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Herzpartikel
Ingrid Mylo über Roger Willemsens
nächtliche Exkursionen durch Bangkok
Zu einer Tageszeit, zu der andere sich niederlegen, haben sie sich aufgemacht,
der Schriftsteller Roger Willemsen und der Fotograf Ralf Tooten, jeden Abend
wieder, wochenlang. Was sie auf ihren Streifzügen durch die Nacht von Bangkok
erbeutet haben, liegt ausgebreitet auf schimmerndem Perlmutt, und man sieht:
eine Jahrmarktsbude, in der echte und künstliche Mönche Geld sammeln. Nackte
tätowierte Haut, die in einem Stundenhotel abgelichtet wird. Einen Mann, der im
aufgeklappten Kofferraum seines Autos Zeitung liest. Eine Heuschrecke zwischen
den Zähnen einer jungen Frau. Das jugendliche Opfer eines Motorrad-Unfalls.
Einen prächtigen goldenen Schrein im Regen. Ein mit Schleifen und Plastikblüten
dekoriertes Glas, das eine in Formalin konservierte Monstrostät preisgibt. Man
sieht: Tuk-Tuk-Fahrer, Liebespaare, Bauarbeiter, Go-Go-Girls, Elefanten,
Straßenfegerinnen, Muay Thai-Boxer, Obdachlose, Karaoke-Sängerinnen,
Demonstranten, Klong-Fischer, Geckos, Satay-Verkäufer und Schattenspieler. Man
sieht Elend und Schönheit und fremdartige Realität, holt sich die dunkel
glühenden Bilder unter die Haut, wo sie das Blut vor Anteilnahme wärmer strömen
lassen oder Blasen werfen bis ins aufschreckende Hirn.
Man sieht, ja, und man liest: meist von Menschen, die etwas zu verkaufen haben:
Amulette, DVDs, Sex, Kalligraphien, Blumen, Erlösung, frittierte Seidenraupen,
Tätowierungen, Illusionen, Räucherstäbchen, Massagen, einen Blick in die
Zukunft, Tamarindenblättersuppe, Drogen, ein Fetzchen Hoffnung in Form eines
Loses, Enteneier, gefälschte Papiere. Willemsen hat mit ausholender Geste und
klingenden Worten, ekstatisch, manchmal, die zweifelhafte Lust zurückgezahlt und
das mitunter bizarre Vergnügen, das ihm die Dinge bereitet haben, die er
gesehen, erlebt hat, Herzpartikel: und in den Sätzen pulsiert das Fieber,
pulsieren Farben und Hunger und die vielfältige Hysterie dieser fernöstlichen
Metropole. Am Ende ist man so aufgewühlt und erschöpft von der Heftigkeit der
Anblicke und Eindrücke, daß man sich schlafen legen möchte. Und träumen: von
gemäßigteren Gefilden.
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Roger Willemsen/Ralf Tooten
Bangkok Noir
Frankfurt. S. Fischer 2009
365 Seiten
EUR 26,95
Hörprobe
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