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Daniel Katz Gallery, London © Frank Auerbach, Photo: Prudence Cumings Associates Ltd
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Unter die Haut von Mensch und Gemälde Frank Auerbach im Bonner Kunstmuseum und in der Tate Britain Von Peter V. Brinkemper
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Frank Auerbach hat eine
großartig unbarmherzige Art, seine Sujets und seine Modelle mit pastosem
Auftrag, tiefschürfender Gravüre und seismischer Graphik - in vollem Widerspruch
zwischen Konkret und Abstrakt - zu traktieren. Seine Titel im Falle von
Detail-Studien lauten ja auch immer, sehr aktuell, »Kopf von E.O.W« und »Kopf
von J.Y.M.«, gelegentlich »Kopf zurückgelegt«, als ob Realität, Leben und Tod,
Liebe, Untreue und Trennung, Malerei und ihre Auslöschung aus dem jeweiligen
Caput mortuum auf die Leinwand in ein endloses Tagebuch wichen. Das lebendig
Fleischige bei Lucian Freud, das Schädelige bei Auerbauch, die durchbrochene
Maske des gespiegelten Wahnsinns und Schreis bei Francis Bacon. Die drei
genannten Wahrnehmungsetiketten stehen für unterschiedliche Methoden, die
gegenständliche Realität, ihre fotografisch und malerisch vermittelte Abbildung
und die Autonomie der Malerei zwischen impressionistischer Sensibilität und
autonom expressivem Duktus in einem Spannungsfeld zu komprimieren. Auerbach
gehört mit Freud und Bacon zur »School of London«. Der körperlichen und
imaginativen Malweise seiner Kollegen setzt Auerbach eine implizite Epik und
Geschichtlichkeit des sich aufbäumenden Materials entgegen. Frank Auerbach, The Origin of the Great Bear, 1967-8, Öl auf Holz / Oil paint on board, 114,6 x 140,2 cm, Tate , © Frank Auerbach
Das Bonner Kunstmuseum
zeigt Auerbachs Werke in Kooperation mit der Tate Britain, London (Bonn:
04.06.-13.09.2015, London: 9.10. 2015-13.3.2016). Auerbach wurde in 1931 Berlin
geboren und überlebte durch den »Kindertransport« nach England, unter 10.000
Kindern aus Deutschland und den bereits besetzten Ländern 1938/39, den
Holocaust, dem seine liberalen jüdischen Eltern von Wilmersdorf aus zum Opfer
fielen. Seine jetzt gezeigten Werke stechen hervor durch ihre radikale
Fokussierung von Form und Sujet und ihrem ungezähmt-widerspenstigen Charakter.
Jedes Gemälde erweist sich als ein umkämpfter Übergang zwischen den visuellen
Reminiszenzen der porträtierten Modelle oder der dem Atelier benachbarten
Stadtarchitektur Londons und den im Bild vorherrschenden graphischen
Zickzacklinien, Girlanden und ihrer Umgebung, der delikat klimatisierten Farb-
oder Grauwerte des in schroffen Materialitäten auf- und abgetragenen und dann
irgendwann so und nicht anders stehengelassenen Malprozesses. Alle Bilder sind
Zeitbilder einer langfristigen Erarbeitung und dabei ebenso dynamische
Augenblicke des Abbruchs. Auerbach konfrontiert verschiedene Intentionen
miteinander, die anfängliche und dann immer mehr schwindende letzte realistische
Erkennbarkeit weniger Bezugspersonen und Orte, ihre Auflösung in der Handschrift
eines freien Bildes und die weitere kompositorische Behandlung zwischen Kreation
und Vernichtung. Die Inszenierung treibt den Widerspruch in die Extreme. Dem
Betrachter werden Dissonanzen im vollen Umfang zugemutet. Die Wegnahme, der Raub der vermeintlichen Erfahrung gehört zu Auerbachs Kunst hinzu. In widerspenstigen Strichen bestreitet die Malerei von Anfang an das geschlossene Kunstwerk und den vollendeten Prozess zugunsten einer schroff in der Zeit springenden, offenen ästhetischen Wahrnehmung, die Autor und Rezipient auch am Ende, wenn es im Bild „nicht mehr weitergeht“, teilen. Auerbach gibt in geradezu schmerzhafter Vergrößerung und Sperrigkeit die seriell-variierende Handschrift des Malens als die eigentliche Zeit-Landschaft von einander sich verstärkenden und auslöschenden Zeichen zwischen Bedeutungstiefe und Bedeutungsverlust zu erkennen. Das Werk wird zum verzerrenden Objektiv, ja zum realen Tunnel, in dem Bild, Mensch und Stadt in einen dynamischen Wirbel und Wellenkrater breit aufgetragener Schichten und wuchernder Zonen und Bänder verschlungen und verformt werden, oder in letzten Ablagerungen von Sedimenten zu einem Stück bedrohlich mahnender Rest-Realität transformiert erscheinen. Die lebendige Auseinandersetzung von Subjekt und Objekt, Kunst und Geschichtlichkeit springt den Betrachter jederzeit an und lässt ihn nicht mehr los, weil sie seinen Blick unmittelbar unter die Haut von Mensch und Gemälde fahren lässt.
Artikel
online seit 14.07.15 |
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