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Der
Anteil des Zufalls an der
Ulf Erdmann Zieglers
Essaysammlung (zusammengestellt aus Veröffentlichungen, u.a. der "taz" [hier war
Ziegler lange Kulturredakteur], der "Zeit" und der "F.A.Z.") mit dem
wunderbar-grössenwahnsinnigen Titel "Der Gegenspieler der Sonne" trägt den nicht
minder imposanten (im Verlauf sich als durchaus zutreffend herausstellenden)
Untertitel "Gedankenklötze". Diese "Gedankenklötze" beginnen mit kleinen
Miniaturen - "Limbos" genannt. Zum Beispiel dass das Automobil der Nachfolger
des Pferdes ist, und es in der Lage ist, Familien zusammenzubringen, so wie
einstmals der Christbaum oder das Taufbecken. Und warum es nahezu
unmöglich sein dürfte, das Flugzeug in ähnlicher Manier zu lieben. Oder ein
launiger Gedanke über Flugzeugabstürze: Im Gegensatz zum Absturz eines
zivilen Flugzeugs, das eine magische Anormalität darstellt, sind militärische
Jets schicksalsmäßig einem gewaltsamen Ende bestimmt; wären sie menschlich,
würde man von einem angeborenen Todestrieb sprechen.
Main Street, Oklahoma,
Szarkowski und Langspielplatten
Humoriges gibt es über den
Tourismus des linksliberalen Bürgertums in Griechenland im Unterschied
zum Massentourismus (Loutró gegen Matala). Interessant die Bemerkungen über das
abstrakte Tauschmittel Gold. Provokant der Gedanke, dass es auch (und
gerade) in der (bildenden) Kunst Gewinner und Verlierer geben muss (…die
Gewinner müssen wenige bleiben, während wir von den Verlierern sehr viele
brauchen) Dies erläutert er durchaus an Beispielen, währenddessen er ein
bisschen arg mit der so modisch gewordenen "Authentizität" flirtet.
Überlegene Architektur,
Öko-Zeloten und ein "irregeleiteter Charmeur" Problematisch wird diese Art der ästhetischen Betrachtungsweise im Gerichts- und Prozessbericht über Marcus Gäfgen, dem Mörder von Jacob von Metzler. Zunächst suggeriert Ziegler eine neutralistische Position, die jedoch sehr schnell in Zweifel an der medialen und prozessualen Aufbereitung des Verbrechens umschlägt. So fragt Ziegler dann: Wer war im Gerichtssaal, der wirklich wissen wollte, wie Gäfgen zum Killer geworden ist? Neben den Prozessbeteiligten (dem väterliche[n] Richter, den nahezu stumm[en] Schöffen, die nichts wagten [was hätten sie denn "wagen" sollen und kennt Ziegler die Situation von Schöffen im allgemeinen und in einem solchen Verfahren im besonderen überhaupt?], dem spitzzüngigen Verteidiger) greift er die Berichtstattung der Presse, insbesondere auch der "Spiegel"-Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen an, in dem er ihr vorwirft, sie habe Gäfgens Habgier-Motiv schon vor Prozessbeginn als gegeben postuliert und damit sogar Einfluss auf das Verfahren geübt. Sogar das Verhalten des Angeklagten stört ihn. Gäfgen habe es vorgezogen, sich als irregeleiteter Charmeur mit einer unwiderstehlichen Lust auf Luxus portraitieren zu lassen. Zieglers Betrachtung ist in diesem Moment zu sehr verengt auf den Täter als das "unbekannte" und hier zu decouvrierende Wesen und berücksichtigt zu wenig die Möglichkeit des Täters, zu jedem Zeitpunkt die Tat nicht zu begehen bzw. abzubrechen. Mögen sich vor, bei, während oder nach der Prozessführung nicht geklärte Fragen zur Motivation des Täters, dessen eventuell ausgeprägte homoerotische Neigung (wobei diese Konnotation nur angetippt wird, ohne sie auch nur annähernd auszuführen) oder "Schuld" herausgestellt haben – Ziegler macht es sich hier zu leicht, wenn er von der Voreingenommenheit des Gerichts, der Öffentlichkeit und der Presse spricht. Und wenn er dann konstatiert, dass man hätte fragen können, warum ein Entführer, der ein Lebenszeichen nicht mehr liefern kann, mit Lösegeld rechnet, so erkennt man "nur" eine Entlastungsstrategie für den Angeklagten, die einen Affekt feststellen soll. Hier entwickelt er einen merkwürdigen Protestgestus mit pseudo-investigativer Rhetorik. Die Einwände vermögen allerdings das Gesamtbild nicht zu trüben. Ulf Erdmann Zieglers Essays sind glücklicherweise nicht immer leichte Kost. Einige laden den Leser zu weiterführende Recherchen ein oder fordern sie sogar. Das ist eine Qualität, weil der Leser ernstgenommen wird. Und dass Ziegler nicht nur ein sehr guter und gelegentlich streitbarer Essayist, sondern auch ein ausgezeichneter Schriftsteller ist, sei noch am Rande erwähnt. Lothar Struck
Die kursiv gesetzten
Passagen sind Zitate aus dem besprochenen Buch. |
Ulf Erdmann
Ziegler
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