»Es
gibt etwas, das mehr ist als das Recht: Die Gerechtigkeit.
Es gibt etwas, das höher steht als das allgemeine Wohl:
Die allgemeine Sittlichkeit. Und es gibt etwas, das schöner und
wertvoller ist als die Freiheit: die Tugenden der Menschen.«
(Ludwig Börne)
Falls
es einer deutschen Altpartei (oder der AfD) einfiele, ihre Jugendorganisationen
mit Poesiealben für Erstwähler zu munitionieren, würde sich Ludwig Börnes
Goldenes Wort als Leitsatz nur bedingt empfehlen, denn er nimmt unsere
sittlichen Maximen nicht nur beim Wort: Es wäre einfach zu viel verlangt, danach
zu streben, zu leben und überleben zu wollen, solange Staatsraison und
Menschenrechte unvereinbar bleiben. Es wäre auch nicht opportun, denn die
Tagesgeschäfte der Politik sind bei Idealisten ungut aufgehoben, weil aus
unbeirrt gutem Willen (dem heiligen Ernst) zwangsläufig kontraproduktive
Entwicklungen und Ergebnisse entstehen, der frommen Einfalt geschuldet oder dem
fanatischen Eifer.
Wer diese bruderkriegsartige Problematik im feindumgebenen Lager erlebt (die
Juden in Israel), hat keineswegs qua Geburt & Geschichte als Palästinenser die
besseren Karten, falls er als israelischer Staatsbürger oder Gefangener seinen
Frieden mit den Friedwilligen machen wollte oder um des Friedens willen sich
unterwürfe. Der Geburtsjude Abraham Melzer, Kind überlebender KZ- Juden,
Verlegersohn und Ex- Verleger (»Ich schreibe nur noch selbst!«) ist weiterhin
israelischer Staatsbürger und Bürger der Bundesrepublik Deutschland und nach
seinem Selbstverständnis kein Feind des Staates Israel, aber ein unerbittlicher
Staatskritiker, was genau genommen nicht den Judenstaat als solchen in Frage
stellt, sondern die Innen- und Außenpolitik rechter Regierungen (immerhin ist
Israel weder eine Theokratie, noch eine Militärdiktatur und für loyale Juden
eine privilegierte Heimat), es sei denn, man grenzte sich quasi selber aus. Wie
Melzer, der für eine gerechte Lösung der Palästinenserfrage nicht allein in der
Kampfzone steht, denn Gesinnungsgenossen und Mitstreiter gibt es viele, aber
viel zu wenige und die haben es immer schwerer, bis das Tote Meer de facto
trocken liegt. Und wenn der arabische Exodus im Nahen Osten auch Palästinenser
veranlassen sollte, ihr persönliches Heil oder ziviles Wohlergehen in Europa zu
suchen, dann wäre das nicht die unblutige Endlösung der historischen
Lebensraumfrage, denn je länger diese semitische Passion andauert, umso
beharrlicher reagieren beide Seiten.
Wir wissen vom Wohnungsmarkt, wie sich Alteingesessene vertreiben oder
rauskaufen lassen, aber Vaterländer sind eine andere Kategorie. Im
Nahostkonflikt sind die Zionisten konstante Kriegspartei und Abraham Melzer ein
ruheloser Aktivist der internationalen Vereinigung Jewish Voice for Peace. Wir
wissen nicht, wie viele Juden und Israelis unter dem Davidstern inmitten
Ölbaumzweigen mobilisiert sind zu Lande und zur See, doch weil sie sich der
Gewaltanwendung verweigern, ist über sie in den internationalen Medien, primär
in der Printpresse kaum etwas zu erfahren, und deshalb sind Melzer und seine
Gleichgesinnten auf Blogs, Leserbriefe und Streitschriften angewiesen, was schon
mal Sympathien weckt und Unterstützung erwarten lässt, bis unsereins sich seiner
deutschen & christlichen Wurzeln »erinnert« und augenblicklich das Kainsmal der
Tätervolkszugehörigkeit im Taschenspiegel erkennt und statt nur der souveräne
Rezensent zu sein, wird man gewahr, dass der zionistische Hexenhammer außer
bewaffneten Gegnern keine Kritiker der Regierungspolitik (d.h. der zionistischen
Doktrin) gelten lässt, sondern sie als »krankhafte Selbsthasser« oder
»kreidefressende Antisemiten« auf die Schwarze Liste setzt. Natürlich haben der
Mossad und die speziellen Dienste des Innenministeriums (z.B. HASBARA) mehr zu
tun, als weltweit Judenhasser zu jagen und den guten Ton in
Mitteleuropa zu beaufsichtigen, doch darüber mehr by Melzer.
Das vorliegende Werk versammelt des Autors wichtigste Texte zum Thema; dass
seine Sache eines Lektors würdig gewesen wäre, ändert nichts an der
substantiellen Bedeutung des Buches, einer notwendigen, ärgererregenden,
schmerzhaften und zutiefst einsamen Publikation. Es versteht sich, dass die
derzeitigen Kämpfe in Syrien den Kampf um die künftige politische Macht im Nahen
Osten weltpolitisch dimensioniert haben; für die Bürger- & Menschenrechte der
Palästinenser, die ersten & zahlreichsten Opfer im Ringen ums Heilige Land,
finden sich neuerlich keine gerechten Nothelfer, nur Waffenhändler weltweit.
Shalom!?
Artikel
online seit 10.10.15
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Abraham Melzer
Israel vor Gericht
Essays eines antizionistischen Juden
Mit einem Vorwort von Moshe Zuckermann
Zambon Verlag
312 Seiten
ISBN: 978 3 88975 240 6 |