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»Sätze, die in sich haben einen ganzen Roman.« Jürgen Beckers ergreifende Sätze und Gedichte »Nachspielzeit«
Von Lothar Struck |
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Wenn jemand wie der 92jährige Jürgen Becker einen neuen Gedichtband mit dem Titel Nachspielzeit vorlegt, werde ich neugierig. Man schlägt die "Gedichte und Sätze" auf und ist binnen weniger Minuten ein- und abgetaucht in diesen von jeden Ordnungen ungestörten Strom aus Schauen, Suchen, Erinnern, ein Kaleidoskop aus Assoziationen, Flashbacks und Déjà-vus von der Kindheit mit ihren einschneidenden Kriegserlebnissen bis hinein in die Gegenwart.
"Mit jedem Tag wächst eine Entfernung, kommt etwas näher, Bisweilen entladen sich die Erinnerungen eruptiv:
"der Schulweg die Kampfbahn Kaserne Kastanien Um dann wieder im Jetzt anzukommen:
"seit Tagen und Tagen undicht der Wasserhahn
Der Alltag will gemeistert werden; es ist beschwerlich, aber da sind eben auch
die kleinen Erfolge Immer die Gabe, ja: die Selbstverpflichtung zum genauen Schauen
"Daß man sie nicht übersieht, die Einzelheiten,
Wie etwa:
Oder:
Aber es gibt sie auch, diese Nachspielzeit ist zudem ein Trauerbuch um die verstorbene Frau, die Malerin und Illustratorin Rango Bohne, eine poetisch kondensierte Trauer, die mehr als ein halbes Jahrhundert Zusammenleben bündelt.
"Hier sind die zwei Hälften des Apfels.
Oder: Es gibt sie, jene "Sätze, die in sich haben einen ganzen Roman" und man könnte es als Motto für dieses Buch verwenden. Er liest Traueranzeigen, aus denen hervorgeht, dass
"[…] je älter Genügsame Einsamkeit, die durch Telefonanrufe fast immer gestört wird. Reisen nur noch selten, unlustig zum Smalltalk, diesem "Hin und Her von Bisbald, Mansiehtsich, Vielleicht und Niewieder". Lieber "Später erzählen, was früher war." Besser noch, so der Leser, jetzt erzählen, denn
"Ruhe ist nicht So endet dieses Buch, aus dem man immer weiter zitieren möchte, das sich einen Alltag vornimmt, ohne in Alltagsbanalität zu versinken, das Erinnerungen evoziert, ohne zu verklären, das berührt und ergreift, ohne den Leser mit falscher Sentimentalität oder Selbstmitleid zu ködern.
Wahrlich, das Werk eines Dichters. |
Jürgen Becker |
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