Home

Termine     Autoren     Literatur     Krimi     Quellen     Politik     Geschichte     Philosophie     Zeitkritik     Sachbuch     Bilderbuch     Filme





Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


Anzeige

Glanz&Elend
Ein großformatiger Broschurband
in einer limitierten Auflage von 1.000 Ex.
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

Ohne Versandkosten bestellen!
 



Dschihadisten und französische Idylle

Der siebte Fall von Martin Walkers Bruno, Chef de police: Ein Romantik-Krimi

Von Louisa Klein

Wer mit Martin Walkers Krimireihe um Bruno, den Chef de police der südfranzösischen Kleinstadt Saint-Denis, vertraut ist, der kennt sie bereits: die harmonisch-idyllische Stimmung, die auf jenem Fleckchen Erde so allgegenwärtig und immer während zu sein scheint, dass auch brutale Verbrechen sie nicht so recht verdrängen können.

Und weil Walker seinem Schema gerne treu bleibt, überrascht es daher auch nicht, dass Provokateure, der siebte und neuste Fall Brunos, nicht nur mit einem grausamen Mord beginnt, sondern auch mit einem politischen Hintergrund aufwartet, der aktueller kaum sein könnte: das Mordopfer ist ein algerisch-stämmiger Franzose, der undercover gegen französische Dschihadisten angesetzt war. Als Bruno mit den Ermittlungen beginnt, erreicht ihn auch noch eine Nachricht aus Afghanistan: Sami, ebenfalls ein junger Muslim aus Algerien, aufgewachsen und eingebürgert jedoch im beschaulichen Saint-Denis, tauchte auf einem französischen Militärstützpunkt mitten in Afghanistan auf, ohne Papiere, jedoch gezeichnet von Peitschenhieben und sichtlich traumatisiert. Er wird nach Hause ausgeflogen, gerät dort jedoch unter Verdacht, die Taliban durch den Bau von Bomben unterstützt zu haben.

Zurück in Frankreich gerät der autistische Junge deshalb nicht nur ins Visier des FBI, für das er sich als reiche Informationsquelle herausstellt, sondern auch der Dschihadisten, die eben dies fürchten und verhindern wollen, dass Sami seine Informationen teilt.

Weil in der kleinen Welt von Saint-Denis jeder jeden kennt, Bruno sich noch an Sami als Jugendlichen erinnern kann und dessen Familie gern gesehene Mitbürger sind, macht Bruno es zur Chefsache, für die Sicherheit der Familie zu Sorgen und die Rolle des Jungen in Afghanistan aufzuklären, die nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die beschauliche Welt der südfranzösischen Provinz haben könnte.

Mit von der Partie sind außerdem wieder altbekannte Figuren wie Fabiola, die Bruno als „die wahrscheinlich beste Ärztin der Stadt“ bezeichnet und die ihm assistiert, oder die Schottin Pamela, die auf einem Pferdehof das Erbe ihrer Mutter verwaltet und mit der Bruno vor allem durch eine Liebelei verbunden ist.

Zu viel des Guten

Als wäre der Kampf gegen den Terrorismus hier nicht genug der Herausforderung für einen Polizisten in der französischen Provinz, lässt Walker seinen Bruno auch noch allerhand andere Fragen aufklären, wie etwa die nach einem jüdischen Geschwisterpaar, das während der deutschen Besatzung von einem Ehepaar in Saint-Denis versteckt und so gerettet wurde. Zum Dank soll nun, 70 Jahre später, aus dem Nachlass der beiden Geschwister ein Erinnerungszentrum entstehen, mit dessen Planung natürlich kein Geringerer als Bruno betraut wird. Und weil selbst der fleißigste Polizist sich irgendwann erholen muss und dies am besten beim Kochen gelingt, ist auch Brunos siebter Fall gespickt mit ausschweifenden Kochszenarien, so detailliert beschrieben, dass sich die Menüs zu Hause problemlos nach kochen lassen würden.

Detailliert sind Walkers Sprache und Beschreibungen generell, so schafft er es, den Leser in die duftende, warme und romantische Landschaft des Périgord mitzunehmen, etwa wenn es ihm gelingt, die verschiedenen Gerüche und die Stimmung des lokalen Weinfest sprachlich einzufangen, sodass man glaubt, selbst auf dem Festplatz von Saint-Denis zu stehen.

Was die Handlung betrifft, meint es Walker jedoch etwas zu gut mit den Lesern. Zu der Geschichte Samis und der der jüdischen Geschwister kommt noch ein Problem aus Fabiolas Vergangenheit, das Bruno schließlich ebenfalls löst, sowie seine eigene, sich abzeichnende Liebelei mit einer amerikanischen Diplomatin.

Da kann man sich schnell in den verschiedenen Handlungssträngen verlieren, der eigentliche Kriminalfall rückt zuweilen sogar in den Hintergrund, wenn es gilt, ausschweifend Brunos Privatleben zu erläutern oder einfach nur der Schönheit des Périgord zu frönen.

Was dabei eigentlich stört, ist die ständige Stimmungsromantik, gegen die sich die vielversprechende, brisante politische Thematik anfangs noch zu wehren schien. Sie klingt hier auch selbst dann nicht ab, als das zum Schutz von Samis Familie angemietete Château (geht noch mehr Romantik?) von Dschihadisten mit Panzerfäusten angegriffen wird, denn irgendwo zwitschert immer noch ein Vogel, trotz einiger Schiessereien taucht die Sonne immer noch alles in warmes Licht, die Umgebung verliert rein gar nichts an Schönheit - ein wenig zu viel des Guten.

Am Ende wartet Walker dann zwar noch einmal mit einem überraschenden und tragischen Ausgang auf, der wenige Zeilen später jedoch schon wieder von Romantik überlagert wird. Das Friede-Freude-Eierkuchen-Gefühl bleibt.

Provokateure ist ein sorgfältig recherchierter, thematisch aktueller Romantik-Krimi, bei dem vor allem Südfrankreich-Liebhaber auf ihre Kosten kommen, der perfekte Wohlfühl-Krimi für den Sommerurlaub.

Artikel online seit  28.06.15
 

Martin Walker
Provokateure
Der siebte Fall für Bruno, Chef de police
Aus dem Englischen von Michael Windgassen
Diogenes 2015
421 Seiten
978-3-257-06928-0
€ (D) 24.00

 


Glanz & Elend
- Magazin für Literatur und Zeitkritik
Home   Termine   Literatur   Blutige Ernte   Sachbuch   Politik   Geschichte   Philosophie   Zeitkritik    Filme   Impressum - Mediadaten