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Rilke – davongeflogen Klaus Modicks wunderbarer Künstler-Roman »Konzert ohne Dichter«Von Sigrid Lüdke-Haertel |
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Er zählt schon lange zu den etablierten Autoren der deutschen Gegenwartsliteratur. Auch als Übersetzer (William Gaddis zum Beispiel) hat er sich höchste Anerkennung erworben. Aber so ganz richtig durchgesetzt hatte er sich doch -noch- nicht. Bis jetzt. »Konzert ohne Dichter« – der Roman schaffte nicht nur den Sprung auf Platz 1 der SWR-Kritiker-Bestenliste, er hielt (und hält) sich auch über lange Zeit auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Ein Erfolg, und das mit diesem Stoff.
Dreh-und
Angelpunkt dieses Romans über eine »Künstlerfreundschaft« in
Anführungsstrichen ist das 1905 beendete Monumental-Bild von
Heinrich Vogeler: »Das Konzert oder Sommerabend auf dem Barkenhoff«.
Johann Heinrich Vogeler, Maler, Architekt, Schriftsteller,
Sozialist, war eine der Leucht- und Lichtgestalten des Jugendstils.
Er zählte zu den Gründern der Künstlerkolonie Worpswede. Dort
sollten neue Lebensformen entwickelt, dort sollte die Grenze
zwischen Leben und Kunst aufgehoben werden. Für sein Bild bekommt
Vogeler in Oldenburg die »Große Medaille für Kunst und
Wissenschaft«. Vogeler, der »König des Jugendstils«, erfolgreich in
fast allen seinen Tätigkeiten, wird sich selbst mit zunehmendem
Erfolg immer fremder. Der junge Rilke, den Vogeler in Florenz kennengelernt hatte, inspiriert ihn zu diesem Bild, das zu seinen Hauptwerken zählt. Vogeler lädt den »rastlosen Arbeiter« und »exzentrischen Frauenheld« in die Künstlerkolonie Worpswede ein. Hier leben und arbeiten schon die Maler Otto Modersohn, Clara Westhoff, Paula Becker. Malerinnen am Anfang des 20. Jahrhundert haben es schwer. Die Malerweiber« haben keinen Zugang zu den Akademien, gerne schütten die Männer Häme über sie aus: »Es gibt zwei Arten von Malerinnen: Die einen möchten heiraten, und die anderen haben auch kein Talent«. Rilke erscheint tatsächlich und lässt sich von Vogeler, der in ihm einen »kongenialen Weggefährten« sieht, gerne durchfüttern. Kompliziert wird es, als sich Clara in Rilke, der sich aber leider in Paula verliebt. Bald entflieht Rilke dieser ménage à trois nach Berlin zu seiner früheren Geliebten Lou Andreas-Salomé. Tief verletzt darüber, dass Paula Otto Modersohn heiratet, kommt er nach einem Jahr zurück und heiratet jetzt Clara Westhoff. Doch bald wird aus der lebenslustigen eine melancholische, unglückliche Frau. Ihr Kind, über das Rilke nur »marmorkalt« redet, geben sie zu den Großeltern. Modick macht kein Hehl daraus, was er von Rilke hält. Er erscheint ihm »hochmütig schwafelnd«, »schwadronierend«, er mag seine »rhetorische Glätte und pathetische Eloquenz« nicht.
Rilke treibt
die »Familie«, wie sich die Worpsweder Künstler gerne nennen,
ständig »in eine Sklaverei permanenten Schaffens«. Aber seine
»zwanghafte Reiselust«, seine »Rastlosigkeit«, lässt Rilke bald
wieder aufbrechen. »Ein fragiler Falter«, der »von Ort zu Ort
taumelte«. Das Bild, das eigentlich den Zauber des Spätsommers in
Worpswede zeigen sollte, die Idylle, die heile Welt, gemeinsame
Konzerte, Gespräche unter Freunden im Garten, zeigt am Ende nur die
Trauer über einen Verlust und die Einsicht, »dass sich diese
Stimmung nie wiederholen lässt.« Rilkes Platz auf dem großen Bild,
der eigentlich zwischen Clara und Paula sein sollte, bleibt leer.
Die einstige Seelenverwandtschaft ist nach mehr als fünf Jahren zu
einer »steifen Höflichkeit verdunstet«. Modick ist mit diesem Roman
ein eigenes Kunststück gelungen – über eine fragile und bald
zerbrechende Künstlerfreundschaft. Der Versuch dieser Künstler, eine
Lebens- und Arbeitsgemeinschaft zu verwirklichen, scheiterte.
Vogeler hingegen schaffte es damals, auch ohne Rilke, seine tiefen
Selbstzweifel zu bewältigen. Er verließ Worpswede: »heraus aus dem
goldenen Käfig. Weg von hier, das ist mein Ziel«.
Artikel
online seit 08.06.15 |
Klaus Modick
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