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Exerzitien im Turm zu Babel
Mathias
Gatza will in seinem Debütroman Von Karen Lohse Hoch gelobt wurde auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse der erste Roman des Berliner Autors Mathias Gatza. Die FAZ sah in »Der Schatten der Tiere« gar den schönsten Debütroman des Herbstes. Gatza ist auf den Buchmarkt kein Unbekannter. Er arbeitete 23 Jahre als Lektor in verschiedenen Verlagen, bevor er die Seiten wechselte und eigene Gedanken zu Papier brachte, anstatt fremde druckfertig zu machen. Die jahrzehntelange Erfahrung mit Plots und Sprache merkt man seinen Buch an. Die Handlung ist hochkomplex, ein vom Leser in harter Arbeit allmählich zu entwirrendes Rätsel. Die Sprache zumindest in einigen Passagen wie ein exakt geschliffener Kristall, klar und von einer Genauigkeit für das Detail, das man in staunender Sprachlosigkeit zurückbleibt: »Ihre Hände heben sich aus dem Sand und senken sich zögernd auf ihren Busen, bedecken ihn ganz, und der kristalline Sand rieselt von den Handkanten schmirgelnd über Rücken und Brustkorb auf den sirrenden Strand.« Und dennoch habe ich das Buch nicht gern gelesen, habe es mitunter sehr unwillig zur Hand genommen, denn das theoretische Konstrukt, welches Gatza ihm unterlegt, dominiert den ganzen Roman so stark, dass die Figuren kalt wirken, leer wie Schatten sind. »Was unterscheidet uns von Tieren? Was macht uns als Menschen zum Menschen? Haben die Tiere uns etwas voraus?« sind die entscheidenden Fragen, die Gatza in seinem Buch stellt. Die traditionelle Antwort ist darauf in Wissenschaft und Überlieferung: die Sprache. Gatza, der nach eigenen Angaben sehr stark von Wittgenstein beeinflusst ist, führt diese Annahme ad absurdum. Die drei handelnden Figuren seines Romans verkörpern die drei menschlichen Formen von Sprache und deren Scheitern: ein Mathematiker, der keine Mathematik mehr betreibt, ein Lektor, der keine Bücher mehr liest und eine Pianistin, die nicht mehr Klavier spielt. Gemeinsamer Bezugspunkt ist der Zoo und die Erkenntnis, dass die Sprache sich immer nur um sich selber dreht und auf Außersprachliches keinen Bezug nimmt. Ist das, was die Welt im Innersten zusammenhält, im Schatten der Tiere zu finden? In den Instinkten der vernunftlosen Kreatur? Es wird reichlich Alkohol konsumiert in diesem Buch, denn laut Gatza ist die Kulturgeschichte progressiv mit Drogenkonsum verbunden. Die Idee, die dahinter steht: Nur im Rausch ist es möglich, in den Schatten der Tiere zu lesen. Der
Mathematiker und der Lektor, die beide ihren Beruf aufgegeben haben, lernen sich
hier im Zoo kennen und werden Freunde. Kurz nachdem der Lektor seinen Freund in
einer einsamen norwegischen Hütte besucht hatte, wird der Mathematiker ermordet
aufgefunden. Die Pianistin, die mit dem Toten verheiratet war, versucht zusammen
mit dem Lektor herauszufinden, was passiert ist. Und an diesem Punkt verwickelt
sich die Handlung ins Rätselhafte: Wer ist wer und wer hat wen umgebracht?
Vollkommen krude werden die Geschehnisse, als von einer Zeitmaschine die Rede
ist, die der Mathematiker kurz vor seinem Tod konstruiert haben soll. Das alles
mag für Leser einen Reiz haben, die abstruse Geschichten mögen. Unerträglich ist
allerdings der hochmütig pseudointellektuelle Blick der Hauptfiguren auf die
Menschen ihrer unmittelbaren Umwelt. Die drei versuchen dasjenige ausfindig zu
machen, womit alles auf der Welt zusammengehalten wird, ohne die Welt auch nur
im mindesten zur Kenntnis zu nehmen. Sätze wie
»Durch
die Sprache weicht die diffuse Qual der Sprachlosigkeit dem prononcierten
Schmerz der Erinnerung«
mögen ja durchaus einer Ironisierungsstrategie des Autors entspringen, mindern
das Lesevergnügen jedoch beträchtlich und machen aus einer großartigen Romanidee
einen intellektuellen Elfenbeinturm, in dem sich der Leser am Ende nur eines
wünscht: schnellstmöglichst daraus entkommen. |
Mathias Gatza |
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