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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Religiöse Respektlosigkeit

Für ein Verbot der weiblichen Ganzkörperverschleierung

Von Wolfram Schütte

 

Mit der gewählten Existenz der AfD in einigen unserer Länderparlamente & den bekannten Grundzügen ihres islamfeindlichen Parteiprogramms sind einige Kollateralschäden in unseren politischen Alltag gekommen. So gehört es mittlerweile für unsereinen dazu, dass man sich nur mit schlechtem Gewissen noch getraut, Kritisches zum Islam, bzw. zu einigen Erscheinungen zu sagen, die sich auf diese Religion berufen. Als laizistischer »Linker« oder agnostischer »Liberaler« möchte man nicht von seinesgleichen an die Seite der AfD, der Konservativen oder der Reaktionäre & der selbsternannten »deutschen Patrioten« gestellt werden. Mit allen denen hat man ja nichts am Hut.

Gegen den »Beifall von der falschen Seite« weiß man sich leichthin zu wehren; gegen das Vorurteil der eigenen Genossen oder (Partei-)Freunde jedoch fällt es schwerer. Mancher kritisch Denkende wird womöglich eher weiterhin schweigen, um nicht querköpfig »aufzufallen« & sich sogleich in die Gesellschaft rechter Fanatiker verwiesen zu sehen.

Dabei hat sich dieser reflexhafte Zuschreibungs-Automatismus längst zu einer politischen Borniertheit ausgewachsen, mit der jegliche Äußerung, Ansicht oder Haltung, die abweicht vom lutherischen Merkelismus (»Hier stehe ich, es gibt keine Alternative zu mir«) als moralpolitische Todsünde inkriminiert wird, die unseren beispiellosen Humanismus an »Willkommenskultur« beschädige! Dieser angeblichen »Alternativlosigkeit« eines realpolitischen Laissez-faire verdanken wir jedoch u.a. das tumultuarische reaktionäre politische Getöse der sogenannten »Alternative für Deutschland« (AfD).

Die begründete Angst, in der »falschen Gesellschaft« verortet zu werden, ist das Gegenteil des Muts, den Kant von einem Aufklärer erwartet, wenn er verlangt, »sich des eigenen Verstandes zu bedienen«, indem man z.B. einen religiös begründeten Rückschritt in unserer säkularisierten demokratischen Gesellschaft kategorisch & justiziabel ablehnt!

Voltaire & Kant sehe ich aber an meiner Seite, wenn ich bekenne, dass ich ein gesetzliches Verbot der weiblichen Ganzkörperverschleierung (z.B. von Tschador bis Burka & Nikab) in der Öffentlichkeit des grundgesetzlichen Geltungsbereichs befürworte & für dringend notwendig & erforderlich halte. Für mich ist das genauso selbstverständlich wie das Gegenteil der Ganzkörperverschleierung öffentlich untersagt ist: sich nackt in der Öffentlichkeit zu bewegen. Das Faktum, dass es sich bislang nur um eine verschwindende Zahl von eventuellen Delikten handeln würde, ist dabei irrelevant. Nudisten auf dem Berliner Kurfürstendamm sind bekanntlicherweise noch seltener als Burkaträgerinnen auf der Frankfurter Zeil. Beides sind individuelle Partikular-Interessen, welche sich über den gesellschaftlich-juristisch fixierten kollektiven Umgang im öffentlichen Raum hinwegsetzen wollen.

Das avisierte Gesetz sichert kategorial den individuellen Respekt vor dem öffentlichen Raum, dessen Allgemeingültigkeit (gleiches Gesetz für alle) historisch erkämpft worden ist & weder für Besucher oder Gäste noch für Zuflüchtige in Deutschland außer Kraft gesetzt werden sollte/dürfte.

Selbstverständlich wird davon nicht tangiert eine (wie ich finde: prekäre) religiöse Anschauung unter manchen muslimischen Gruppierungen, wonach Frauen in der Öffentlichkeit ihr Kopfhaar mit einem Schleier bedecken sollten. Ebenso selbstverständlich gilt das Recht von »Naturalisten«, in ihren Licht- & Luftbädern oder anderen »Freikörperbereichen nach eigenem Gusto sich nackt aufzuhalten.

Wiewohl ich zu diesem & jenem meine eigene Anschauung oder Haltung habe, spielen sie hierbei jedoch keine Rolle & werden von mir bewusst nicht argumentativ ins Feld geführt. Ein solches deutsches »Burka«-Verbot (wie es in Frankreich gilt) wäre aber auch weder illiberal noch intolerant, also keine substantielle oder generelle Abkehr vom derzeitigen freiheitlichen Status quo. Im Gegenteil: es wäre eine entschieden-entscheidende, weil juristisch fixierte gesetzgeberische Maßnahme, um dem intoleranten pauschalen AfD-Begehren nach einem generellen Verschleierungsverbot den illiberalen Wind aus den Segeln zu nehmen.

Die politische Idiotie des Augenblicks hat jedoch dazu geführt, dass als einzige politische Gruppierung in Deutschland die AfD für ein solches »Burka-Verbot« öffentlich eintritt. Das ist der fatale »Kollateralschaden«, den ich  meine.

Näher bedacht handelt es sich dabei um eine kopflose politische Selbstfesselung der etablierten Parteien & Gruppierungen, weil man sich vom verachteten politischen Gegner pauschal die eigenen differenzierenden politischen Optionen vorschreiben, bzw. wegnehmen lässt. Das ist eine kontraproduktive Dialektik der fortgesetzten Selbstlähmung, die den vermeintlich damit »disqualifizierten« Gegner so lange aus- & auffüttert, bis er als vielfältige »Alternative« für verschiedene Arten von Wählern attraktiv & im Laufe der Zeit groß genug geworden ist & die Etablierten ihre langgehegten Tabus am Ende selbst brechen. Wir kennen das politische Phänomen aus der Genealogie der deutschen Grünen.

Bislang deutet alles darauf hin, als werde es sich – angesichts anderer, neuer gesellschaftlichen Herausforderungen – mit der AfD wiederholen.


Artikel online seit 14.06.16
 


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