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Aus dem Leben einer Leseratte Firmin ist die Nummer dreizehn. Fatal, wenn die Mutter nur zwölf Zitzen hat. Statt von Muttermilch ernährt er sich von Weltliteratur und wird zur belesensten Ratte des Universums.
Wer hätte sie nicht gern alle
gelesen, die großen Autoren dieser Welt. Von A wie Austen bis zu Z wie Zafon.
Und was gäbe es darüber hinaus nicht auch noch Wissenswertes? Selbst Kochbücher
und Lexika stürmen seit Jamie Oliver und A. J. Jacobs die Bücherlisten der
Feuilletons und Bücherläden. Wer hätte nicht gern die notwendige Zeit, Muße und
Geduld mit sich selbst, um all dies lesen und aufnehmen zu können? Aber diese
Zeit hat einfach niemand. Zumindest kein Mensch, aber Firmin, eine Leseratte im
wortwörtlichen Sinn. Jam Savage heißt der Autor der komisch-verrückten Erzählung um ein außergewöhnliches Rattenleben, wie es zuvor kaum eines gegeben haben wird. Einzig Rémy, der rattige Sternekoch aus dem Pixar-Animationsfilm Ratatouille, kann wohl auf ein ähnlich aufregendes Leben zurückblicken, wie Savages tierischer Leser. Und was Rémy die Delikatessen der französischen Küche sind, sind Firmin die Meisterwerke der Literatur. Mit „Firmin. Ein Rattenleben“ debütierte der amerikanische Autor und stürmte sogleich die Bücherlisten. Dabei zählt Firmins traurig-amüsante Lebensgeschichte sicher nicht zu den Romanen, die man unbedingt lesen muss. Aber Leser, die gern in die Welt der Fantasie eintauchen, sind bei Savages Bestseller ganz richtig. Denn man muss „nicht alle Geschichten glauben, um sie lieben zu können“, wie selbst Firmin selbst in seiner diktierten Biografie erkennt.
Während seine Familie bei
der erstbesten Gelegenheit den Keller der Buchhandlung mit der Unterwelt der
Ratten tauscht, bleibt Firmin und wird zum heimlichen Interieur von Pembroke
Books. Er sieht Buchliebhaber und Dealer zensierter Werke, alte Bücher und neue,
Schund neben Weltliteratur. Firmin wird zum Experten in seinem Fach; kein Buch,
in das er sich nicht vertieft. Die Monate vergehen und Firmin wird Zeuge des
sozialen Niedergangs des Bostoner Stadtviertels, in dem der Buchladen liegt. Der
Philosoph Sam Savage erzählt mit Firmins Leben den Untergang des
berühmt-berüchtigten Vergnügungsviertels Scollay Square aus einer neuen
Perspektive. Der Erlebnisse der Ratte sind daher nicht nur satirischer Ulk,
sondern zugleich auch eine Anklage gegen den Ausverkauf der Kultur in der
Moderne. Pembroke Books fällt mit dem ganzen Viertel dem Sanierungswahn der
Bostoner Stadtverwaltung zum Opfer, die das schmuddelige, aber natürlich
gewachsene Lokalkolorit am Scollay Square den Stahlbirnen der Abrissunternehmen
überlässt. Auch Firmins intellektuelles Dasein findet mit dem Abriss des
Viertels sein jähes Ende. Dass damit ein besonderes Rattenleben zu Ende geht,
das zu erzählen sich lohnt, erfährt man zwischen seinem ersten und seinem
letzten Atemzug, die knapp 200 lesenswerte Seiten voller Spaß am Leben und an
der Literatur trennen. Thomas Hummitzsch |
Sam Savage |
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