, ganz als wolle es braun werden, um danach in Schwarz oder Weiß überzugehen.“ Das Gras wird zu einem sich allmählich auflösenden Schatten. Bis kurz vor seinem Krebstod im Juni 2007 arbeitete Hilbig an diesem Text. Seine Erzählungen sind genauso wie die Gedichte und Romane Teile eines komplexen Gesamtwerkes. Der einzelne Text erscheint oft als monolithisches Gebilde, undurchdringlich und fremd. Erst im Verweis aufeinander eröffnet sich dem Leser die schrecklich-schöne Szenerie des Hilbigschen Kosmos. Deshalb ist das Editionsprojekt des S.Fischer-Verlages zu begrüßen, aber auch zu kritisieren. Denn mit der schwammigen Bezeichnung ‚Leseausgabe’ wird genau das Ungenügen dieser Textsammlung – und eben das ist diese Werkausgabe – deutlich. Hosemann betont immer wieder, dass der Verlag überhaupt nicht den Anspruch einer wissenschaftlich-kritischen Ausgabe habe, sondern das Erlebnis Hilbigs Texte zu lesen im Vordergrund stehe. Aber warum investiert man nicht mehr Zeit in die editorisch korrekte Aufarbeitung seiner Werke, da die Einzeltexte doch auch so dem Buchmarkt zur Verfügung stehen? Dem Leser soll es gleich bleiben, solange er die Möglichkeit hat, in Hilbigs einzigartigen Texten umherzugehen, in denen sich das Leben in Literatur verwandelt und aus der Literatur heraus das Leben beschrieben wird. Karen Lohse
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Wolfgang Hilbig |
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