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Männer im Zug

Eine kurze Geschichte von Joe Bauer



Es war vor Fulda, als sie einstiegen. Ich saß im Zug auf dem Weg nach Stuttgart. Ich kann mir immer nur Fulda merken. In Fulda gibt es den Slogan »ideal zentral«. Damit meint Fulda sich selbst. Den Spruch las ich auf einem Plakat im Bahnhof; das Plakat zeigte das Gesicht eines kleinen Jungen. Seine Pupillen waren wie in einem Horrorfilm scharf nach innen, zur Nase hin gedreht, und er hatte riesige Nasenlöcher.

Es waren handelsübliche Männer, die eingestiegen waren. Sie trugen dunkle Anzüge und dunkle Gesichtszüge. Sie lachten kein einziges Mal während der zwei Stunden, in denen ich sie belauschte.

Der eine, der so aussah wie der andere, nahm sein Handy, das ungefähr so groß war wie ein Metallknopf an meinem Hosenladen, und sagte, er melde sich nochmals wegen »dieser Kabelgeschichte«. Er wolle nur sagen, es gehe bei dieser Kabelgeschichte um eine Umsatzbeteiligung. Umsatzbeteiligung sei bei diesen Kabelgeschichten absolut üblich.

Dann waren wir im Tunnel und das Gespräch unterbrochen. Das ist bei Handy-Gesprächen im Tunnel absolut üblich. Als wir den Tunnel verlassen hatten, drückte der Mann, der so aussah wie der andere, auf den Wahlwiederholungsknopf und sagte, er melde sich nochmals wegen dieser Kabelgeschichte. Umsatzbeteiligung sei absolut üblich. Dann kam der nächste Tunnel. »Tunnels«, sagte der Mann zu dem anderen Mann, der so aussah wie er, »Tunnels sind tödlich. In Amerika hat man auch in Tunnels Kontakt.«

Der Mann im dunklen Anzug war ein Lügner. In New York, das zu Amerika gehört, hat man die U-Bahn-Tunnel extra ohne Handy-Kontaktantennen belassen, damit nicht jeder Idiot in der Bahn telefonieren kann.

Dann wechselten die Männer, von denen einer so aussah wie der andere, das Thema. Der eine erklärte dem anderen, für das Projekt müsse ein Image aufgebaut werden, »ein Last-Minute-Image«. Und es müsse auf jeden Fall crazy sein. Crazy sei wichtig.

Der Dialog wurde unterbrochen, ein Bahnbediensteter servierte zwei Becher Kaffee.

Der andere Mann fragte: »Was ist eigentlich crazy?« Der ebenso andere Mann antwortete: »Nicht naturalistisch, auch nicht witzig. Sondern eben crazy.«

»Hm«, sagte der andere Mann, »wir müssen überlegen, was crazy ist. Verstehst du, das muss ja irgendwie auch budgetmäßig eingebracht werden.«

Nach einer Zehntelsekunde des Nachdenkens sagte der andere Mann: »Zielgruppe?« »Ja«, antwortete der andere Mann, »Zielgruppe 15 bis 45. Verstehst du, so eine multimediale Nachtgeschichte mit Chatten für junge Leute.«

Dann sagte er: »Garantiert siebenmal pro Woche eine Minute.«

Crazy, dachte ich, verdammt crazy.

 

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»Gutes Schreiben genießt im Alltag kaum noch Ansehen. Selbst Geschäftsbriefe von Weltfirmen, habe ich festgestellt, sind seit Jahren unter aller Sau formuliert. Die Faxe haben bereits alle denkbaren Schludrigkeiten erlaubt, und seit den E-Mails ist es ohnehin wurscht, ob ein Analphabet oder ein Komiker dahinter steckt. Viele, die heute für Komiker gehalten werden, sind Analphabeten. Mangels Sprache lassen sie Fürze, ohne die Geschichte des Kunstfurzens zu kennen.«


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»Auf der Brücke über dem Fluss warfen mich die Musiker aus dem Auto. Es war schon dunkel am frühen Abend, die Musiker sagten, ich hätte genügend Zeit, bis die Show beginne. Die frische Luft, sagten sie, täte mir gut, ich solle mir Hölderlins Geist um die Nase wehen lassen. Dann fuhren sie davon. Ich stand auf der Neckarbrücke in Tübingen und schaute aufs Wasser. Es schimmerte schwarz. Ich mag kein Wasser bei Nacht.«
 

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