Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik |
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Diesseits und jenseits des Lebens
In seinen neuen
Erzählungen überschreitet Wo beginnt der Tod und wo endet das Leben? Was kommt danach? Gibt es vielleicht auch ein dazwischen, ein sowohl als auch? Oder doch nur Entweder-Oder? Das sind die zentralen Fragen, um die Cees Nooteboom die Erzählungen in seinem neuen Buch „Nachts kommen die Füchse“ kreisen lässt. Die einfühlsamen und vorsichtigen Geschichten mit Tiefgang machen deutlich, dass der Tod vor allem ein Übergang ist. Ein Übergang von der einen Welt in die andere, bei der stets etwas zurückbleibt und immer etwas unwiederbringlich davongerissen wird. Nootebooms Geschichten erzählen vor allem von dem Zurückgebliebenen. Von den verblassten Erinnerungen und staubigen Zeugnissen. Von den unauslöschlichen Fußspuren auf den einstmals gemeinsam gegangenen Wegen, den legendenhaften Erzählungen, von denen jeder ein wenig und niemand alles weiß. Seine Geschichten sind wie aufblitzende Bilder, Erinnerungsfotografien an einstmals vergangene Tage, deren Gemeinsamkeit das aktuelle Alleinsein umso trister erscheinen lassen. Zugleich sind es hoffnungsschimmernde Zeilen, deren Hauptfiguren in Demut und Dankbarkeit auf die gemeinsamen Zeiten zurückblicken. In der längsten und zentralsten seiner Geschichten „Paula“ erinnert sich der Erzähler beim Anblick einer alten Vogue-Ausgabe an ebenjene Paula, mit der ihn eine kurze, aber prägende Affäre verband. Sie tauchte eines Abends beim Pokerspiel seines lockeren Freundeskreises auf und verdrehte den anwesenden Männern den Kopf. Er weiß, dass er nicht der einzige war, mit dem Paula die besondere Nähe einer Liebesnacht teilte. Wohl deshalb fühlte er sich stets wie einer von vielen. Nun erinnert er sich an die gemeinsam verbrachten Stunden und Paulas Geschichte entfaltet sich wie eine blühende Knospe. Aus den Erinnerungsblüten des Erzählers steigt ihr Geist auf und lässt das Bild der bildschönen Paula vor dem Auge des Lesers entstehen. Die Gedanken des Erzählers an Paula sind schließlich so intensiv, dass Paula ihm antwortet, aus dem Jenseits zu ihm spricht („Paula II“). „Wieviel Zeit, sorry, habe ich für diesen Abschied?“ beginnt Paula den fiktiven Monolog aus dem Jenseits ins Diesseitige. Sie scheint gewichten zu wollen, um auszuwählen, was für den Einen, der gerade an sie denkt, wertvoll sein könnte. Und wie so oft sind es die kleinen Dinge, die berühren. So ist es auch in dieser Erzählung, in der sich Paula an einen gemeinsamen Ausflug in den Maghreb zu den Beduinen und die Angst des Erzählers vor der Nacht erinnert. „Nachts kommen die Füchse“, so hatte er ihr erzählt, habe seine Großmutter stets über die Stunden der Dunkelheit gesagt. Zwischen „Paula“ und „Paula II“ spannt Nooteboom narrative Brücken, es entspinnt sich ein wahres Gespräch zwischen den Gedanken des Erzählers und dem jenseitigen Monolog Paulas, die ihm am Ende sogar ihre Liebe gesteht. „Du bist der einzige, der mich wirklich gerufen hat. Die anderen haben an mich gedacht, manchmal, aber niemand konnte mich finden, ihr Kummer, falls es das war, hatte zu wenig Energie, die Entfernung ist zu groß. […] Du hast Dein Fenster geöffnet. Windstoß. Das war ich. Rascheln, Flüstern. Das Geräusch von Füchsen, eine Nacht in der Wüste. Gedachte Füchse. Keine echten. Alles sehr flüchtig. Wie wir. Weg.“ Der 1933 in Den Haag als Cornelis Johannes Jacobus Maria Nooteboom geborene Schriftsteller gehört mit seinen Romanen, Essays und Reiseberichten zu den bedeutendsten europäischen Gegenwartsautoren. Er ist einer der wenigen Schriftsteller, der in seinem Schreiben literarische Oberflächlichkeiten offenkundig bedauert und dies zu begründen vermag. Nooteboom gelingt es, ausgestorbenen Formulierungen auf einzigartige Weise literarisch nachzutrauern und sie eben mit dieser Trauer wieder zu beleben. Dabei versteht er es wie kaum ein anderer, die Kraft der Sprache aus der Grammatik ihrer Bestandteile hervorzuheben. Sein Debütroman „Das Paradies ist nebenan“ erschien 1958 auf Deutsch und wurde 2003 in einer neuen Übertragung unter dem Titel „Philip und die anderen“ neu aufgelegt. 1985 erschien sein Roman „Rituale“, sechs Jahre später „Die folgende Geschichte“ und 1999 folgt „Allerseelen“. Sein letzter Roman erschien 2005, „Paradies verloren“. Nooteboom ist Träger zahlreicher Preise, u.a. des Anne-Frank-Preises, des Europäischen Literaturpreises, des Österreichischen Staatspreises für Literatur und des P.C.Hooft-Preises für sein Gesamtwerk. Außerdem trägt er den Ritterorden der französischen Ehrenlegion sowie den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland und ist Ehrendoktor der Katholischen Universität Brüssel und der Freien Universität Berlin. Die jetzt vorliegenden Erzählungen in „Nachts kommen die Füchse“ sind gelassen-melancholisch, geradezu milde. Nicht die Drohgebärde des jähen, unausweichlichen Todes und auch nicht die wehmütig-blinde Trauer des für immer Verpassten bestimmen diese Geschichten über Liebe, Abschied und Tod. Die zugleich kraftvollen und schwebend leichten Erzählungen werden getragen von einer seltenen Ruhe, Güte und Gelassenheit. Dabei berichten die einzelnen Geschichten vom Überwinden der Lücke, in die all die Erinnerungen gerutscht sind, die in diesem Buch beim Anblick alter Fotos oder beim Lesen verblasster Briefe wieder hervorkommen und nun mit ihrer kraftvollen Präsenz Besitz von den sich Erinnernden ergreifen. „Etwas war passiert, Distanz war dazwischengekommen und Zeit, Verschleiß, Vergessen. Ab und an ein Gedanke, eine vage Erinnerung, das war normal, so lief das, außer, man hatte keinen Frieden damit. Etwas stand noch aus, eine Verifikation, eine Form von Abschied. Dinge mussten zu Ende geführt werden, nicht nur für einen selbst, sondern auch für den anderen.“
Mit dem Aufzeigen und
Überbrücken dieser Erinnerungslücken macht Nooteboom seinen Lesern die eigene
Biografie bewusst. Die Begegnung mit Menschen, die mal unverzichtbar scheinen
und dann aber plötzlich aus den Augen geraten. „Jeder ist sein eigener Roman,
und dann auch noch viel zu lang.“ Nootebooms fiktive Reminiszenzen lassen den
Leser in das eigene Innere schauen und nach den persönlichen, längst vergessenen
Verbindungen suchen. Die Lektüre seiner Erzählungen wird somit auch zur
ureigenen Bewusstwerdung von Leben und Tod, Liebe und Hoffnung, Abschied und
Ankunft. Und trotz der Allgegenwart des Todes lesen sich diese Erzählungen wie
eine Ode an das Leben. Nooteboom macht dies mit dem ihm eigenen Zauber möglich
und lässt uns mindestens für die Länge dieses Buches beseelt innehalten.
Thomas Hummitzsch |
Cees Nooteboom
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