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Mann
oh Mann!
»Leidenschaft« für neunundneunzig Frauen der Weltliteratur
Ein dickes Buch, toll,
informativ, begeistert & begeisternd. Die Verantwortlichen sind eine echte
Girlie-Gruppe. Vier, zum Glück nicht mehr ganz junge, das heißt erfahrene, vor
allem belesene Frauen, haben sich an die Arbeit, genauer: ans Vergnügen gemacht.
Vier unserer besten deutschen Literaturkritikerinnen, Verena Auffermann, Gunhild
Kübler, Ursula März und Elke Schmitter. Unterschiedliche Temperamente zwar, doch
gleichermaßen fähig, ihre Einsichten, vor allem ihre Faszination zu vermitteln.
Man spürt in jedem dieser Porträts, schreibende Frauen haben es ihnen angetan.
Alle Sparten und Spielarten der Literatur sind vertreten, von Anna Achmatova bis
zu Marina Zwetajewa, von Sappho bis zu der Frau, die Harry Potter zur Welt
brachte.
Alle 99
Schriftstellerinnen in diesem 650 Seiten dicken Wälzer haben »zweierlei
gemeinsam. Ihre Berufung und ihr Geschlecht. Und ein Drittes allerdings auch«:
Sie haben die vier Kritikerinnen, die diese Anthologie geschrieben haben,
»fasziniert«.
»Vielleicht wäre diese gutaussehende Frau lieber als Mann zur Welt gekommen. Sie
wollte selbst bestimmen, wer und was sie war. Frau, Mann, Löwenjäger, Geliebte,
Farmerin in Afrika, Boss von tausend Menschen, Schriftstellerin.« So schnell
sind wir mitten im aufregenden Leben einer dänischen Baroness, die sich wie ein
Mann in Afrika durchschlug und von diesem Leben erzählte: Tania Blixen. Wir
lesen: »Ihr Leichentuch kaufte sie fünfundzwanzig Jahre vor ihrem Tod. Kaum
jemand wußte, daß sie schon fünfundsechzig war – sie schummelte gern zehn Jahre
herunter. Es gab keinen Ort, der ihr gehörte, zu dem sie zurückkehren konnte,
und sie war das Vagabundieren leid.«
Katherine Anne Porter hatte immerhin fünf Ehen hinter sich gebracht, viel von
der Welt gesehen, einige Abenteuer erlebt und ihre Erfahrungen in einen großen
Gesellschaftsroman gepackt »auf den eine ganze Generation dreißig Jahre lang
gewartet hatte«, wie damals die New York Times schrieb.
Unser dickes Lese-Buch, unschön als eine Art Frauen-Literatur-Lexikon zu
bezeichnen, besser als Album voller Liebeserklärungen, umfaßt eine Zeitspanne
von 2.500 Jahren. Es beginnt mit der ersten bekannten Dichterin unserer
Kulturgeschichte, Sappho, und endet, durchaus tragisch, mit Sarah Kane, der
jüngsten Schriftstellerin, die sich 1999, mit nur achtundzwanzig Jahren
umgebracht hat. Ihre fünf Theaterstücke über Mord und Totschlag, Gewalt und
Brutalität waren für viele Zuschauer schwer zu ertragen. Alle ihre Texte
enthalten mehr oder weniger verdeckte Ankündigungen ihres Selbstmords.
Welches Porträt wir auch aufschlagen, wir tauchen sofort ein in oft spannende
oder außergewöhnliche und manchmal auch ganz gewöhnliche Leben dieser Frauen.
Wir leiden mit an ihren Idiosynkrasien und Verrücktheiten, erfreuen uns an ihren
Erfolgen und Glückserfahrungen, und wir erspüren das Leid, das sie erlitten.
Es ist, fast immer, ein sehr persönlicher Zugang. Dabei fügen sich diese
Lebensgeschichten zu »einer Galerie der Emanzipation« zusammen.
George Elliot, vor 200 Jahren geboren, lebte schon damals ein Leben, das auch
nach heutigen Maßstäben als außergewöhnlich gelten darf, ihr aber von ihren
Zeitgenossen den Ehrentitel. »Stinkbombe der Menschheit« einbrachte.
Oder Patricia Highsmith, deren treue Begleiter ihr Leben lang Katzen und Alkohol
waren. Das Hauptmotiv ihres Schreibens ist die »magnetische
Zufallsbekanntschaft«. Ein Augenblick, oft buchstäblich zu verstehen, der das
ganze Leben aus den Angeln heben und umlenken kann. Es geht ihr nie um die
großen Verbrechen, nicht ums Gangstermilieu, sondern die winzigen Anläße, die
normale, moralisch intakte Menschen zum Täter werden lassen.
Ihre Texte sind »laut, schrill, böse, giftig, gemein, gnadenlos und nervtötend.
Eine Endlosschleife, in der sich der kleine und der große Dreck, das Geschrei
und Geplapper des Lebens verfängt«. Damit ist die österreichische
Netzbeschmutzerin Nummer Eins, Elfriede Jelinek, gemeint, eine der
exzentrischsten Schriftstellerinnen der Gegenwart.
Die Bedingungen, unter denen diese Frauen schreiben, sind völlig
unterschiedlich. 99 Frauen. 99 verschiedene Zugänge zur Literatur. Die einen
reisen, um dann ihre Eindrücke literarisch zu verarbeiten. Die anderen sind
begrenzt auf ihren kleinen Radius, sie bleiben zu Hause und nähren sich redlich
durch die Kraft ihrer Phantasie. Doch oft ist der Ansporn des Schreibens Trauer,
Einsamkeit, Elend und Verzweiflung.
Jedes Porträt umfaßt vier bis sechs Seiten. Häufig ein Feuerwerk brillanter
Formulierung. Viel Empathie, viel Sympathie. Eine halbseitige Biographie faßt
noch einmal die wichtigsten Lebensdaten zusammen und am Ende gibt es
Leseempfehlungen. Proviant für Jahre.
Also: Ein wunderbarer, informativer und fesselnder Schmöker für lange dunkle
Abende und die kurzen Pausen zwischendurch. Ein Weihnachtsgeschenk, das »Mann«
jeder Frau unter den Baum legen sollte.
Sigrid Lüdke-Haertel
Der Beitrag erschien zuerst im
Strandgut – Stadtmagazin
Frankfurt am Main
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Verena Auffermann / Gunhild Kübler / Ursula
März / Elke Schmitter:
Leidenschaften
99 Autorinnen der Weltliteratur.
C. Bertelsmann Verlag, München 2009
639 Seiten
24,95 €
Leseprobe
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