Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik

 

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Lesen in Zeiten der Cholera

10 lesenswerte Neuerscheinungen

ausgesucht von Herbert Debes

Mussolinis Weg an die Macht

Im Jahr 1919 gleicht Italien einem politischen Trümmerfeld. Der Erste Weltkrieg hat die italienische Regierung massiv geschwächt, sozialistische wie rechtsnationale Gruppen erleben einen noch nie dagewesenen Aufstieg und stellen politische Institutionen radikal in Frage, während frustrierte Kriegsheimkehrer durch die Straßen des Landes ziehen. Getrieben von ihrem Unmut lassen sich die ehemaligen Kämpfer bald von einem Mann einen, der sie zu gemeinsamen Aktionen gegen die politische Linke aufruft: Benito Mussolini, Gründer des Il Popolo d’Italia und ehemaliger Chef des linksextremen Flügels der sozialistischen Partei Italiens. Dem Fünfunddreißigjährigen gelingt es, sich in Zeiten politischer Unsicherheit Gehör zu verschaffen und unterschiedlichste Gruppierungen unter einem gemeinsamen Banner zu versammeln. Bis zum berühmten Marsch auf Rom 1922 und darüber hinaus wird Mussolini seine Macht in Italien rasant ausbauen und den Faschismus als Staatsideologie unwiderruflich festschreiben.
Sechs Jahre braucht Benito Mussolini, um zum einflussreichsten Politiker im krisengeschüttelten Nachkriegsitalien zu werden. Sechs Jahre, um den Faschismus als Staatstheorie zu verankern und ein autoritäres Regime zu implementieren. Ein Roman wie ein Spiegel europäischer Geschichte – und ein Mahnmal gegen die Rückkehr des Faschismus in Europa.

Antonio Scurati  - M. Der Sohn des Jahrhunderts - Roman - Aus dem Italienischen von Verena von Koskull - Klett-Cotta - 830 Se
iten, gebunden, Lesebändchen - 32,00 € - 978-3-608-98567-2 - Leseprobe


Böse, komisch, bizarr

Mit seinen neuesten Stories lockt uns T.C. Boyle mit auf einen Trip in eine Zukunft, die seinen Lesern einiges abverlangt. Es sind ungemütliche Zeiten, in der der kirschrot phosphoreszierende Pitbull das klavierspielende Mikroschwein der Nachbarin zerfleischt. In der durch Genmanipulation perfekte Kinder aus dem Katalog gezeugt werden oder man mit der Relive Box in die eigene Vergangenheit reisen kann. Diese pralle Sammlung zeitgenössischer American Short Stories liest sich wie eine gelungene Reminiszenz an den Großmeister des SF-Literatur Philip K. Dick.

T.C. Boyle - Sind wir nicht Menschen - Aus dem Englischen von Anette Grube & Dirk Gunsteren - Hanser Verlag - 400 Seiten - 23.00 € -
978-3-446-26558-5 -
Leseprobe



Achterbahn

Zornig, klarsichtig und mit bissiger Ironie erzählt Marion Messina das Leben einer jungen Frau, die aus der französischen Provinz nach Paris geht, um dort ihr Glück zu machen.
Aber in Paris reicht es gerade mal für einen Job als Empfangsdame, der Wohnungsmarkt entpuppt sich als anarchische Zone und die Liebe ist eine Farce zwischen freundlichen Arrangements und Pornographie. Doch dann setzt Aurélie alles auf Anfang. Die 168 Seiten dieses temporeichen Debuts lesen sich schnell weg. Doch im Gegensatz zur Lektüre von Michel Houellebecq, mit dem Messina etwas voreilig verglichen wird, bleibt kein pelziges Gefühl von Resignation und Abgefucktheit zurück, sondern ein Schimmer von Zuversicht stellt sich ein und Vertrauen auf diese neue Generation von französischen AutorIinnen ...

Marion Messina - Fehlstart - Aus dem Französischen von Claudia Steinitz - 168 Seiten - Hanser Verlag - 18,00 € - 978-3-446-26668-1 - Leseprobe


Corso Bramard ermittelt wieder

Bei dem Bau einer Bahnschnellstrecke zwischen Mailand und Turin werden die Überreste von zwölf Leichen gefunden, und eine Spur führt in die Zeit des italienischen Terrorismus, der Brigate Rosse.
Im Turiner Herbst 1977 hatten ein paar Jugendliche den Parteisitz der rechten MSI in Brand gesetzt. Dabei war ein Mann ums Leben gekommen, der sich nachts in den Räumen aufhielt. Wussten die Jugendlichen, dass ein Mensch im Gebäude war? War alles nur ein Spiel der jungen Leute, in jenen aufgeheizten Zeiten, oder wollten sie wirklich einen Mord begehen? Niemand kennt die Antwort, die Jugendlichen sind seitdem spurlos verschwunden.
Fast vierzig Jahre später suchen zwei Kommissare und ihr ehemaliger Kollege Corso Bramard nach einer Verbindung zu jenem Fall und nähern sich beharrlich einer Wahrheit, die von der Politik unter den Teppich gekehrt wurde.

Davide Longo - Die jungen Bestien - Rowohlt - übersetzt von Barbara Kleiner; Friederike von Criegern - 416 Seiten - 22,00 € - 978-3-498-03946-2 - Leseprobe


Die eigene Sprache finden

Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Gegen den Willen seiner Eltern wird er Übersetzer und verfolgt unbeirrt das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden. Von London folgt er seiner Frau Livia nach Triest, wo sie einen Verlag geerbt hat. In der Stadt bedeutender Literaten glaubt er den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben – bis ihn ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Doch dann erweist sich die vermeintliche Katastrophe als Wendepunkt, an dem er sein Leben noch einmal völlig neu einrichten kann. Eine Chance aber auch eine Herausforderung, denn wer zeitlebens in fremder Sprache gelebt hat, muß seine eigene erst einmal finden ...

Pascal Mercier - Das Gewicht der Worte - Hanser Verlag - 576 Seiten - 26,00 € - 978-3-446-26569-1 - Leseprobe


Der Spur des Geldes nach

An einem eiskalten Osloer Wintermorgen liegt im Vorgarten von Berit Berglund, Chefin der Geheimdiensteinheit E 39, eine grotesk drapierte Leiche: Hauke Ingstad, zuletzt stellvertretender CEO von «Nordic Invest», dem größten Staatsfonds der Welt.
Als auch der Leiter des norwegischen Rechenzentrums «Green Valley», Erling Opdal, tot aufgefunden wird, verdichten sich die Anzeichen, dass es jemand auf das Vermögen und den Datenschatz des ganzen Landes abgesehen hat. Welche Fäden zieht der amerikanische Investmentfonds «BlackHawk» bei diesen Machenschaften, was hat die kalifornische Datenkrake «Elendilmir» mit den Morden zu tun? Und wie kann es sein, dass ein amerikanischer Killer von zwei norwegischen Polizisten beschützt wird? Mit ihrem Team, der deutschen Journalistin Sophie Schelling, die sich vor dem Zugriff der NSA nach Oslo gerettet hat, und Harald Nansen, einem Geheimpolizisten pakistanischer Herkunft, nimmt Berit Berglund die Jagd auf, die bis in höchste Polizei- und Regierungskreise führt. Michael Lüders hat einen packenden, schockierend realistischen Politthriller geschrieben: Wer wissen will, wer die Welt regiert, muss nur der Spur des Geldes folgen.  

Michael Lüders - Die Spur der Schakale - Thriller - C.H. Beck - 394 Seiten - 16,95 € - 978-3-406-74857-8 - Leseprobe

Ausgeträumt

In einem früheren Leben war Olaf Ostrander Schuldeneintreiber, jemand, der andere daran erinnert, dass es nichts umsonst gibt. Notfalls mit Gewalt. So hat er auch seine Frau kennengelernt, gerettet und erobert, um den Preis einer Haftstrafe. Als sie kurz nach seiner Entlassung eine Erbschaft macht, ist der Moment für beide gekommen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Gemeinsam wollen sie sich einen Traum erfüllen: den Traum von einem Leben auf einer Insel, weit weg von allem, unter Palmen und einer ewigen Sonne in einer Villa am Meer. Sie finden, was sie suchen, doch bald schon wird ihnen klar, dass der Himmel auf Erden nicht so einfach zu haben ist. Und dass sie trotz der hohen Zäune um ihr Haus dem Glück und anderen unberechenbaren Mächten ausgeliefert sind, die sie daran erinnern, dass es nichts umsonst gibt.
In seinem ureigenen Sound erzählt Ludwig Fels davon, was es kostet, an einem Traum festzuhalten. Und was es bedeutet, am eigenen Leib erfahren zu müssen, dass es ein falscher Traum gewesen ist.

Ludwig Fels - Mondbeben - Roman - Jung und Jung - 320 Seiten - 978-3-99027-241-1


Ein Raum der Sprache

Jeden Donnerstag kamen in das Elternhaus Cheheltans acht Gäste, um mit den Eltern und später auch ihm selbst über Literatur zu sprechen. Sie sprachen vorzugsweise über die klassische persische Literatur, über Rumi, Hafis, Saadi, Ferdowsi und andere. Über Jahre hielten diese Treffen an und eröffneten einen Raum der Sprache, der Poesie, der Interpretation, was die großen Themen des Lebens und des Geistes anbelangt, verbanden die Teilnehmer, verstrickten sie aber auch miteinander, weil die Staatsmacht auch in ihren Zirkel reinregierte.
Denn in diesem Zeitraum seit den sechziger Jahren herrscht erst der Schah mit seinem Repressionsapparat und dem Geheimdienst SAVAK, bis die islamische Revolution von 1979 das Regime durch die Macht der Mullahs ersetzt. In seiner dichten und detaillierten Erzählung kehrt Amir Hassan Cheheltan immer wieder zu dem Zirkel der Literaturliebhaber, den Gesprächen über die Poesie, der Rolle seiner Eltern, den Impulsen für die eigene Lektüre und der Wirkung der Literatur zurück. Denn diese ist älter, weiser, komischer, subversiver und sexuell weitaus freizügiger, als die offizielle Sittenlehre und die gesellschaftlichen Zwänge es dulden wollen.

Amir Hassan Cheheltan - Der Zirkel der Literaturliebhaber - Aus dem Persischen von Jutta Himmelreich - C. H. Beck - 252 Seiten - 23,00 € - 978-3-406-75090-8 -
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Auf Streife in Philadelphia

Einst waren sie unzertrennlich, seit fünf Jahren sprechen sie nicht mehr miteinander, doch die eine wacht insgeheim über die andere. Jetzt aber ist die Lage bedrohlich geworden: Mickey, Streifenpolizistin in Philadelphia, findet ihre drogenabhängige Schwester Kacey nicht mehr auf den Straßen der Blocks, die sie kontrolliert und auf denen Kacey für ihren Konsum anschaffen geht.
Gleichzeitig erschüttert eine Reihe von Morden an jungen Prostituierten die von Perspektivlosigkeit und Drogenmissbrauch geplagte Stadt. Liz Moore erzählt die Familiengeschichte von Mickey und Kacey und deren Entfremdung parallel zur Geschichte der Jagd nach einem Frauenmörder, die auch Mickey in große Gefahr bringt. Zugleich entwirft sie das Porträt einer Stadt und einer Gesellschaft in der Krise.   

Liz Moore - Long Bright River - C.H. Beck - Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann - 413 Seiten - 24,00 €
978-3-406-74884-4 - Leseprobe


Schätzing & Brown lassen grüßen

Eine bahnbrechende Erfindung. Ein biologischer Supercomputer. Doch was, wenn der in die falschen Hände gerät?
Ein römischer Senatorensohn reist für seine Ausbildung in das antike Alexandria, um dort die Wunder der Wissenschaft und das bemerkenswerte astronomische Wissen seiner Zeit zu lernen.
Fast 2000 Jahre später steht der junge Forscher Lennard Sander vor der größten Entdeckung der Neuzeit: einem DNA-basierten Super Computer mit praktisch unbegrenzter Rechenleistung. Doch ein Mordanschlag zwingt ihn zur Flucht. Irgendjemand versucht an seine Erfindung zu gelangen, um mithilfe einer künstlichen Intelligenz das Leben aller Menschen zu kontrollieren. Zur selben Zeit findet ein italienischer Philologe einen Hinweis auf drei verschollene Codices aus dem Altertum. Tragen sie das Geheimnis in sich, um die entfesselte Technologie in die Schranken zu weisen? Die Zeit wird knapp …

Wolfgang Eckstein - Die Codices - A Tree & A Valley - 672 Seiten
978-3-947357-15-4



Artikel online seit 10.03.20
 

 

 


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