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Leben
in einer Diktatur der Schwäche Als Eduardo Santos 1938 Präsident Kolumbiens wird, sind die USA um diplomatische Beziehungen zu Lateinamerika bemüht, um Anhänger der Nationalsozialisten dort besser kontrollieren zu können. Unter dem Stichwort „Good Neighbour Policy“ unterstützten die Vereinigten Staaten schon seit mehreren Jahren bestimmte lateinamerikanische Regimes und waren verstärkt um kulturelle und wirtschaftliche Kontakte bemüht. Dahinter stand nicht zuletzt die Idee des Panamerikanismus us-amerikanischer Provenienz. Denn die US-Außenpolitik sah in Ländern wie Kolumbien einen amerikanischen „Hinterhof“ und richtete ihre politischen Strategien und Ziele gegen die auf Simón Bolívar zurückgehende Unabhängigkeitsbewegung Lateinamerikas. Es galt darüber hinaus, einen Ring aus loyalen Staaten zu schaffen. Diese us-amerikanische Doppelstrategie führte 1941 zu einem Geheimabkommen zwischen Santos und Roosevelt, welches das militärische Eingreifen us-amerikanischer Streitkräfte in Kolumbien erlaubte und so genannte „schwarze Listen“ einführte. Die Listen erfassten in erster Linie die emigrierten Bürger der Achsenmächte, die in den späten dreißiger Jahren vor den Gräueltaten der Nazis geflohen waren. Dort trafen sie jedoch gleichsam auf glühende Verehrer Hitlers. Die Listen, die insbesondere in der Hauptstadt, einer Stadt des Wahnsinns, „in der vergiftete Tauben das Ende der Welt ankündigten“, geführt wurden, machten selten Unterschiede zwischen Juden und Nazis. Sie bedeuteten nicht zuletzt den finanziellen Ruin und das Internierungslager von Fusagasuga, südwestlich von Bogota gelegen. Hauptinitiator war der us-amerikanische Außenminister Cordell Hull, der 1945 für seine Mitwirkung an der Gründung der Vereinten Nationen den Friedensnobelpreis erhielt. Dessen Listen sind der Ausgangspunkt für Vásquez´ Roman über die Kriegsjahre in Kolumbien. Sein tragischer Held ist Gabriel Santoro Jr., der 1988 ein Recherchebuch mit dem Titel „Leben im Exil“ über die Zeit der schwarzen Listen veröffentlicht. Es beruht auf den Aussagen der Informantin Sara Guterman, die mit ihrer Familie 1938 nach Kolumbien einreist, nachdem sie in der Heimat verfolgt wurde. Doch in Kolumbien gehen diese Verfolgungen weiter. Sara wird für Gabriel zu einem „Gedächtnis, das nicht sagen darf, dass es sich erinnert.“ Das Hotel, das ihre Familie in Bogotá damals betrieb, wird rasch zum Treffpunkt der Exil-Deutschen und zum heimlichen Zentrum des Buches, das gleich nach seinem Erscheinen vom Vater des Verfassers, Gabriel Santoro Sr. verrissen wird, weil der Sohn Dinge ans Licht gezerrt habe, über die längst das Gras der Vergessenheit gewachsen wäre. Der Vorwurf des Vaters: „Die schwarzen Listen, das Hotel Sabaneta, die Informanten. Wörter, die die Leute aus ihrem Vokabular gestrichen hatten, und jetzt kommst du an, der hehre Ritter der Geschichte, spielst dich als tapferer Recke auf und rührst an Dinge, die eine gewaltige Mehrheit lieber hätte ruhen lassen.“ Über 20 Jahre leitete der, der diesen Vorwurf vorbringt, das Rhetorikseminar am Obersten Gerichtshof Bogotás. Als berühmter Rhetor ist er auch zur 450-Jahrfeier der Stadt geladen, eine Rede zu halten, die mit denen von Bolivar und Gaitan verglichen wird. Sein Kontakt zum Sohn bricht nach Erscheinen der Rezension ab. Erst drei Jahre später, kurz vor seinem Tod Ende 1991, nimmt der Vater wieder Kontakt auf. Es ist zugleich der Beginn weiterer Nachforschungen des Sohnes, der bis dahin von einem Gefühl der Unverwundbarkeit überwältigt schien. Doch plötzlich sieht er sich unbeantworteten Fragen gegenüber, und er wird zusehends mit einem zerbrochenen Leben konfrontiert. Was war während des Zweiten Weltkriegs wirklich geschehen? Und warum erzählt niemand davon? Gabriel Santoro Jr. findet heraus, dass sein Vater nach einem ereignisreichen Abendessen den Vater seines eigenen Freundes Enrique, Konrad Deresser, denunziert hat. In einem Aktenbericht heißt es: „Bei der Unterredung im Café El Automático sagte der Zeuge Gabriel Santoro aus, Konrad Deresser … pflege engste Verbindungen mit Sympathisanten der kolumbianischen Nazipartei … und habe mehrmals in Gegenwart kolumbianischer Staatsbürger seine antiamerikanische Gesinnung offenbart.“ Konrad Deresser wird sich bald darauf in der Haft mit einem Cocktail aus Schlaftabletten, Schnaps und Schießpulver umbringen. Dem Informanten Santoro schneiden Rächer vier Finger seiner rechten Hand ab. Zu Beginn des Buches heißt es, der Verlust der Finger sei Signum einer Heldentat zur Rettung eines kleinen Jungen gewesen. Die Wahrheit kommt erst später heraus: Die fehlenden Finger sind das Mal einer Schuld, die Santoro Sr. ein Leben lang begleiten wird. Gabriel Santoro Jr. schreibt nun ein zweites Buch mit dem Titel „Die Informanten“. In der Nachschrift aus dem Jahre 1995 heißt es, dieses Buch habe er dem Leser nun vorgelegt. Es gehe darin um die Macht, jemanden zu vernichten – durch Anklage, Denunziation und Verrat. Und um seinen eigenen Vater, der zum Werkzeug jener schwarzen Listen wurde, die in Kolumbien während des Krieges kursierten. Das System der schwarzen Liste verhalf den Schwachen zu Macht und Kontrolle: „Die Kontrolle. Die hast du, wenn du eine Liste machst: Die vollkommene Kontrolle. Die Liste hat das Sagen. Eine Liste ist ein Universum. Was nicht auf der Liste steht, existiert für niemanden. Eine Liste ist der Beweis dafür, dass es Gott nicht gibt.“ Gabriel schreibt nach dem Tod seines Vaters über das Leben während jener Jahre, über ein Leben in einer Diktatur der Schwäche. Und er schreibt über seinen Besuch bei Enrique Deresser, dem Sohn Konrads und Freund seines Vaters. Er recherchiert bis er der ganzen Wahrheit auf die Spur kommt.
Vásquez entwirft mit „Die Informanten“ ein
eindrucksvolles, glänzend beobachtetes Tableau von Szenen und Einzelschicksalen.
Der doppeldeutige Titel und das vielschichtige, an stilistischen Raffinessen und
verschiedenen Erzählebenen reiche Buch sind ein mitreißendes Zeugnis über den
Wert von Zivilcourage und Bürgersinn, über Verantwortung und Schuld, über die
Hölle der Erinnerung und – über wahre und falsche Freundschaft.
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Juan Gabriel Vásquez |
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