Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik


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Die menschliche Komödie
als work in progress


Zum 5-jährigen Bestehen ist
ein großformatiger Broschurband
in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten erschienen, die es in sich haben.

 

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Ulrich Breth über die Metamorphosen des großen Rätselhaften mit 7 Songs aus der Tube

Glanz&Elend - Die Zeitschrift
Zum 5-jährigen Bestehen ist ein großformatiger Broschurband in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren mit 176 Seiten, die es in sich haben:

Die menschliche Komödie als work in progress

»Diese mühselige Arbeit an den Zügen des Menschlichen«
Zu diesem Thema haben wir Texte von Honoré de Balzac, Hannah Arendt, Fernando Pessoa, Nicolás Gómez Dávila, Stephane Mallarmé, Gert Neumann, Wassili Grossman, Dieter Leisegang, Peter Brook, Uve Schmidt, Erich Mühsam u.a., gesammelt und mit den besten Essays und Artikeln unserer Internet-Ausgabe ergänzt. Inhalt als PDF-Datei
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Ein Ausflug ins Ungewisse

Raffaela Janitzschek über Jayne-Ann Igels subtilen Erzählband »Berliner Tatsachen«

Auf den ersten Blick erscheint „Berliner Tatsachen“, der in diesem Frühjahr erschienene neue Erzählband von Jayne-Ann Igel, als Kolportage hinlänglich bekannter Versatzstücke einer DDR-Realität, wie wir sie zu kennen glauben: Mauer, Polizei, Kontrollen ... Bei genauerem Hinsehen entwickelt sich aber so etwas wie eine Tragikkomödie, und man kann sich nicht sicher sein, ob der Zeitgenosse dieser Erzählung nur naiv ist oder ihm der Schalk im Nacken sitzt.

Hatte das erzählerische Ich in der Vorgängererzählung „Unerlaubte Entfernung“, die Nöte bei der Ablösung von der herrschenden Weltanschauung wie den ideologisch-moralischen Vorgaben eines politisch angepaßten Elternhauses reflektiert, so ist sie im vorliegenden Text, der auch als Fortsetzungsgeschichte gelesen werden kann, bereits Geschichte. Doch der Zeitgenosse, der in oben genannter Erzählung noch als eine Art alter ego des Haupthelden auftrat und in den „Berliner Tatsachen“ nun die Hauptfigur darstellt, muß erkennen, daß ihm diese Ablösung erst einmal kaum etwas gebracht hat. Noch immer scheint er sich in der Zwickmühle selbst gesteckter, aber ohne Vorleistung nicht einlösbarer Ziele, zu hoher Ansprüche an sich selbst zu bewegen, Ansprüchen, denen er offensichtlich nicht gewachsen ist. Noch immer orientiert sich der Zeitgenosse am Elternhaus, fühlt er sich samt seines Sessels vor die Tür gesetzt, nach seinem Auszug, obgleich er ihn selbst initiiert hat. Im Jahr darauf indes sollte ihm der Zugang tatsächlich verwehrt werden, in jenem Jahr, da er Theologie zu studieren begonnen hatte, was eine Familientradition ad absurdum führte. Denn der Vater des Helden ist als Polizeibeamter beschäftigt, der Bruder zudem in einer Behörde, der die Entwicklung des Burschen suspekt erscheinen mußte. Und man hat den Eindruck, daß hier einer permanent auf der Flucht ist, vor sich selbst. Auf einer Flucht, die ihn schließlich nach Berlin führt, wo er versucht, im Heer der Penner abzutauchen …

Es ist zu allererst ein Scheitern an sich selbst, den eigenen Beschränkungen, Unsicherheiten, Fehleinschätzungen, das die Autorin in atmosphärisch dichten Bildern erfahrbar werden läßt. Immer wieder, wie nach einem musikalischen Prinzip, findet sich im ersten Teil der Erzählung, leicht variiert, eine Szene, die auch als Schlüsselszene betrachtet werden kann: wir sehen den Zeitgenossen auf dem Rücken liegend zur Decke starren, den Wanderungen des Lichts folgen, der Schatten – diese Lage erscheint als Ausdruck von Passivität, Handlungsunfähigkeit, indes die Hauptfigur vor allem damit beschäftigt ist, über ihr bisheriges Leben zu reflektieren. Das geschieht nicht ohne Selbstironie. „Und ich der auf dem Rücken liegende Käfer bin“ läßt die Autorin den Zeitgenossen einmal notieren, und der Gedanke an Kafkas „Verwandlung“ stellt sich nicht nur ob dieses Zitats ein. Denn das Scheitern an den eigenen Ansprüchen findet in einem gesellschaftlichen Kontext statt, der geeignet ist, die negativen Wirkungen dieses Scheiterns zu potenzieren, wie es im Ankündigungstext des Verlages sinngemäß heißt. Die Handlung, die mehr in einem sich Erinnern, in Reflektionen Ausdruck findet, hat die Autorin in der DDR der endsiebziger, anfang achtziger Jahre verortet, in einer Gesellschaft, in der der Einzelne sich als auf sich selbst zurückverwiesen erfährt, wenn er mit den anstößigen Realitäten in dieser Republik nicht zurecht zukommen vermag. Wie dieser Zeitgenosse, der sich überall, auch in der eigenen Wohnung, als Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit resp. Beobachtung wähnt, z.B. bei den heimlichen Besuchen bei der Mutter in jener Kleinstadt, die nur unter einer Kapuze verborgen passierbar war:

»Die schatten waren knapp, sommers, wenn er um die mittagsstunde im ort eintraf und mutters laden geschlossen war wie die anderen geschäfte, es keinen grund gab, auf die straße hinauszutreten, es sei denn für einen wie ihn, der allen grund zu haben schien, unerkannt die dürftige schattenwand entlang zu treiben, all dieser einsilbigen hausgewänder und hofgemäuer schlagschatten; unter den füßen war der grund dann kaum zu spüren, man konnte meinen, daß der bursche flog, zum marktplatz hin, erst dort wechselte er die straßenseite ... Trieb er also in diesem rinnsal dunklen wassers dorthin, wo er nicht mehr zuhause war, tauchte der schopf ab und an auf, glänzte matt das haar, wenn der schlagschatten allzu knapp bemessen, und so er fehlte, fand er die augenbrauen sämtlicher häuser hochgezogen ...«

Daraus sprechen nicht nur diffuse Ängste vor der Omnipotenz einer Kontrollinstanz, vielmehr künden diese Zeilen von einer latenten Selbstüberschätzung der Hauptfigur, so als wäre jegliche Aufmerksamkeit, auch jede privatime, auf ihn, allein auf ihn, den Zeitgenossen abgestellt. Gleichwohl sieht sich die Rezensentin an die Ängste vor der Allgegenwärtigkeit der Stasi erinnert, die bis weit in die 70er Jahre die subkulturelle Szene in der DDR beherrschte; jederzeit war man damit beschäftigt, potentielle Spitzel auszumachen, und Verdachtsmomente dieser Art sollten sich späterhin denn auch vielfach bestätigen. Allein – dieses manische Problematisieren der Überwachung hatte viel von dem geistigen Potential, über das diese Szene verfügte, gebunden, weshalb sich ihre Akteure auch bald nicht mehr darum scherten, zumindest ab den endsiebziger Jahren.
Anders als beispielsweise Tellkamp, der in „Der Turm“ sehr beredt und symbolhaft überlagert eine distinguiert erscheinende DDR-Nischengesellschaft zeichnet und ihr finsteres Gegenüber in Gestalt der staatlichen Erziehungsanstalten Armee und Gefängnis konstituiert, geht Igels Text ausgesprochen minimalistisch und subtil vor, und vermag damit einen differenzierten Blick auf ein Zeit-Stück DDR-Realität zu gewähren. Im laufenden Diskurs sollte die Stimme des schmalen Bandes nicht verloren gehen ... Raffaela Janitzschek
 

Jayne-Ann Igel
Berliner Tatsachen
Urs Engeler Editor, 2009.
17 Euro


 


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