Das grandiose Romandebüt »Motel Life«
des Amerikaners Willy Vlautin
Im Laufe der Jahre gibt
es immer mal wieder Bücher, die einen überfallen, fesseln und auch hinterher
nicht wieder loslassen. Richtig gute Bücher, die einem den Glauben an eine
mögliche Qualität von Literatur zurückgeben, wegen der man den ganzen andern
mittelmäßigen Mist immer wieder anliest, in der Hoffnung, solch eine Perle in Händen zu
halten.
Der Roman »Motel Life«
des Amerikaners Willy Vlautin ist so eine Perle. Die pechschwarz funkelnde,
tieftraurige Geschichte über das Schicksal der Brüder Frank und Jerry Lee Flannigan,
die in der Spielerstadt Reno, Nevada, versuchen, einigermaßen mit ihrem
vermurxten Leben klarzukommen. Ihre Mutter starb viel zu früh, der Vater ist ein versoffener
Spieler, die Schule haben sie geschmissen, und halten sich mit miesen Jobs über
Wasser. Die paar hart verdienten Dollars gehen für Zimmermiete, Alkohol und im
Casino drauf. Und als ob das allein nicht schon reichte, hat Jerry Lee, der
ältere der Brüder, bei dem mißglückten Versuch auf einen Güterzug zu springen,
einen Unterschenkel verloren.
Willy Vlautin erzählt die Geschichte aus der Sicht des jüngeren Bruders Frank,
der eines Tages seine Freundin Annie James samt Mutter in flagranti erwischt hat, und
seither seinen Schmerz mit Bier und Whisky betäubt. Ein ungeeignetes Verfahren,
weil dadurch neben der Magenschleimhaut auch die Wahrnehmung der Wirklichkeit
erheblich beschädigt wird.
Ob er die Ente nur hallzuinierte, oder sie tatsächlich die Fensterscheibe seines
Zimmers durchschlagen hat, und auf dem Bettvorleger ihr Leben aushauchte, macht
Frank schließlich weniger zu schaffen, als der reale Zustand seines Bruders, der
mitten in der Nacht betrunken und heulend vor seinem Bett steht, und ihm eine
Horrorstory erzählt, deren Konsequenzen das Leben der beiden Pechvögel endgültig
aus dem Ruder laufen läßt...
Willy Vlautins Roman »Motel Life« liest sich wie ein langer, trauriger Blues.
Simple, ehrlich, auf das Wesentliche reduziert, erinnert seine Geschichte an
Steinbecks »Von Mäusen und Menschen«.
Der Klappentext bemüht Annie Proulx, John Fante, Dennis Johnson und Dylan, um
Vlautins Talent einzuordnen. Das kommt auch alles hin, ist aber nicht nötig, den
Vlautin hat seinen eigenen Ton gefunden.
Verzichtbar ist das mit dem Schicksal
der Loser kokettierende Nachwörtchen von unserm neuen enfant terrible der
Jungmänner-Literatur, Clemens Meyer, dem in der Badewanne übers Lesen der
Dosenprosecco ausgeht, und das Wasser kalt wird, aber das wird irgendwann mal
eine Geschichte für sich...
Bleibt noch, die kongenialen s/w-Zeichnungen von Nate Beaty zu loben, die
jeweils den Kapiteln voranstehen, und zur Atmosphäre dieses fulminanten Debüts
nicht unwesentlich beitragen. Herbert Debes
Willy
Vlautin Motel Life Aus dem
Amerikanischen
von Robin Detje
Mit einem Nachwort
von Clemens Meyer Berlin Verlag 208 Seiten, Gebunden
17,00 Euro ISBN-13:
9783827007469
Videos:
Willy Vlautin liest
aus Motel
Life
Willy Vlautin
ist Sänger
der Folkrockgruppe
Richmond Fontaine