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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Glanz&Elend
Ein großformatiger Broschurband
in einer limitierten Auflage von 1.000 Ex.
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

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Wo gehobelt wird

Eine kurze Geschichte

von Jörn Birkholz

Barbara holte aus und schlug mit voller Wucht auf den Wohnzimmertisch ein.
Das Axtblatt blieb im Holz stecken. Die Tischplatte war von minderwertiger Qualität, dachte Peter, während er zusah, wie sie die Axt wieder aus der Platte herauszog um erneut auf den Tisch einzuschlagen. Holzstücke flogen durch die Luft. Sie keuchte. Er behielt sie dabei genau im Auge. Nach dem sechsten oder siebten Schlag - vom Wohnzimmertisch war mittlerweile nicht mehr viel übrig geblieben - widmete sie sich dem Fernseher.
»Was ist!«, rief Barbara, als sie das Gerät auf den Boden schleuderte, wo es mit einem lauten Krach zu Bruch ging. 
»Nichts«, erwiderte er ruhig, und ließ sie dabei nicht aus den Augen.
»Wir haben dafür bezahlt, also können wir damit auch machen was wir wollen!«
Erneut holte sie aus, und mit nur einem Schlag zertrümmerte sie das Gehäuse. Er bemerkte Schweißperlen auf ihrer Stirn. Lange hatte er sie nicht mehr so lebhaft erlebt. Er stellte sich an die Wand.
»Was ist, hast du Angst?«, fragte sie mit einem leicht irren Grinsen.
»Nein, nein alles gut«, entgegnete er.
»Tu dir keinen Zwang an.« Sie wies zur Schrankwand hin »Ansonsten nehm ich sie mir vor.«
»Nein, schon gut.«
»Willst du die Axt?« Barbara fuchtelte mit dem Ding vor seiner Nase rum. Automatisch wich er ängstlich zur Seite. Er dachte an seine Tochter, die hatte nächste Woche Geburtstag.
»Nein, nein behalt die mal ruhig.«
»Feigling«, rief sie, wieder mit dem leicht irren Blick, holte aus und hieb das Blatt der Axt mitten in die Schrankwand hinein. Wieder flogen Holzstücke herum und das alte Geschirr fiel heraus und zerschellte auf dem Boden. Er ging noch etwas mehr auf Distanz zu ihr. Barbara bemerkte es.
»Was ist los mein Schatz, du hast doch nicht etwa Angst vor mir?« Sie lachte schallend.
»Na ja, ein bisschen Angst bekommt man da schon«, bemerkte er nervös.
Barbara lachte noch schallender und knallte die Axt ein zweites Mal in die Schrankwand hinein. Wie vorhin im Esstisch, steckte das Blatt fest.
»Scheiße«, rief sie, zerrte und riss, befreite sie und warf dabei die komplette Schrankwand um, die lautscheppernd auf den Boden krachte. Sie trat mit dem Fuß dagegen. Ein Stück Holz flog dabei haarscharf an Peters Kopf vorbei.
»Pass doch auf!«, konnte er sich nicht beherrschen. Erschrocken blickte sie ihn an, als wenn sie jetzt erst wieder zu sich kam.
»Hast du was abbekommen?«, fragte sie wie aus einem Traum erwacht.
»Nein, aber es hätte nicht viel gefehlt.«Mit der Axt in den schwitzigen Händen trat sie auf ihn zu.
»Okay, ich glaube das reicht für heute«, bemerkte Barbara erschöpft und ließ die Axt auf den Boden fallen.
»Ja, ich denke auch, dass es reicht.«
Beide nahmen die Schutzbrillen ab und verließen das Zimmer.

»Na, hat es Ihnen gefallen?«, fragte der Veranstalter.
»Und wie, was Peter?!«, jauchzte Barbara.
»Ja, war schon sehr intensiv«, kommentierte Peter trocken.
»Möchten Sie mit Karte, oder bar bezahlen?«
»Bar«, sagte Barbara und übereichte dem Veranstalter des Crash-Rooms die vereinbarten zweihundert Euro.
»Danke, und beehren Sie uns bald wieder, aber nicht vergessen, vorher einen Termin zu vereinbaren, wir sind bis Ende des Monats ausgebucht.«
»Ja sehr gerne, aber nächste Woche haben wir ja noch die Zimmertortenschlacht gebucht, das Geburtstagsgeschenk für unsere Kleine.«
Der Veranstalter scrollte in seinem BlackBerry.
»Ja stimmt, hier hab ich´s, die kleine Maja, fünfter Geburtstag, richtig?«
»Genau.«
»Aber denken sie dran, Frau Bergmann, Kindergeburtstage mit Tortenschlacht kosten fünfzig Euro extra, wegen der Reinigung des Crash-Rooms.«
»Ja, kein Problem, hab`s doch gelesen«, lachte Barbara, »Es wird Maja bestimmt gefallen, meinst du nicht auch Peter?«
»Mit Sicherheit.«
»Okay, dann mal los, ich muss zum Yoga.«
»Ja, mein Schatz, soll ich dich hinfahren?«
»Das wäre fantastisch mein Liebling.«
 

Später, als er allein war, dachte Peter eine Weile ergebnislos über sein Leben nach.

Artikel online seit 27.03.17

 
 


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