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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Glanz&Elend
Ein großformatiger Broschurband
in einer limitierten Auflage von 1.000 Ex.
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

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Eine Geschichte über Geschichten

»Manchmal erhältst du die beste Lösung, wenn du zulässt, zu scheitern.«
Das Gefühl der Angst vorm Versagen ist Terézia Mora in ihrem Leben nur
allzu häufig begegnet. In ihren Frankfurter Poetik-Vorlesungen, die jetzt in
»Nicht sterben« nachzulesen sind, erzählt sie von dem Weg zu ihren
individuellen Lösungen: ihren Erzählungen, ihren Romanen - ihren Geschichten.

Von Mareike Springer

 

Dass Terézia Moras Weg wahrhaftig kein einfacher war, erfährt man schon auf den ersten der 160 Seiten ihres Buches »Nicht Sterben«, die in fünf Kapitel eingeteilt sind.
Aufgewachsen in einem kleinen Dorf im kommunistischen Ungarn, prägte eine dauerpräsente Enge das Leben der Autorin, die bäuerliche Lebensweise, die katholische Religionsausübung – von einer unbeschwerten Kindheit kann da keine Rede sein. Auch der Umzug nach Ostberlin 1990 nach dem Mauerfall machte ihr Leben nicht leichter. Sprachlosigkeit, Anpassungsschwierigkeiten und die Nebenwirkungen der Pubertät waren ihre ständigen Begleiter – das bedrückende Gefühl, »falsch zu sein«, und die Herausforderung, sich in der neuen, reizvollen Welt einen Überblick zu verschaffen und die eigene Sprache wieder- und neu zu finden.

Mit einem Blick auf ihr bisheriges Werk scheint sie es geschafft zu haben: Mittlerweile ist Terézia Mora eine der renommiertesten Übersetzerinnen aus dem Ungarischen. 1999 erschien ihr erster eigener Erzählungsband »Seltsame Materie«, welcher für großes Aufsehen in der literarischen Welt sorgte und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Es folgten die ausnahmslos gelobten und ebenfalls preisgekrönten Romane »Alle Tage« (2004) und »Das Ungeheuer« (2013). Danach hielt Mora ihre Frankfurter Poetik-Vorlesungen, in denen sie über ihren Werdegang und ihr Schaffen als Autorin spricht.

Im inneren Monolog mit sich selbst oder ihrer Tochter erzählt sie, wie sie ihre Welt der Geschichten geschaffen hat. Sie beginnt mit der Erinnerung an einen Kinobesuch mit ihrer Tochter. In dem Film, in dem eine Familie von Steinzeitmenschen ihre Höhle verlassen muss und mit einem Mal einer fremden und bedrohlichen Welt gegenüber steht, erkennt sie sich selbst wieder: Die Familie muss nicht nur um ihr Überleben, sondern vor allem um ihre Handlungsfähigkeit in der neuen Welt kämpfen. Ein Kampf, der Mora letztendlich zur Antriebskraft ihres eigenen Schreibens wurde.

Um ihr Schreiben zu beschreiben, stellt sie sich (und ihrer Tochter) Fragen, die wohl allen, die sich schon einmal literarisch versucht haben, bekannt vorkommen: Wie komme ich zu einer Erzählung? Wie komme ich zu einem Roman? Wo beginne ich mit dem Schreiben? Wie schaffe ich es, eine persönliche Geschichte in eine poetische zu verwandeln? Wie verhindere ich, dass meine Geschichten lediglich wie ein Bericht und nicht wie eine Erzählung klingen? Wie nähere ich mich dem Innersten meines Romans?

Fragen über Fragen. Und dann sind da auch noch diese unausweichlichen Schwierigkeiten, die bei jedem Abtauchen in eine neue Geschichte auftreten und bewältigt werden müssen. So erfordern Erzählungen ausgiebige Recherche und akribische Planung. Neue Erzählerkonstellation müssen gefunden und Romanfiguren ausgewählt werden. Wann und auf welchen Reisen Terézia Mora ihren fiktiven Freunden begegnet ist und welchen intimen Umgang sie mit ihnen pflegt, beschreibt sie ausführlich. Sie gibt Einblicke in bedeutungsvolle Aspekte ihres Schreibens wie die 'Drastik' in ihren Geschichten und die radikalen Wendungen, die sie oftmals nehmen. Sie bezieht sich dabei konkret auf ihre bisherigen Werke. Sensibel geht sie auf die Problematik der Sprachfindung bei jeder Erzählung sowie der Suche nach Themenbereichen ein. Die Frage, was potentielle Leser(innen) aushalten können, ist dabei unausweichlich. Und zur gleichen Zeit müssen sich die Autor(inn)en selbst beantworten, was sie ertragen können und wie man mit Themen, bei denen man unfähig ist, sie darzustellen, umgeht. Auf welche Mittel kann dann zurückgriffen werden?

Terézia Mora scheint ihre Hilfsmittel und Quellen gefunden zu haben, gewährt sie den Leser(inne)n von »Nicht Sterben« doch präzise und gleichzeitig persönliche Einblicke in die Bedingungen, Grundlagen und Entstehung ihrer Geschichten, die eng mit autobiographischen Hintergründen verbunden sind. Als spräche sie von Zutaten für ein Rezept, betont sie, dass die Mittel bei jeder Geschichte neu gefunden werden müssen, denn nicht jedes eignet sich für jede Geschichte. Es erfordert Feingefühl und vor allem Zeit, die richtige Mischung zu finden. »Nicht sterben« weckt eindeutig Appetit, Terézia Moras Werke zu kosten.

Artikel online seit 13.05.15
 

Terézia Mora
Nicht sterben
Luchterhand Literaturverlag
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
160 Seiten
978-3-630-87451-7
€ 18,99 [D] | € 19,60 [A] | CHF 25,90

Leseprobe

 


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