China
und wir
Besuchsgedanken von Peter Trawny
Text lesen
»Die
Zivilgesellschaft ist schwer zu durchschauen. Viele sind in der
Partei, doch das wissen nur die Parteimitglieder selbst.
Andererseits gibt es auch Fassaden, die eine größere Offenheit
suggerieren. Dass man Vorteile durch die Parteimitgliedschaft hat,
wird bezweifelt. Im Gegenteil meint man, sich zu opfern. Die
kapitalistische Realität wird durch den Eindruck der kommunistischen
Vergangenheit konterkariert, durch den Eindruck, alle zögen an
einem welt- und lebensanschaulich (die Partei spricht wörtlich
davon) geknüpften Strang.«
»Ein
Echo aus Bildern und Erinnerungen und Wiedererlebtem«
Clemens Meyer setzt mit seinem monumentalen Roman
»Die
Projektoren«
literarische Maßstäbe.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Meyers
Buch ist bei aller ostentativen Expressivität und Wildheit präzise gebaut; wie
auch die Bilder von Grosz, die niemals im Überschwang entstanden sind. Nichts
ist hier dem Zufall überlassen. Der magische Realismus lebt, aber es ist eine
andere Magie, die Magie einer einsichtsvollen Trostlosigkeit.«
Zorn,
Trotz & Melancholie
Ein paar Abschiedsworte zum Tod von Kiev Stingl,
der uns ein launiges Poesiealbum hinterlassen hat. Von Herbert Debes
Text lesen
»Er war ein
manchmal schillernder, oft düster glimmender Solitär im deutschen
Kulturbetrieb, und zu seinen besten Zeiten hatte er Flacker in der
Pfote.«
Bildung:
Garant der Demokratie!
Tim Engartners Plädoyer für eine
Renaissance
der Bildung. Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Die
jüngsten Wahlergebnisse und politischen Entwicklungen sollten uns eigentlich
alle wach rütteln. Doch stattdessen wird ein Vermögensverwalter zum
Kanzlerkandidaten gekürt, der mit seiner Idee von Politik für all die gerade
beschriebenen Frevel der Bildungspolitik steht – mit welcher Hoffnung
eigentlich?«
Von
den Affekten
In seiner Studie »Die
kalte Wut«
untersucht Jürgen Große die
Theorie und Praxis des Ressentiments
Von Lars Hartmann
Text lesen
»Die
Einheit heutigen Ressentimentempfindens besteht darin, daß man im Gegenüber
genau das erblickt und erkannt, was man in sich selbst nicht zu fühlen und zu
leiden wagt.«
Die Zeit, als sich noch alles um Literatur drehte
Zum
100. Geburtstag von
Siegfried Unseld, dessen verlegerisches Lebenswerk die deutsche Literatur- &
Geistesgeschichte über 40 Jahre prägte. Von Lothar Struck
Text lesen
»Uns interessiert nicht nur das einzelne Manuskript, sondern der Autor selber,
seine geistige und politische Physiognomie.«
Siegfried
Unseld an Siegfried Kracauer, 3. Dezember 1962
Der
Rätselhafte
Rüdiger Görners Bruckner-Buch
Von Wolfram Schütte
Text lesen
»Obwohl Görner zahlreiche
'unvorteilhafte' Anekdoten & Ondits über den einsamen, immer subalternen
Provinzler in der zu weiten Kleidung zitiert, liegt ihm daran, dass sein Held,
der seinen Arbeitsethos in den Dienst seines musikalisches Genies stellte &
dieses als verpflichtendes 'Gottesgeschenk' betrachtete, als ein sympathischer
Eigenbrötler erscheint.«
Epitaphe
kritischer Theorie
Zu Jörg Späters Erzählung
»Adornos
Erben«
Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Es
geht auch bei Später um aufgelöste Ehen, eifersüchtige Ehemänner und
verstorbene Kinder – noch mehr aber um Grabreden. Es entsteht dabei
eine Sittengeschichte der Frankfurter Theorie nach 1949.«
Wider
die Empörung
Tim Henning fragt nach der Vereinbarkeit von zwei scheinbar konträren
Gegenstandsbereichen: Der Freiheit und Autonomie der Wissenschaft und der
Legitimation moralischer Kritik.
Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
Sein
Fazit: »Die Wissenschaftsfreiheit … schützt nicht jedwede Meinung, nur weil sie
irgendjemand hat. Vielmehr beruht sie auf der Überzeugung, dass die Äußerungen
einiger Menschen von besonderem Interesse sind, weil sie in einer Weise
qualifiziert sind, die diesen Äußerungen einen besonders hohen epistemischen
Wert verleiht.«
Gute
Bücher ohne Verfallsdatum:
Wie Verzweiflung die
Revolte gebiert
Von
Gregor Keuschnig
Text lesen
Ludwig Fels' großartiger Roman »Die Hottentottenwerft« erinnert an
Georg Büchners Credo, zu
versuchen,
gegen
die Widerwärtigkeiten
der Herrschenden,
ein guter Mensch zu sein.
»Es sind Figuren, die unrettbar in ihren Kausalitäten verstrickt sind. Mohr ist
am Ende die einzig moralisch integre Person. Zuweilen erinnert er an Büchners
Woyzeck – beides Schlaflose, beide gefangen in einer hoffnungslosen Liebe und
beide Spielfiguren im Weltenlauf.«
Eine
Menschheitsgeschichte
Über Abdulrazak Gurnahs Roman
»Nachleben«.
Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Klappt man das Buch zu,
ist man nicht nur völlig durchschienen von der afrikanischen Sonne, sondern wie
in einer Schneekugel schießt das eigene Leben in Europa mit dem der
Protagonisten in Afrika zusammen.«
»Sätze,
die in sich haben einen ganzen Roman.«
Jürgen Beckers Sätze und Gedichte
»Nachspielzeit«
Von Lothar Struck
Text lesen
»...
dieses Buch, (...) das Erinnerungen evoziert, ohne zu verklären, das berührt und
ergreift, ohne den Leser mit falscher Sentimentalität oder Selbstmitleid zu
ködern.«
Gestörtes
Ost-West-Verhältnis
In »Ungleich
vereint«
erklärt
Steffen Mau uns,
warum
der Osten anders bleibt.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Mau
möchte 'küchenpsychologische Erklärungen vermeiden' und stellt klar: 'Wer in der
Ost-West-Debatte mit Schuldbegriffen operiert, ist schon auf dem Holzweg.'«
Gefangene
ihres Schicksals
In Abdulrazak Gurnahs Roman
»Das
versteinerte Herz«
geht es um Verrat, Migration und die Suche nach dem Platz
im Leben.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Früh
wird klar, dass hier nicht nur die Geschichte einer Familie erzählt wird,
sondern Gurnah wie so häufig die politischen und historischen Ereignisse des vom
Kolonialismus freien Sansibar und Tansania und ihre Auswirkungen auf die
Menschen gespiegelt werden.«
Blut
im Schuh und Fell über die Ohren
Über Peter Kerns rabenschwarze deutsche Weltchronik
im einzelnen Fall
»Dorfansicht
mit Nazis«.
Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Kern
ist meisterlich darin, die große Geschichte und ihre Verhältnisse auf die
familiären und persönlichen Beziehungen herunterzubrechen. Der Roman und die
Chronik greifen auf diese Weise nach dem Leser und packen ihn dort am
Schlafittchen, wo er es – im Lehnsessel zurückgelehnt – am wenigsten erwartet...«
In
die Falle gelockt
In seinen frühen Vorlesungen »Der
Diskurs der Philosophie« unternimmt
Michel Foucault eine
Standortbestimmung der Philosophie.
Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»In
seinem eigenen Diskurs über die Rolle der Philosophie finden sich
bereits zahlreiche Denkanstöße, die Foucault im Verlauf seiner
weiteren Entwicklung und in den Schriften über den Wahnsinn, den
ärztlichen Blick, die Gefängnisse, über Wissen und Wahrheit,
Sexualität und die Ordnung der Dinge weiterspinnt, ausbuchstabiert
und mit immer neuen und überraschenden Diagnosen unterfüttert.«
Dichtungen
& Wahrheiten,
Kopfgeburten
& andere Gedankenspielereien
Saša Stanišić spielt mit den Möglichkeiten seines erzählerischen Musterkoffers.
Von Wolfram Schütte
Text lesen
»Immer suggerieren die
unterschiedlichen Erzählungen genaue historische & lokale Bodenhaftung – so sehr
sie sich (wie das ganze Buch auch) zu grotesken & jokosen, assoziativ
aufblühenden erzählerischen Luftnummern entwickeln.«
Liberale
Demokratie in der
Krise
Philip Manows Versuch einer Zustandsbeschreibung
»Unter
Beobachtung«.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Mit
dem Populismus ist der Liberalismus aber nicht mit seinem Gegner, sondern mit
seinem Gespenst, mit dem Geist der von ihm erstickten Politik konfrontiert, dem
er doch einen so schönen, guten, so gerechten Tod bereitet hat.«
Unser
Klassiker-Tipp:
Abend,
mehrfach
Virginia Woolfs Gesellschaftsroman »Mrs. Dalloway«
neu übersetzt.
Von Wolfram Schütte
Text lesen
»...
ein vielstimmiges, fluides Panorama der imperialen Metropole: räumlich – indem
sie Mrs.Dalloway zu Einkäufen quer durch die City & deren bekannteste Orte
schickt; & zeitlich, indem Big Ben das Fortschreiten des Tages markiert. Tod,
Alter, Sterblichkeit wetterleuchten hinter dem Geschehen, dessen Fluten zwischen
Gegenwart & Vergangenheit, Reflexion & Erinnerung ständig wechselt.«
Leseprobe
»Geschichtenerfinden
ist Gift«
Florian L. Arnolds Roman »Das
flüchtige Licht«
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Ein kraftvolles, wunderbar
phantastisch-melancholisches Romangebilde. Die Hauptfiguren sind
Sehnsuchtssucher; Getriebene und Betrogene zugleich, die von und mit ihren
ephemeren Glücksmomenten, die großartig erzählt werden, weiterleben.«
Science-Fiction
als Erkenntnisquelle?
Alexander Schnell über
»Realität
im Spiegel der Zeit«.
Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Anhand
der netflix-Serie
»Black
Mirror«,
die sich den
gesellschaftlichen und persönlichen Umwälzungen der digitalen
Zukunft widmet, arbeitet
Schnell heraus, wie verschiedenste philosophische Thesen in
Geschichte und Gegenwart aufgegriffen und in Szene gesetzt werden.«
Trauer
und Wehmut
Diese drei Erzählungen aus dem Nachlaß der im Januar verstorbenen Helena Adler
sind eine Liebeserklärung an das Leben.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Die Aufgabe des Lesers ist, diese Erzählung so lange wie möglich für sich
stehen zu lassen, jegliche Ablenkung nicht zuzulassen, einzutauchen in diese
Mischung aus Spiel und Kampf vom Leben und Sterben. Der literarische
Referenzrahmen, er sich auffächert, ist enorm.«
Hauptkampfplätze
der Völkerkunde
Karl-Heinz Kohl über das Erbe der Indigenen und die Wurzeln der Moderne. Von
Wolfgang Bock
Text lesen
»Die
sogenannten primitiven Kulturen leben nicht in der Steinzeit, sondern ebenfalls
in der Moderne und sie profitieren auf ihre Weise von dem Kontakt mit den
Kolonisatoren.«
Das
Dummbartz-Syndrom
Ingo Elbes kritische Studie zu
Antisemitismus und postkolonialer Theorie und den »progressiven« Angriff auf
Israel, Judentum und Holocausterinnerung.
Von Peter Kern
Text lesen
»Die postkolonialen
Theoretiker analysieren scheinbar sehr radikal, aber was dabei herauskommt
gefällt den Rechten und den Konservativen, denn es ist der Ausweis der
Normalität der deutschen Geschichte.«
Drei
Tage im Februar
In
seinem Roman
»Von
Guten Eltern«
erzählt Richard Russo vom alltäglichen Leben in der amerikanischen
Provinz. Von Sigrid Lüdke-Haertel
Text lesen
Die einstige Vorgabe »vom Tellerwäscher zum Millionär« lautet bei
Russos Leuten: »abwarten, durchwurschteln!«
Denn: die Hoffnung stirbt zuletzt.
»Ein
Teil von etwas viel Größerem«
Javier Cáceres
geniale
Bild- und Textsammlung »Tore wie gemalt«. Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Der Weg zu einem Tor ist eine Form der Erkenntnis;
eine Art, uns selbst und die anderen anzuschauen.«
(Osvaldo Soriano)
Geschichte
als Vision
Zur Wiederentdeckung des Menschen im geschichtsphilosophischen Werk
von Walter Benjamin.
Ein Essay von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Es
geht ihm um die Rettung dessen, was anders für immer verloren wäre;
um eine Kritik an der permanenten Katastrophe, an der Verstümmelung
und Deprivation des Lebens. Diese Bergung des Vergessenen kann nur
gelingen, wenn der Kritiker das gleichgültig dahinfließende
Kontinuum der Zeit aufsprengt und in Bildern und Fragmenten
aufscheinende Wahrheiten gegen eine falsche Totalität verteidigt.«
Der
Weg ist das Ziel
Stefan Geyers
lesenswerte Schilderungen seiner Spaziergänge durch Frankfurt am
Main
»Der
Stadtwanderer«.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Man
stutzt zunächst, aber das Bekenntnis, er sei "zu arm, um billige
Schuhe zu kaufen", überzeugt. Und ja, Frankfurt könnte überall sein.«
Eine
schöne, traurige Geschichte
Wie sich Jan
Koneffke das Leben von Joseph Roth vorgestellt hat. Von Sigrid Lüdke-Haertel
Text lesen
»Der neue Roman von Jan
Koneffke erzählt eine Episode aus dem Leben von Joseph Roth, die es tatsächlich
gegeben haben könnte. Aber nicht gegeben hat.«
Bequeme
Rollenprosa ohne Tiefe
Für ihren
bei uns 2021 bereits
erschienenen Roman »Kairos«
wurde
Jenny Erpenbeck nun
mit dem
International Booker-Prize ausgezeichnet.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Gilt
also abermals, dass die Prophetin nichts im eigenen Land gilt? Und ist es ein
deutsches Spezifikum, dass eine Autorin, die international Erfolge vorweisen
kann, nicht gefeiert, sondern mit selbstgefälliger Arroganz, in der auch eine
gewisse Portion Neid mitschwingen dürfte, bedacht wird?«
Zur
gütigen Auslöschung
Nichts für vegane Leser: die 2. Ausgabe der Literaturzeitschrift
»Delfi«
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»'Fleisch
ist … die Leitmetapher für den wogenden, tätigen, sorgenden Leib der Beruhigung,
wir drücken uns an Brüste und legen den Kopf auf Schößen ab.' Wie progressiv
Kitsch formuliert sein kann.«
Mehr
Licht!
Melanie Möllers lesenswerte Streitschrift
»Der*
ent_mündigte Lese:r«
Von Lothar Struck
Text lesen
»...
ein Leuchtturm inmitten eines akademisch bestallten Friedhofs, auf dem die
geächtete Weltliteratur nur noch mit funzeligen Grablichtern beleuchtet werden
soll. Mehr Licht!«
Bibliothek
der verlorenen Bücher
Alexander Pechmanns aufschlußreiche Nachforschungen über verlorengegangene und
nie geschriebene Texte der Literaturgeschichte.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Legendär
die Vernichtungswellen der Erben, wie etwa bei Lord Byron, aber auch Lawrence
Sterne. Beide Male befürchtete man, dass eine Veröffentlichung Skandale
hervorrufen würde.«
Gute
Geschichte
Wie uns der englische Historiker Dan Jones auf eine spannende
Bildungszeitreise ins Mittelalter entführt. Von Herbert Debes
Text lesen
»Mit
seinen quellenreichen wie schwungvollen Erzählungen durch die
Jahrhunderte entstaubt Jones durch seine mitreißende Erzählweise die
Geschichtsbuchschreibung.«
Neues
und Altes aus der Gegenwart
Rainald Goetz beendet seine
»Schlucht«-Reihe
mit der Textsammlung
»wrong«
und hebt an zur letzten Show.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Goetz
verehrt die Schnittmenge zwischen Journalismus und Literatur: das Feuilleton.
Ausführlich wird die Frage erörtert, nach welchen Kriterien die kostbaren Texte
sortiert werden sollen. Es geht darum, 'der inneren Ordnung der Rezeptivität mit
viel Mühe auch eine äußere Ordnung der Ordner zur Seite zu stellen.'«
Et
resurrexit
Salman Rushdie schreibt sich ein Requiem & triumphiert literarisch über seinen
Attentäter.
Von Wolfram Schütte
Text lesen
»Man kann nicht
einfach nur rumliegen und sich davon erholen, dass man fast gestorben wäre. Man
muss das Leben finden«.
Aktivismus
und Reaktanz
Über drei Analysen zur Zeit.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Ein
neues Gespenst geht um. Man mag es "Identitätspolitik" (Bernd Stegemann), "Wokeness"
(Esther Bockwyt) oder "Moralspektakel" (Philipp Hübl) nennen. Im Kern ist es
eine aus den USA herüberschwappende, sich epidemisch ausbreitende
Geisteshaltung, die, zu Ende gedacht, an die Grundfesten pluralistischer
Gesellschaften rüttelt.«
Die
Lügen hinter sich lassen
Über Deborah Feldmans Buch
»Judenfetisch«
Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Feldman
macht aus der Not ihrer Außenseiterposition im Leben die Tugend
einer literarischen Waffe. Sie spricht aus, was sonst kaum jemand
sich zu sagen getraut.
(...) 'Ich redete von Geburtenraten, weil die Säkularen es nicht
einmal schaffen, sich in einer Generation zu ersetzen, während die
Ultra-Orthodoxen sich alle zwanzig Jahre mindestens verzehnfachen.'
Das betreffe auch die säkularen Juden: 'Niemand ist eine größere
Hilfe der Fundamentalisten als der aufgeklärte, emanzipierte,
gebildete Westler, der ihnen den roten Teppich auslegt, um aus
lauter Romantik seine zukünftigen Unterdrücker zu bejubeln.'«
»Spielformen
der Erzählkunst«
Christoph Ransmayrs Erzählungen
»Als
ich noch unsterblich war«.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Wer
weiß, am Ende ist die Geschichte über das Schabrackentapir nur eine weitere,
listige Allegorie des Autors. Und in Wirklichkeit handelt sich um einen Ableger
des Goldenen Kalbs.«
Bücher
ohne Verfallsdatum:
Eine neue Geschichte des Existenzialismus
Sarah
Bakewells mitreißende Kollektivbiographie »Das Café der Existenzialisten«.
Von Klaus Bittermann
Text lesen
»Sarah Bakewells Geschichte über den Existenzialismus ist eines der
sehr seltenen Bücher, die niemals enden sollten, weil die Autorin
nicht einen Aspekt abarbeitet, sondern verschwenderisch und auf
hinreißende Weise das Wissen der Welt ausbreitet.«
Das
zweite Tübinger Trio
Gerd Ueding erinnert an Ernst Bloch, Walter Jens & Hans Mayer. Von Wolfram
Schütte
Text lesen
»Gert Ueding hat den
gesprächshaften Austausch der virulenten Themen & Idiosynkrasien der drei Herren
& der sanft deren mannigfachen geistigen Ausschweifungen animierenden &
lenkenden Gastgeberin ebenso liebevoll wie ironisch, so kundig wie kritisch
ausgemalt,...«
Raffiniertes
Spiel
mit Gegensätzen
Mathias Enards neuer Roman
»Tanz
des Verrats«
balanciert virtuos zwischen Kriegsgräuel und mathematischer Schönheit.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Man
wird die Bilder, die von Ferne an Szenen aus Filmen des großen Theo Angelopoulos
erinnern, so schnell nicht mehr los.«
Versuch
der Entwirrung
Wolfgang Kraushaars Handbuch über den scheinbar unlösbaren Konflikt. »Israel:
Hamas - Gaza - Palästina« Von Wolfgang Bock
Text lesen
Er plädiert für eine
Unterstützung der demokratischen Kräften in Israel und spricht sich gegen eine
blinde Identifikation der deutschen Seite mit diesem Staat ebenso wie gegen eine
doktrinäre Nichteinmischung aus.
Karl
Kraus: (28. April 1874 - 12.Juni 1936)
»Ich war selten verliebt, immer verhaßt.«
Von Herbert Debes
Text lesen
Sein kulturpessimistisches und
medienkritisches Werk
wird aktuell
bleiben,
solange die tatsächliche Dimension des Geschehens
in den
Floskeln der Ereignissprachen der Medienmacher
verschwindet.
Die
Irrfahrten des
Konrad Widuch
Szczepan Twardochs überbordender Roman
»Kälte«
ist eine
groß angelegte allegorische Erzählung auf den Terror als Instrument der
Herrschaft im Allgemeinen und Russland im Besonderen?
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Das
Personalschachbrett wird mit Dauer der Reise immer lichter, es häufen sich die
Opfer und Menschenopfer und am Ende bleiben nur noch eine Handvoll.«
Hund
weg. Frauen auch. Was nun?
Bodo Kirchhoffs neuer Roman »Seit er sein Leben mit einem Hund teilt« Von Sigrid
Lüdke-Härtel
Text lesen
»... etwas dringt durch,
das sich nicht wie ein roter Faden, eher wie ein breites Band durch Kirchhoffs
Werk zieht: Liebe, also Eros, aber zugleich die Sehnsucht nach Liebe. Sozusagen
die christliche Botschaft nach dem Ende des Christentums.«
»Die
Gegenwart durchlöchern«
Helmut Böttigers 15 Aufsätze zur neueren deutschen Literatur.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Die
Ambivalenzen der Aufsatzsammlung liegen im Anspruch des Autors. Weniger
Autorenportraits wären mehr gewesen. In der stupenden Rede zur Literaturkritik
greift Böttiger zielgerichtet die Empfehlungsprosa des Kulturjournalismus an und
trifft damit ins Schwarze.«
Fortgesetzte
Demütigung des Menschen
Ali Asgari & Alireza Khatami haben ein iranisches Meisterwerk vorgelegt:
»Irdische
Verse«.
Von Wolfram Schütte
Text lesen
Die poetische
Stringenz ihrer episodischen Versuchs-anordnung zur Kenntlichmachung der
innersten Verfassung der »Islamischen Republik Iran«, übertrifft Brechts
thematisch verwandte Szenenfolge »Furcht und Elend des Dritten Reichs«. Der
tollkühne Film der beiden Iraner ist »Episches Theater« in Reinform.
Wölfe
statt Pferde
Über Moshe Zimmermans
Unorthodoxe
Sichtweisen auf Israel und den Gazakrieg.
»Niemals
Frieden? Israel am Scheideweg«.
Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Der wichtigste Verdienst
von Zimmermanns schmalem, aber gehaltvollem Büchlein, dass ganze Bibliotheken
ersetzt, liegt im Aufbrechen der bekannten Vorurteile in Deutschland. Der
Historiker macht deutlich, wie fatal das Hintergrundrauschen der religiösen
Mächte in diesem Zusammenhang wirkt.«
Dramatiker
& Revolutionär
Ernst
Piper erinnert an »Eine Jugend in Deutschland« von
Ernst Toller.
Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Im
Ersten Weltkrieg meldete er sich als Freiwilliger an die Front. Nach einem
Nervenzusammenbruch aus der Armee entlassen, war er nach dem Krieg einer der
Protagonisten der Münchner Räterepublik. Sein politisches Engagement im Kampf
für eine gerechte Gesellschaft durchzieht wie ein roter Faden auch sein
literarisches Werk.«
Von
Köpfen in anderer Leute Denken
Über Hannah Arendts angebliche Lektionen
in Liebe und Ungehorsam. Von Wolfgang Bock
Text lesen
»'Ist
aber nicht genau das der Punkt all dessen?',
könnte sie nun fragen, ihr
Kinn in die Hand gestützt, die zugleich ihre Zigarette hält, während
sie da auf ihrem Platz in jener Bar in der Unterwelt hockt, wo sich
in der Abenddämmerung die verlorenen Engel des vergangenen
Jahrhunderts versammeln. Dass wir sogar für uns selbst unerkennbar
sind, vielleicht gerade für uns selbst, und trotzdem zu kollektiven
Wundern fähig? Ist es nicht das, wofür man heutzutage wieder kämpfen
muss?«
»Das
Totenschiff«
wiedergelesen
B. Travens Allegorie auf den Weltenlauf ist Weltliteratur von
erschütternder Aktualität.
on Gregor Keuschnig
Text lesen
»Als
er nach einem Landgang in Antwerpen zurückkommt, ist sein Schiff
ohne ihn abgefahren. Unglücklicherweise blieben Seemannskarte und
Pass an Bord. Von nun an ist er ein Niemand.«
RWF
als Wünschelrute & Wundertüte
Ian Penmans Auskristallisation der
»Fassbinder«-Zeit.
Von Wolfram Schütte
Text lesen
»...ein
phantastisch aufwühlender, weit in Zeit-& Kulturgeschichte der Siebziger- &
Achtziger Jahre ausgreifender, das Swinging London auf dem Weg zum
anarchistischen Punk höchst intim beschreibender Innerer Monolog des mit
allen Wassern gewaschenen Erzählers, dem man in nostalgischem Rausch des
assoziativen Wiedererinnerns folgt – als wäre man unmittelbar Zeuge, wie er hier
sein außergewöhnliches Buch zu einem bunten Fleckerlteppich verwebt, den der
vielfach ausgezeichnete Robin Detje übersetzt hat.
«
Qualifizierte
Gespenster
Über Jon Fosses
Roman »Das ist Alise«
Von Wolfgang
Bock
Text lesen
»Es ist die gleiche Verwunderung über die Welt wie in den Büchern von Jorge Luis
Borges, bei denen man auch nicht weiß, ob seine Fiktion nicht realer ist als die
Realität. Bei Fosse fragen sich die Figuren beständig: Kann es wirklich sein,
was mir jetzt passiert?«
Wie
abgedunkelte Räume im Sommer
Katharina
Pektor legt einen fast bibliophilen Band zu den Übersetzungen Peter Handkes von
René Char vor. Von Lothar Struck
Text lesen
»Fast spielerisch wird die
zunächst hermetisch und »orakelhaft« scheinende Lyrik von René Char plötzlich
offener.«
»Zwischen
zwei Woanders
In ihrem neuen Roman »Bannmeilen«
schreibt
Anne Weber über
Ihre Exkursionen durch den Pariser Banlieue-Bezirk Seine-Saint-Denis.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Unabdingbar ist eine
gewisse Unvoreingenommenheit, um die kulturellen Verschiedenheiten nicht a
priori unter einer ethnologischen Brille zu betrachten, in der die eigenen
Erfahrungen und Lebensumstände nicht voreilig als alleiniges Richtmaß angesetzt
(oder verworfen) werden. Über die Banlieus von Paris schwebt unwillkürlich die
koloniale Vergangenheit Frankreichs.«
Ein
wilder Ritt
Julia Jost erzählt uns »Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den
Himmel hinauf fletscht«.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Vielleicht
ist der Roman eine Spur zu süffig geschrieben, aber immer wieder
blitzen szenenweise großartige, poetische Momente auf.«
»Es ist, wie es ist.
Und es ist fürchterlich«
Jonathan
Glazers Film »Zone of Interest«
Von
Wolfram Schütte
Text lesen
»In der Bestürzung über diese »ganz normalen« Menschen am Rande des
»Zivilisationsbruchs« Mitte des letzten Jahrhunderts schwingt unausgesprochen,
wenn nicht gar unbewusst, die Ahnung mit, dass wir womöglich dabei auch mit
unser aller anthropologischer Entwicklung konfrontiert werden.«
Die
Überwältigung des Erzählers
Jon Fosses Erzählung
»Ein
Leuchten«
und
Christian
Lehnerts fliegenden Blättern zur Apokalypse des Johannes
»Das Haus und das Lamm«.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Beide
Erzähler sind 'durchlässig' – nehmen eine Doppelposition als Erzähler wie auch
Teilnehmer ein. Sie schreiben einen Schwellentext und bedienen sich dabei
bekannter Begriffe und Mythen.«
Pot
au Feu
Tran Anh Hungs Liebeserklärung an die
französische Hohe Kunst des Kochens & Liebens.
Von Wolfram Schütte
Text lesen
»Es gibt Filme (wie auch
andere Kunstwerke), die einen so glücklich gemacht hatten, dass man
wünschte, möglichst viele andere teilten das genossene Vergnügen mit
einem. So einer ist 'Geliebte Köchin'.«
Dazwischen
hat man gelebt
Jon Fosses schmaler großer Roman »Morgen und Abend« erzählt vom Werden und
Vergehen.
Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Bei Fosse gibt es Fels
und Wasser und Luft. Leben und Tod sind hier nur leicht gegeneinander
verschoben. Im Leben gibt es schon den Tod im Nebel, in den grauen Inseln, im
Saltstraumen und auch der Tod bei Fosse ähnelt noch dem Leben.«
Minimale
Anerkennung für Adorno
Über Peter E. Gordons
»Prekäres
Glück. Adorno und die Quellen der Normativität.«
Frankfurter Adorno Vorlesungen 2019. Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Gordon
gelingt etwas, woran fast alle anderen Versuche bislang gescheitert
sind: ein kohärentes Bild der Vorstellung von Moral zu erzeugen, die
Adorno immer nur fragmentarisch und skizzenhaft in seinem Werk
entwickelt hat.«
Ausgeweidet
Daniel Kehlmanns
anmaßendes Bio-Doku-Drama
»Lichtspiel«
über das Leben des
G.W. Pabst.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Seine
Pabst-Erzählung lässt Wichtiges aus und dichtet Anderes hinzu. Kehlmann
verwandelt nicht, er erfindet. Er weidet ein Leben aus, um eine Person zu
erschaffen, die er G.W. Pabst nennt, die aber mit der einst real existierenden
Persönlichkeit wenig gemein hat.«
Marseille,
Nadelöhr zur Freiheit
Uwe Wittstocks
dokumentargesättigte Faktensammlung
»Marseille
1940«.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Marseille
hatte in drei Monaten rund 500.000 Flüchtlinge aufgenommen. Die Lage in der
Stadt war katastrophal. Schnell wurde deutlich: Mit der bloßen Administration
wird man den Flüchtlingen nicht gerecht werden. Der Andrang auf das behelfsmäßig
eingerichtete ERC-Büro ist enorm. Fry braucht Mitarbeiter. Es kommt auf seine
Menschenkenntnis an; Spitzel kann er nicht gebrauchen.«
»Alles
oxidiert.«
Alexander Pschera ist tief in
Victor Hugos
»Ozean«
aus Notizbüchern, Skizzenheften und Manuskripten
eingetaucht. Von Jürgen
Nielsen-Sikora
Text lesen
»Mit
scharfem Blick hat Hugo sein Jahrhundert observiert und über sechs Jahrzehnte
'Dinge, die ich gesehen habe', in Notizen, Tagebuchaufzeichnungen, Abhandlungen,
Aphorismen, festgehalten (...)
Wie viel Arbeit
Alexander Pschera in diesen wundervollen Band gesteckt hat, lässt sich kaum
ermessen.«
Soziologische
Phantasie
Zum Tode des Soziologen & Philosophen Oskar Negt.
Von Peter Kern
Text lesen
»Wäre
das Handeln der Individuen nur von Rationalität bestimmt, bräuchte es die von
Negt herausgestellten psychologischen Kategorien nicht. Die Prozesse der
Selbstaufklärung anstoßende Pädagogik kann solche Kategorien nicht entbehren,
gehört es doch zur Erfahrung des 20. Jahrhunderts, dass Individuen keineswegs
bloß ihren rationalen Interessen folgen. Den an der Humanisierung der
Gesellschaft arbeitenden Kräften hat diese Einsicht die faschistische Erfahrung
aufgeherrscht.«
»Mit diesem Buch
will ich die Welt erklären...«
In seinem imposanten Panorama
welthistorischer Herrschaftsdiskurse
analysiert Ulrich Menzel
»Die
Ordnung der Welt«. Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Das Ergebnis ist zweifellos beeindruckend. Nicht
nur, weil die einzelnen Kapitel, die auf so unterschiedliche Mächte und Zeiten
rekurrieren, aus einem Guss geschrieben sind; nicht nur, weil dieses Buch trotz
des zunächst abschreckenden Umfangs und seines wissenschaftlichen Anspruchs
wunderbar leicht zu lesen ist; und nicht nur, weil man viel über die
internationalen Verflechtungen in Handel, Gesellschaft und Militär in Erfahrung
bringt, sondern vor allem, weil Menzel seine Leser stets mitnimmt auf dieser
höchst
spannenden und
unterhaltsamen Reise durch die Weltgeschichte.«
Wiederentdeckt
Magischer Expressionismus. Peter Flamms mitreißender Roman
»Ich?« aus
dem Jahre 1926. Von Lothar Struck
Text lesen
»Glauben
Sie niemandem, der mit diesem Buch irgendwelche Analogien erstellt. Bilden Sie
sich Ihr eigenes Urteil. "Müssen wir immer mit Wertungen leben?" fragt Mosse.
Ich fürchte ja; auch und vor allem, was dieses Buch angeht. Lesen Sie dieses
großartige Meisterwerk, geben Sie sich ihm hin und reiben sich danach an
Varatharajahs Analysen. Beides lohnt sich.«
Liebe
und die letzten Dinge
Mit dem Roman »Baumgartner« hat Paul Auster ein Vermächtnis
geschrieben. Von Sigrid Lüdke-Haertel
Text lesen
»Es
beginnt mit einem dieser Tage, an denen alles schief läuft. Seymour
T. Baumgartner, siebzig Jahre alt, emeritierter Professor in
Princeton, verbrennt sich erst seine Hand an einem vergessenen,
völlig überhitzten Topf auf dem Herd, dann ruft die Tochter seiner
Putzfrau an und erzählt ihm, dass sich ihr Vater zwei Finger
abgeschnitten hat und anschließend stürzt er noch die marode
Kellertreppe hinunter.«
Kärntner
Lebensgeschichten
Maja
Haderlap erzählt in ihrem neuen Roman »Nachtfrauen«
aus dem Leben dreier Generationen von
Frauen.
Von
Gregor Keuschnig
Text lesen
»...
da ist er wieder, dieser
Ton, der schon in Haderlaps Erstling die Geschichten grundierte und
transzendierte
und dann spielt es keine Rolle, dass Mira in den Hintergrund tritt und der Leser
auch nicht erfährt, ob die Werkstatt gebaut wird oder nicht. Man ist traurig,
Anni verlassen zu müssen. Und froh, dies gelesen zu haben.«
Nie
wieder ist heute?
Zur Neuausgabe von Theodor W. Adornos Vortrag »Zur Bekämpfung des Antisemitismus
heute« von 1962. Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Die
Geheimnislosigkeit des Antisemitismus ist sein anhaltendes Karrieremodell.“
Adorno adressiert damit das gesellschaftliche Phänomen des Antisemitismus auf
die unaufgeklärten Subjekte zurück. Hier hat die Frage nach der Freiheit ihre
Berechtigung, die die Antisemiten und Rechtsradikalen im Munde führen.«
Der
Mann mit dem Kassettenrekorder
»Austrian
Psycho« ist ein Versuch, das intellektuelle Österreich von dem
Frauenserienmörder
Jack Unterweger zu exorzieren.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Indem sich Herwig
zeitweise in einen 73jährigen Schickeria-Wiener verwandelt, stellt er seine
eigenen Nachforschungen auf dem Prüfstand, kann aber auch dezidiert Stellung
nehmen. Die Neutralität des Berichterstatters wird damit gebrochen.«
Gesellschaftspanorama
Die deutsche Ausgabe von Andrea Giovenes
epochaler Pentalogie
»Die
Autobiographie des Giuliano di Sansevero«
in
der kongenialen Übersetzung von
Moshe Kahn hat mit
»Der
letzte Sansevero«
ihre Vollendung gefunden.
Von
Lothar Struck
»Der Band endet mit dem letzten Eintrag Giulianos im
September 1957, wenige Tage vor seinem Tod. In einem Anhang wird der
Leser durch behördliche Briefe über einige offene Fragen aufgeklärt.«
Text lesen
Unglücklich
kommunizierende Röhren
Aporien einer revidierten Psychoanalyse. Zu Dagmar Herzogs
»Cold
War Freud«.
Von Wolfgang Bock
Text lesen
Quo
vadis Europa
Josef Bramls ernüchternde Analyse der geopolitischen Lage und die
für Europa daraus erwachsenden Gefahren und Möglichkeiten.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Die
USA, so die Arbeitshypothese, seien zukünftig weder in der Lage noch
willens den militärischen Schutz innerhalb der NATO zu schultern.
Braml stellt sogar den Zweitschlag-Willen der USA infrage,
europäische Verbündete im Verteidigungsfall mit nuklearen Mitteln zu
verteidigen.«
Wer
ist schuld an der Misere?
Wie schreibt man (k)eine Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland bis 1945?
Von Wolfgang Bock
Artikel lesen
Eine sprachgewaltige Rebellin
Helena Adlers Debut-Roman
»Die
Infantin trägt den Scheitel links«
rockt die Literaturszene nicht nur in Österreich.
Von Lothar Struck
Artikel lesen
»Fast
jeder Satz von Helena Adler schneidet, beißt, trifft. Aber man täusche sich
nicht: Wo andere mit Repetitionen arbeiten, wo die Zorn in blinde Wut gerinnt,
ist hier alles unter Kontrolle. Und gleichzeitig in Aufruhr.«
Kein
Wort bleibt auf dem anderen
Helena Adlers neuer Roman
»Fretten«
dreht noch mehr an der Schraube der Expressivität.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Helena
Adler ist eine grandiose Sprachartistin, die epische Momente
erschaffen kann, aber heuer zuweilen einen Salto zu viel schlägt auf
dem Drahtseil. 'Fretten' sollte, nein: muss man trotzdem lesen. Denn
hier pocht das Herz der Welt.«
»Die
Literatur war schon immer die Rettung der Verdammten«
Das Buch als unsterbliches Medium.
Eine spannende und lehrreiche Lesereise durch fünf Jahrtausende Buchgeschichte.
Von Herbert Debes
Text lesen
Mit »Papyrus« hat
Irene Vallejo
jenes literarisches Genre wiederbelebt, das 2016 seinen Meister verloren hatte.
»Wir haben nicht nur die Wale, die Mönchsrobben und die Bären in den Abruzzen zu
retten, sondern auch die Bücher,« beschwor Umberto Eco in seiner »Kunst des
Bücherliebens«.
Die
Kanonisierung des Pop
Leichte Lesbarkeit, routinierte Plots, aufgeladen mit
bedeutsamen Zeichen, ohne wirkliches Neuland zu betreten, das
kennzeichnet für Moritz Baßler den »populären Realismus«. Von Lothar
Struck
Text lesen
»Salopp gesagt: Statt Diamanten sind im Midcult nur Glassteine
verarbeitet – aber es glitzert so schön.«
Ein
realistischer Blick auf die Welt
Carlo Masalas aktualisiertes Standardwerk
»Weltunordnung«
über die
globalen
Krisen und die Illusionen des Westens.
Von Gregor
Keuschnig
Text lesen
»...
ein grandioser Wurf, zumal auch einige politische Dogmen angesprochen und
sanft, aber bestimmt, entzaubert werden. Der Leser wird konsistent und schlüssig
mit den aktuellen geopolitischen Herausforderungen vertraut gemacht.«
»Ich
rebelliere, also sind wir!«
Die Gegenwart der rassistischen Vergangenheit in der Psychiatrie. Andreas Heinz'
überaus lesenswerte Rekonstruktion
»Das
kolonialisierte Gehirn und die Wege der Revolte«
Von Wolfgang
Bock
Text lesen
»Der Autor zeigt sich
jedenfalls mit (fast) allen diskursiven Wassern gewaschen, er beherrscht sein
ABC von der Anthropologie und der Ethnopsychoanalyse über den autoritären
Charakter bis zum medikamentösen psychiatrischen Diskurs. (...)
Geschickt
schaltet er von einem Diskurs in den anderen um, vergleicht die Dinge
miteinander und bleibt dennoch immer themenzentriert bei dem Zusammenhang von
Krankheit und Revolte.«
Lehrjahre
eines Schriftstellers
Uwe Timm blickt zurück auf »Alle meine Geister«
Von Sigrid Lüdke-Haertel
Text lesen
»Timm erzählt
nahezu schwärmerisch von einer Arbeitsatmosphäre, die Marx als
'gemütliches Knechtschaftsverhältnis' bezeichnet hatte. Es wird viel
erzählt, vom Leben in all seinen Facetten, auch von Liebe,
Eifersucht und Trauer.«
Ein
Panoptikum von Histörchen
Rechtzeitig zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich erscheint
Florian Illies'
neuestes Werk »Zauber
der Stille«.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»...
der Autor kann
es auch in diesem Buch nicht lassen,
die geschilderten Ereignisse mit anderen, inkompatiblen Vorfällen zu
kombinieren. Als etwa 1931 der Münchner Glaspalast abbrennt – darunter auch
Friedrich-Bilder – rattert die Möglichkeitsmaschine auf Hochtouren.«
Schreiben
und Trinken in Kopenhagen
Tom Kristensens Roman
»Absturz«
ist
eine wahnwitzige, rauschhafte, großartige Auflehnungserzählung. Von Lothar
Struck
Text lesen
»Selbst
aus der zeitlichen Entfernung von fast einem Jahrhundert wirkt der Roman frisch
und in der Beschreibung eines auf Selbstreferentialität fixierten Kulturbetriebs
wunderbar zeitgenössisch. Die Lektüre von Absturz ist sowohl Vergnügen
wie auch Herausforderung. Eben große Literatur.«
Eine
»Form
absoluter Freiheit«
Natalja Kljutscharjowas
bewegendes »Tagebuch
vom Ende der Welt«.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Das
ist wie abgeschnittene Blumen in einer Vase. Eine Zeitlang sehen sie noch aus
wie lebendig. Aber in Wirklichkeit haben sie keine Wurzeln mehr, keinen Boden,
keine Zukunft.«
Retroversion
der Arbeiterklasse
Bernie Sanders lesenswerte Systemkritik
»Es
ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein«
zeigt, wie schmal in den USA der Pfad ist zwischen einer sozial gerechteren
Realpolitik und dem Absturz in einen
Autoritarismus Marke Trump. Von Peter
Kern
Text lesen
»Ein
Prozent der US-Bürger sind wirklich Besitzende; ihnen gehören 90 Prozent des
gesellschaftlichen, sich in Fabriken, Fernsehsender, Forschungslabors,
Supermärkten, Kliniken, Filmstudios, Airlines und Privatunis
vergegenständlichten Reichtums. Die bestbezahlten 25 Hedgefonds-Manager der Wall
Street sacken mehr Geld ein als die 350.000 Erzieherinnen in den Kindergärten
des Landes.«
»Nehmen
und Lesen«
Zum 120. Geburtstag publiziert der Suhrkamp-Verlag sorgfältig edierte, bisher
unveröffentlichte Texte des Schweizer Dichters Ludwig Hohl.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Ludwig Hohls
Werk (…) läßt sich, ohne Voraussetzung oder Übereinkunft, nehmen und lesen. Es
ist so unerhört wie selbstverständlich. Es (…) steht frei zur Lektüre, wie eine
in die Natur gehörende und diese erst beseelende Menschenschrift.«
Kulturindustrie
zur Aktualität eines kritischen Begriffs
Ein Essay von
Peter Kern und Dieter Maier
Text lesen
»Künstlerische
Kreativität ist mittlerweile fast rückstandslos in der Kulturindustrie
aufgegangen. Die kulturelle Ware hat über das Kulturgut so gründlich gesiegt,
dass autonomes künstlerisches Schaffen zu einem schwer verkäuflichen Restposten
wurde.«
»Ziemlich
okaye Popsongs«?
Musik zwischen Markt und Moral
Ein Essay von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Ich
gehe bei diesem Versuch davon aus, dass die meisten Popsongs »ziemlich okay«
sind, dass dennoch rote Linien existieren, die in den allermeisten Fällen
weniger ein Problem der Musik selbst – oder wie Diedrich Diederichsen so schön
sagen würde: der »Thermodynamik des Sound« – als vielmehr eines des Vokabulars,
mitunter auch der Bildsprache (Musikclips) sind; eines Vokabulars nämlich, dass
entweder verletzend ist oder dort, wo es provokativ sein und Grenzen austesten
möchte, das Sprachspiel ambivalenter Bedeutungen und Offenheit zugunsten
eindeutiger Positionierungen verlässt«.
Farin
Urlaub: Der ziemlich okaye Popsong
Zurück
in die Vergangenheit ...
... zur phantasmagorischen Veränderung der Zukunft. Reinhart Kosellecks »Kritik
und Krise« von 1954 neu gelesen. Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Der heutige Leser
reibt sich beide Augen – das eine, das auf das 18. Jahrhundert gerichtet ist und
das andere, das auf die 1950er Jahre schaut ...«
Das
ontologische Gerippe des Realen
Mit seinem opulenten Werk
»Die
Formen des Sichtbaren«
entwickelt der Anthropologe
Philippe Descola eine
Art Menschheitsgeschichte des Bildes.
Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Was
ist ein Bild, und wie ändert sich das Bild, das wir uns von der Welt
machen? Was wird überhaupt sichtbar, und welche Formen nimmt die
Sichtbarkeit an? Welches Bild hat der Mensch letztlich von sich
selbst.«
»...
im Kopf erwischt«
Louis-Ferdinand Célines wiedergefundener Roman
»Krieg«
liest sich wie ein einziger langezogener Schrei.
Von Gregor
Keuschnig
Text lesen
Sollte es jemals einen Glauben an die Menschheit gegeben haben, so wird dieser
hier zerstört, denn es wird ihm klar, wie
»namenlos
niederträchtig die Menschen sind.«
»...auf
dem Weg durchs Nichts«
Louis-Ferdinand Célines desillusionierender Parforceritt
»Reise ans Ende der Nacht«
Von Herbert Debes
Text lesen
»Man ist von sich selber angewidert ... es reicht jetzt, ein bisschen
was zu fressen, es sich ein bisschen warm zu machen und so viel zu schlafen,
wies nur geht auf dem Weg durchs Nichts. (...) Man ist nichts mehr als eine alte
Laterne voll Erinnerungen, an einer Straßenecke, wo schon fast niemand mehr
vorbeikommt.«
Sichtung
einer vergangenen Welt
Florjan Lipuš' Erzählung
»Die
Verweigerung der Wehmut«.
Von
Lothar Struck
Text lesen
»Man
dankt dem Suhrkamp-Verlag für diese Neuauflage des 1985 erstmals
publizierten Romans, weil ein markanter und wichtiger Titel einem
langsamen Vergessen in Antiquariaten entrissen und nach vielen
Jahren wieder bibliophil präsentabel wurde.«
Deutscher
Buchpreis 2023:
Vom
Leben in zwei Welten
Tonio Schachingers Roman »Echtzeitalter«
Von Sigrid Lüdke-Haertel
Text lesen
»... ein
zeitgenössischer Bildungsroman, allerdings ausgerichtet an einer
Gegenwart, die der herkömmlichen Bildung leichtfüßig entlaufen ist.«
»Travail
attractif«
Auf der
Suche nach einer »guten Arbeit« versammelt diese 7-bändige »Matrix
der Arbeit« umfangreiche Materialien zur Geschichte und Zukunft der
Arbeit.
Von Peter Kern
Text lesen
»Solche
Arbeit ist abwechslungsreich, hat Einfluss auf die ihr zugrunde
liegenden Organisation, ist ordentlich entlohnt und kommt der
Entwicklung weiterer Fähigkeiten entgegen; sie vergegenständlicht
sich in einem nützlichen Gut, bietet Beschäftigungssicherheit und
ist in einem mäßigen Zeitaufwand zu erledigen.«
Zuviel des Guten
Thomas von Steinaeckers ambitionierter Roman
»Die Privilegierten«
scheitert an seinen Ansprüchen.
Von
Gregor Keuschnig
Text lesen
»Der Versuch, einen packenden Plot zu erzählen, versandet in einer
schwadronierenden und aufgrund ihrer Berechenbarkeit am Ende uninteressanten
Hauptfigur. Die einzige Rettung bestünde darin, dass es sich um eine Satire
handelt...«
Vom
Pferd gefallen
Thanatologie, Trauma und Solipsismus. Über Reinhart Kosellecks Texte zu
politischem Totenkult und Erinnerung »Geronnene Lava«. Von
Wolfgang Bock
Text lesen
»Er träumt in seinen
Notizen von Russen als Läusen und Walter Ulbricht, der ihn aus dem Flugzeug
stoßen will und liefert so Material ein, dass einer erlösenden Interpretation
harrt und keiner sekundären Verehrung durch seine Schüler.«
Versuche
der Selbstvervollkommnung
Anna
Baars
Streifzüge und Randnotizen
»He, holde Kunst« Von Lothar Struck
Text lesen
»Immer geht es auch um die
persönlichen Erlebnisse und ästhetischen Prägungen der Autorin, die
vorübergehenden und bleibenden Lieben, Illusionen und Desillusionen, Mut und
Verzagtheit.«
Der
Leser wird zum Entdecker
Judith
Schalanskys wunderbarer »Taschenatlas der abgelegenen Inseln«.
Von
Gregor Keuschnig
Text lesen
»... ein Buch, dass
zu jeder Jahreszeit und an allen Orten vergnüglich und lehrreich zugleich zu
lesen ist. In seinem blauen Leinencover erweckt es den Eindruck eines
geheimnisvollen Almanachs.«
Spinnen,
die in der Morgensonne leuchten
In dem
Langgedicht »Poesie« verleiht Xaver Bayer den unscheinbaren Fragmenten der
Wirklichkeit poetische Würde. Von Lothar Struck
Text lesen
»Beim Zuklappen des
Buches beginnt die eigene Maschine zu laufen. Und man sucht schon mal seinen
Rucksack.«
Entscheidungen
Ulrich
Woelks Roman »Mittsommertage« zielt mitten in unsere Gegenwart. Von Sigrid
Lüdke-Haertel
Text lesen
»Woelk verknüpft diese
privaten Probleme sehr geschickt mit unserer politischen Entwicklung. Auch das
Personal ist geschickt, das heißt schlüssig und glaubhaft, ausgewählt. Er führt
keine Sprechpuppen über die Bühne, die seine Ansichten verkünden, sondern
Menschen, denen man ihre Schwierigkeiten und ihre Lösungen abnimmt.«
Die
Lücken, die das Alphabet lässt
In seinem neuen Buch
»Das
Alphabet bis S« vereint
Navid Kermani Erzählung, Reflektion und Meditation zu einer
bereichernden Lektüre.
Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Für die beiden oberen Bretter H benötige ich gar die Leiter;
Hedayat, Hemingway und Hebel hat der Auszug meines Mannes übel erwischt. Grass
ist ebenfalls nur noch Stuhlliteratur, das ist verkraftbar, Hauptsache, an
Goethe komme ich auf Zehenspitzen mit ausgestreckter Hand.«
Festgelesen
Einblicke in zwei aktuelle Ausgaben sehr verschiedener Literaturzeitschriften.
von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Man ist bisweilen
überrascht, wie viele Literaturzeitschriften es im deutschsprachigen Raum gibt
und dann noch überraschter, wenn es jetzt sogar noch eine neue geben soll. Sie
nennt sich Delfi
und den Preis für das hässlichste Coverbild hat man schon mal sicher.«
Ein
Begriff der Geschichte mit Schlagseite zum Bürgerkrieg
Reinhart Kosellecks Aufsatzsammlung
»Vergangene Zukunft
-
Zur Semantik geschichtlicher Zeiten« wiedergelesen. Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Die Texte entstanden aus
den damaligen Debatten und sind heute selbst historisch. Sie weisen eine
deutlich konservative Physiognomie und Hartleibigkeit auf, die bis ins Lager der
Holocaustleugner reicht.«
Wie
Geschichte entsteht
Stephan Lambys Reportagen »Ernstfall – Regieren in Zeiten des Krieges«. Von
Lothar Struck
Text lesen
»Im Gegensatz zu anderen
Filmemachern, die sich wuchtig inszenieren, ist Lamby ein Politikflüsterer; in
seiner zurückhaltenden, manchmal fast antichambrierenden, dabei jedoch nie
unterwürfigen Art gelingen bisweilen bemerkenswerte Einsichten.«
Teaching
Disaster
Guillaume Paolis erfrischend polemische Kritik
unserer Denkweisen in postnormalen Zeiten.
Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Merkmal dieser neuen
Realität ist die Tatsache, dass es keine Krisen im herkömmlichen Sinne in einem
an sich gesunden System mehr gibt. Denn was den Menschen gegenwärtig begleitet,
ist der permanente Schauder in
einer Welt des nicht endenden Desasters.«
Abgesang auf eine Epoche
Mit seinem Roman »Dämmerung«
schließt
Michael
Kleeberg
seine Karlmann-Trilogie. Eine
deutsche Mentalitätsgeschichte, ein
Sittenbild des Bürgertums der letzten fast 40 Jahre.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Kleebergs Dämmerung
ist ein Abgesang, freilich ohne Jammern oder gar Sentimentalität.«
Die
letzte Eskapade
In
Richard Fords Roman »Valentinstag« begleiten wir Frank Bascombe und seinen an
ALS erkrankten Sohn Paul auf ihrer letzten gemeinsamen Reise durch die
amerikanische Provinz.
Von
Gregor Keuschnig
Text lesen
»... und es beginnt ein
trotzig-spöttisches, ernst-albernes Kammerspiel zwischen dem körperlich stetig
verfallenden Sohn und dem im schlechten Gewissen eingelegten Vater.«
Einblicke
in innere Kyffhäuser
Dominik Graf und Anatol Regnier untersuchen Motive und Befindlichkeiten von
Schriftstellern, die während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland
geblieben waren. Von Lothar Struck
Text lesen
»... ein fesselnder,
beeindruckender, lehrreicher, auf eine fruchtbare Weise bisweilen verstörender
Film. Nach dem Abspann möchte man ihn sofort noch einmal sehen.«
Giulianos
Odyssee
»Fremde
Mächte«
zum vierten Band von
Andrea Giovenes
epochaler
Pentalogie »Die
Autobiographie des Giuliano di Sansevero«.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Mehr als einmal erscheint einem
Giuliano mit seinen bisweilen aristokratischen Attitüden als italienisches
Pendant zu Ernst Jünger.«
Zwischen
Romantik und Modernität
Im
Rahmen eines Übersetzungs-Seminars der Goethe-Universität wurden die Erzählungen
und Feuilletons
des dänischen Autors
Henrik Pontoppidan
»Kaum ein Tag ohne
Spektakel« neu
übersetzt.
Von
Lothar Struck
Text lesen
»Diese Anthologie zeigt,
dass sich Henrik Pontoppidans Schaffen schwer in eine Schublade stecken lässt.
Mal triefen seine Texte vor Ironie, dann wieder dominiert insbesondere in den
Erzählungen ein bitter-besinnlicher Impressionismus.«
Romancier,
Gentleman und Kosmopolit
Zum
Leben und Werk des
britischen Schriftstellers
und Dramatikers William Somerset Maugham
(25.01.1874-16.12.1965).
Von
Jürgen Seul
Text lesen
»Von
Romantik unter dem Kreuz des Südens findet man in Maughams Büchern nichts –
dafür aber einen Ozean von Geschichten, auf denen die Wogen von Leidenschaft und
Gewalt hoch gehen.«
Mörderisches
Liebesabenteuer
Der kleine Roman »Oben in der Villa« des großen Erzählers William
Somerset Maugham wurde zum Glück wiederentdeckt. Von Sigrid
Lüdke-Haertel
Text lesen
»Ein
perfekter Erzähler, ein schräger Typ, ein echter, ein alter
Engländer. Neunzehntes Jahrhundert, aber voll up to date.«
Der »song and
dance man«
Teil 2:
Zur Rolle der Kontrafaktur in Bob Dylans Songwriting.
Ein Essay von Ulrich Breth
Text lesen
»Kontrakfakturen
sind Lieder mit einer überlieferten Melodie, denen ein neuer Text
unterlegt wird. Hierbei wird in der Regel ein geistliches Lied in
ein Lied mit weltlichem Gehalt überführt. Bei Dylans Songs verhält
es sich nicht selten umgekehrt.«
Der »song and
dance man«
Teil 1:
Bob Dylan und seine »Philosophie des modernen Songs«.
Ein Essay von Ulrich Breth
Text lesen
»Dylans
Philosophie des modernen Songs besteht nicht darin, die Entstehung, die
Funktionsweise und Bedeutung des modernen Songs zu beschreiben oder gar zu
erklären, sondern die Magie, die entsteht, wenn sich die Lyrics eines Songs mit
einer Melodie verbinden, mit seinen Reflexionen beständig zu
umkreisen.«
Leseprobe
& Playlist
Lektüre
mit Volten und Widerhaken
Albert Camus
monologische Erzählung »Der
Fall«
in der neuen Übersetzung
von Grete Osterwald.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Sie
wissen ja, was für schüchterne Kommunikanten unsere Bistro-Atheisten sind. Ein
Moment der Bestürzung folgte dem Ausspruch dieser Ungeheuerlichkeit, verdutzt
blickten sie einander an, dann brach der Tumult los…«
»Auf
verlorenem Posten«
Michel Houellebecqs denkwürdiger Bericht »Einige Monate in meinem Leben« Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Houellebecq zerstört mit
diesem Buch jegliche Distanz zwischen sich und dem Erzähl-Ich, zwischen den
tatsächlichen Ereignissen und den Schilderungen im Buch. Er schreibt eine
ultimative Nichtfiktion. Dass das Buch keine Genrebezeichnung trägt, ist nur
konsequent.«
Furor
und Traurigkeit
Ludwig Fels posthum erschienener Gedichtband
»Mit mir hast du keine Chance«
Von
Lothar Struck
Text lesen
»Die Zukunft
wird kommen. / Auch die der Literatur. /
Sie wird wenig Heimat haben, / wenn sie kommt. / Aber Tag und Nacht und / die
Körper, die sie lieben.«
Am
»letzten
Abend der Menschheit«
Raphaela
Edelbauers atmosphärisch dichter Roman
»Die
Inkommensurablen«
Von Gregor
Keuschnig
Text lesen
»...
die Wimmelbilder des kriegshysterischen Wien gelingen sehr gut, während die
Genreszenen in den Lokalen und vor allem die Charakterstudien der immer wieder
im Jargon der Gegenwart verfallenden Helden eher schwach bleiben.«
Der
Felsen von Sirilund
Gabriele Haefs gelungene Neuübersetzung von
»Benoni«
zeigt Knut Hamsuns literarische Qualitäten auch abseits seiner bekannten Werke.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Schachspieler
kennen Benoni als Bezeichnung für eine Eröffnungsvariante. Es ist allerdings
auch ein seltener Vorname, der aus dem Hebräischen kommt und 'Sohn des Leides'
bedeutet.«
Wahrheit
& Existenz
Mit Cormac
McCarthy starb einer der
letzten
großen alten Männer der
Nordamerikanischen Gegenwartsliteratur.
Von Herbert Debes
Text lesen
Mit seinem Romanduo
»Der Passagier« und
»Stella Maris«
legte er uns
im
Herbst 2022 sein
opus magnum vor.
Erhellt
von mediterraner Sonne
»Das
Haus der Häuser«
zum dritten Band von
Andrea Giovenes
epochaler Pentalogie »Die
Autobiographie des Giuliano di Sansevero«.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Man
kann diese eigenartige Stimmung, die bei der Lektüre entsteht, lange
nicht vergessen, obwohl man natürlich früh ahnt, dass das alles
keinen Bestand haben wird.«
Das Walross und der Zimmermann
Oder: Wie
der Kapitalismus seine eigenen Grundlagen verschlingt. Über Nancy Frasers kapitalismuskritische Diagnose »Der Allesfresser«. Von
Wolfgang Bock
Text lesen
»Alles in allem bietet die Kannibalismus-Metapher mehrere
vielversprechende Ansätze für eine Analyse der kapitalistischen
Gesellschaft. Sie lädt uns dazu ein, diese Gesellschaft als eine
institutionalisierte Fressorgie zu betrachten, deren Hauptgericht
wir selbst sind.«
Ein
Meisterwerk
Abdulrazak Gurnahs mitreißender Roman »Die Abtrünnigen« beschreibt
die Kolonialgeschichte Sansibars als
Familien-, Orts- und Historienerzählung.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Das
sanfte und epische Erzählen Gurnahs, dieses zärtliche Auffächern der
unterschiedlichen Charaktere (...) machen diesen Roman zu einem
wunderbaren Erlebnis.«
Abtauchen
Ein Gedenkwort für
Carlo
Emilio
Gadda & seine »Grässliche Bescherung in der Via Merulana«. Wolfram
Schütte
Text lesen
»Es ist eine
veritable Sprachlust, in die Vielzahl der dschungelartig wuchernden
Erzählmäander der wunderbaren Bescherung abzutauchen, die Carlo
Emilio Gadda in & um die Via Merulana in Rom uns als
Klassiker-Vergnügen hinterlassen hat!«
»Ich
kann in den Tod gehen«
Amina
Handkes gelungene filmische Transformation eines überhaupt nicht gealterten
Theaterstücks.
Von Lothar Struck
Text lesen
»... eine gelungene und
sehr anregende Transformation des mehr 50 Jahre alten Stückes
Kaspar.
Amina Handke und Libgart Schwarz schaffen es subtil Schneisen für Reflexionen
auf Gegenwartsbezüge zu schlagen.«
Die
Untröstlichkeit der Verwaisung
Esther Kinskys Last Picture Show »Weiter sehen«
Von Wolfram Schütte
Text lesen
»...
überwiegend sinnliche Passagen atmosphärisch dichter, gestochen
scharf fixierter literarischer Vergegenwärtigungen der Landschaft,
der Natur, der Jahreszeiten – diesmal des »Mangellands, eine Gegend
der Abwesenheiten« – wie sie die endlose Weite des ungarischen
Flachlands nennt.«
Alle
kamen nach Nürnberg
Uwe Neumahrs aufschlußreiche Studie »Das Schloss der Schriftsteller«
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Zeitweise
waren 250 Pressevertreter in der Stadt, 100 davon aus den USA. Die
Unterbringung war kompliziert, die hygienischen Zustände grenzwertig.
Bis zu zehn Personen teilten sich ein Zimmer.«
Hoffen,
Erinnern, Sehen
Über 3 Bücher von Esther Kinsky und Ihre Art zu Sehen und Schreiben
Von Lothar Struck
Text lesen
»Aber
die 'Weite ist mehr als Ferne, sie ist das, was man an Möglichem zulässt. Das
gilt für das Sehen von Landschaft, Gelände, von Menschen, von Kunst.'«
Eine
toxische Liebe
Michel Bergmanns späte Abrechnung mit seiner »Mame« Von Sigrid
Lüdke-Haertel
Text lesen
»Michel
Bergmann hat erbarmungslos, dabei immer wieder faszinierend zu
lesen, mit seiner Mutter abgerechnet. Am Ende packt ihn das
schlechte Gewissen.«
Komplett
verrechnet
Bingener und Wehner
legen die vielsträngigen Verflechtungen der »Moskau
Connection«
und deren politische
Fehleinschätzung offen.
Von Lothar Struck
Text lesen
»In
der akribischen Erfassung dessen, was sich seit 1998 in Bezug auf
Energiepolitik und Russland ereignet hat, werden die Abgründe
deutlich sichtbar.«
Leseprobe & Infos
Augenblicke
des Findens
Eine virtuelle Ausstellung
von Hermann Littmann
zu den Bildern
»Warum
ein Foto gemalt wird bleibt ein Geheimnis, es geht um ein
besonderes Licht oder Erscheinung. Die Kategorien des Realismus
interessieren mich nicht.«
»Der perfekte Schuss«
Mathias Enards aufwühlende Novelle über einen jungen Scharfschützen in einem
namenlosen Krieg
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Die längst zur Floskel verkommene
Kafka-Bemerkung, das Literatur die Axt unserem gefrorenen Meer sein soll, trifft
hier endlich einmal zu. Die Hiebe dieser Axt wird man für lange Zeit nicht
vergessen und die Eisschollen lassen den Leser taumelnd zurück.«
In
memoriam Dieter Leisegang:
»Diese
mühselige Arbeit
an
den Zügen des Menschlichen«
Von Herbert Debes
Nachruf Lesen
Vor 50 Jahren, am 21. März 1973, erschoß sich in
Offenbach am Main der Philosoph und Poet Dieter Leisegang,
der zu Lebzeiten eine
solitäre Randfigur im deutschen
Literaturbetrieb blieb, und die
Sehnsucht
der Literaturkritik
nach dem »rettungslosen Ich«.
Putins
Weg ...
(Ende Offen)
Giuliano da Empoli
bringt uns in dem
Schlüsselroman
»Der
Magier im Kreml«
mitreißend und glaubhaft Putins Denkungsart und Selbstverständnis
nahe und
schenkt uns
eine Begegnung mit
Jewgeni Samjatins prophetischer Dystopie »Wir« aus dem Jahre 1920.
Von
Gregor Keuschnig
Text lesen
»Manches
verstört, etwa die Aussage Baranows an einen russischen Söldner im
Donbass, dass es bei kriegerischen Auseinandersetzungen nicht um den
vollständigen Erfolg, den Sieg, gehe. Die Eroberung dürfe nicht
endgültig sei, sondern es sei "nur" ein bestimmtes Chaos-Level
anzustreben. Dies lässt in Verbindung mit dem aktuellen
Ukraine-Krieg nichts Gutes erwarten. Zuweilen vergisst man, dass
dieser Mann im Kreml real ist und nicht nur eine Romanfigur.«
Das Regime Putin
Sechs lesenswerte Bücher, die sich differenziert und hintergründig mit Putins
langem Weg
an die Macht und seinen Visionen vom großrussischen Reich auseinandersetzen.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
Bücher
mit Ensembles
Wolfgang Martynkewicz'
»Das
Café der trunkenen Philosophen«.
Wie Hannah Arendt, Adorno & Co. das Denken revolutionierten, oder
»Die
Netflixisierung der Frankfurter Schule«.
Von Wolfgang Bock
Text lesen
»So
werden Klassiker gemacht, die bereits schon solche sind und nun
endlich auch in andere Medien gehoben werden können. Der Verlag
wirbt schon mal auf dem Umschlag wie für einen Film mit
vielen Stars: 'Mit Hannah Arendt, Theodor W. Adorno, Paul und Hannah
Tillich, Gisèle Freund, Max Horkheimer u.v.a'.«
Eine
befreiende Lektüre
Christoph Menkes »Theorie
der Befreiung«
bürstet althergebrachte Denktraditionen gegen den Strich und bricht
mit sämtlichen Traditionen des Freiheitsbegriffes.
Von
Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»Die
Befreiung kämpft immer einen doppelten Kampf: Sie kämpft gegen die
Herrschaft und zugleich kämpft sie mit und gegen sich selbst. In der
Theorie der Befreiung geht es um den Kampf, den die Befreiung gegen
sich selbst führen muss, wenn sie die Herrschaft bekämpfen will.«
Klassiker:
Ein
zeitlos
gültiges Zeugnis
Eckermanns »Gespräche mit Goethe«
in den
letzten Jahren seines Lebens.
Von Herbert Debes
Text lesen
»Eckermanns »unmittelbaren
Skizzen«
haben ihre Originalität und Gültigkeit auch
für heutige Leser behalten. Viele
Textstellen können als Leitsätze und Lebensweisheiten auch ohne den
weiteren Textzusammenhang, für sich genommen, stehen, und nicht wenige dürfen
als treffende Kommentare oder kritische Anmerkungen zu Phänomenen unserer
Gegenwart gelesen werden und stehenbleiben.«
Moderne
Klassiker:
Glanz und Elend der künstlichen Paradiese
Selten
hat ein Schriftsteller mit solcher Nüchternheit, leidenschaftslos und souverän
über den Rausch geschrieben wie Ernst Jünger zwischen 1968 und 1970 in seinem
Buch »Annäherungen«.
Von Jürgen Nielsen-Sikora
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»Der Rausch« heißt es dort, »bleibt eine der Stationen
auf dem Weg zum Nullpunkt, eine flüchtige Herberge, ein buntes Zelt, das für
eine einzige Nacht aufgeschlagen wird. (…) Der Nullpunkt ist auch Gefrierpunkt,
und obwohl die Atome ihr Gewicht behalten, ändert sich ihre Anordnung.«
Eine
Maus als Elefant?
Überlegungen zu Andreas Isenschmids Proust-Lektüre. Von Wolfgang
Bock
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»Die
These dieses Buches ist es, dass Proust sowohl bei seinem
politischen Aktivismus als Dreyfusard wie beim Schreiben von starken
jüdischen Gefühlen geleitet wurde, dass er sie aber meist nur
indirekt zum Ausdruck brachte und zu ihnen eine durchgängig
ambivalente Beziehung unterhielt.«
Psychoanalyse
und Revolution
Helmut Dahmers spannendes Essay über Leo Trotzki, die
»Psychoanalyse
und die kannibalistischen Regime.«
Von Wolfgang Bock
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»Dualisten
teilen die Welt in zwei Substanzen: Materie und Bewusstsein. Ist dem
aber so, was machen wir dann mit dem Unbewussten?«
»Ich, der Unsterbliche«
Neue Bücher von, mit und über Peter Handke zum
80. Geburtstag des Dichters.
Von Lothar Struck
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»Statt also die
jetzt vermutlich quälenden Geburtstagstexte aus den platonischen Höhlen des
Kulturjournalismus über sich ergehen zu lassen, sollte man seine Zeit besser
nutzen und wenn es schon Sekundärliteratur sein soll, dann zu Federmairs Buch
greifen. Es klärt nicht nur hier und dort auf, sondern könnte Lust
bereiten, das ein oder andere Buch (wieder) zu lesen.«
Ein
literarischer Schatz
aus Italien
Andrea Giovenes
epochale Pentalogie »Die
Autobiographie des Giuliano di Sansevero«.
Von Gregor Keuschnig
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»Es
ist gerade diese flirrende Ambivalenz, das leichte Unbehagen, das
Changieren zwischen dem "Stoizismus der Einsamkeit" Giulianos und
dessen bisweilen harsch-egoistische Handlungen und Umgangsformen,
welche die Neugier des Lesers auf die Fortsetzungen stetig wachsen
lässt und man auch nach mehreren Stunden Lektüre die antiseptische
Gegenwartsprosa der Daueremphatiker keine Sekunde vermisst.«
Die
dunklen Ressourcen
der deutschen Gesellschaft
Über die Leipziger Autoritarismus Studie 2022 zu
»Autoritären
Dynamiken in unsicheren Zeiten«.
von Peter Kern
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»Die über die vielen
Jahre fortgeschriebene Untersuchung des Autoritarismus stößt auf
vehemente Ablehnung, weil sie die Übereinkunft zwischen der
publizierten Öffentlichkeit und der angesagten Soziologie stört. Man
hat sich auf die flotte Gesellschaft der Singularitäten
geeinigt, und diesen Konformismus scheuchen die Leipziger mit ihrem
Anknüpfen an den Geist, ja gar an die Terminologie, der Kritischen
Theorie auf.«
Nicht
versöhnt
Jean-Marie Straub ist gestorben.
Eine Erinnerung von Wolfram Schütte
Text lesen
»Bekannt wurden
Straub-Huillet unter Cinéasten, wirklich geschätzt von nur wenigen
(allerdings auf der ganzen Welt), jedoch bewundert von manchen, vor
allem aber wegen der ästhetisch-politischen Radikalität ihres
solitären Kampfes gegen die Welt-wie-sie-ist, aber nicht sein
sollte.«
»Die
Antigone des Sophokles nach der Hölderlinschen Übertragung für die
Bühne bearbeitet von Brecht«
(1991)
Scott
Walker
Porträt des Künstlers als verhinderter Stern
Von Ulrich Breth
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Am 3. Dezember 2012, vor zehn Jahren also, ist Bish Bosch,
das letzte Studioalbum des im März 2019 verstorbenen Scott Walker
erschienen. Das kleine Jubiläum bietet die Gelegenheit, an das Werk
eines Musikers zu erinnern, den sein Weg von der legendären Popband
The Walker Brothers in die musikalische Avantgarde geführt
hat.
Das
Gewissen Österreichs?
In dem Dokumentarfilm
»Elfriede
Jelinek«
will die Regisseurin Claudia Müller
»Die
Sprache von der Leine lassen«
und Rowohlt verspricht mit dem Buch »Angabe der Person« eine
»Lebensbilanz« der Nobelpreisträgerin.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Wir
können immerhin sagen, wir haben sie gelesen, wir können behaupten,
wir hätten sie verstanden, wir benutzen sie als Ablass, wir stellen
die Werke ins Regal oder speichern sie auf der Festplatte. Da werden
sie zu Perlchen am Rosenkranz des Gewissens und die Lektüre, die man
sich von Fall zu Fall auferlegen muss, zur Buße. Recht so.«
Die
Mischung machts
10
Lesetipps ausgewählt
von Herbert Debes
zu den Büchern
Slavoj Žižek - Unordnung im Himmel
/
Ali
Al-Kurdi
-
Der Schamaya-Palast
/
Heinz Helle -
Wellen
/ Alexandra Stahl -
Wenn, dann trifft es uns beide
/
Solomonica de Winter -
Das
Gesetz der Natur /
Miqui Otero -
Simón
/ Leonardo
Padura - Wie Staub im Wind / Guy de Maupassant - Auf See /
Sylvia Plath -
Das Herz
steht nicht still
Amerikanist
& Flaneur
Die Bücher des Chronisten jüdischen Lebens und Literaturkritikers
Alfred Kazin sind in deutscher Sprache nur noch antiquarisch
lieferbar.
Das muß sich ändern.
Ein Plädoyer von Stefan Geyer
Text lesen
»My idea of heaven is to settle down in a jet with a book, a
notebook and a martini.«
»Bitterer
Realismus«
Gabriele Riedles etwas
anderer
Abenteuerroman
»In
Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg.«
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Je
mehr man liest, um so deutlicher wird in diesen auftürmenden,
repetitiven Hypotaxengebilden das Verlangen, die Welt (die einstige
Welt) aus der Rückschau noch einmal und zwar anders als bisher zu
"erzählen, berichten, rhapsodieren, delirieren, tremolieren", weil
der zeitliche Abstand andere Sichtweisen hervorbringt bzw.
hervorbringen soll.«
Zeitzeuge einer Rezeption
Wolfgang Kraushaar zeichnet die Umrisslinien eines politischen
Bildes Walter Benjamins.
Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Gegenüber
einer Auffassung, der Benjamins
Passagenwerk
als „kulturhistorisch interessant“ erscheint, gilt es den bislang verborgen
gebliebenen revolutionstheoretischen Sinn seines Hauptwerks und die Wirksamkeit
des darin entwickelten Begriffsinstrumentariums unter Beweis zu stellen.
Vielleicht werden sich dann die Feuilletonisten, die bei der Nennung seines
Namens glänzende Augen bekommen, dieselbigen endlich zu reiben beginnen.«
Auf Zehenspitzen durch die Hölle
Zur historisch-kritischen Ausgabe von Ernst Jüngers »Strahlungen«.
Von Jürgen Nielsen-Sikora
Text lesen
»...ein
Grund, warum in der Rezeption von Jüngers Werk und seiner Tagebücher
immer wieder Spekulationen über seine Person gestreut würden, sei
darin zu sehen, dass der Diarist Jünger in seinen Texten viele Dinge
benenne und sie ästhetisch auflade, andere aber bewusst verschweige.
Die Edition wolle diesbezüglich zur Klarheit beitragen. Ein Ziel sei
es, einen »Ausgleich zwischen präziser Textwiedergabe, Lesbarkeit
und Transparenz sowohl für akademische als auch für
nichtwissenschaftliche Leser« herzustellen und Einblicke in die
Schreibwerkstatt des Autors zu ermöglichen.«
Schwache
Schutzgeister
Auf den Spuren von Isidor. Geschichte und Geschichten aus einem
jüdischen Leben.
Von Wolfgang Bock
Text lesen
»Es
sind Erzählungen vom Durchkommen, vom Überleben, von der List, wie
sie jede Familie sich so konstruiert wie der Chronist der Nation,
wie Sigmund Freud es einmal treffend ausgedrückt hat. Der Gestus
dieser Überlebenden ist zusammengefasst in einem Witz, den der
Schneider Kurt Goldfarb Isidors großen Bruder David erzählt, der
sich auf den Weg nach Amerika macht: ...«
Verdichtete
Miniaturen
Die unzeitgemäßen »Notas« des kolumbianischen Philosophen Nicolás
Gómez Dávila. Von Herbert Debes
Text lesen
»Dieses Taschenbuch gehört in jeden Survival-Rucksack, denn es
konzentriert sich in vulkanischen Splittern auf die Sinnlichkeit des
Menschen und die ewigen drei großen Fragen: Was Denken? Was Tun? Was
Glauben?«
Ein
reformistisches Manifest
Thomas Piketty will mit seiner »kurzen Geschichte
der Gleichheit« neue demokratische Räume öffnen.
Von Peter Kern
Text lesen
»Es bräuchte eine an der Idee der Gerechtigkeit orientierte Moral,
damit die in Nord und Süd gespaltene Welt einen wirklichen
Fortschritt verzeichnen könnte.«
Leseprobe
Hin
zu einer neuen Sprache
Zur Neuausgabe der »Werke« des russischen Revolutionärs
und Erneueres der Sprache Velimir Chlebnikov.
Von Herbert Debes
Text lesen
»Chlebnikovs
Ruhm als Dichter ist unermeßlich viel geringer als seine Bedeutung. Von den
hundert, die ihn gelesen haben, nannten ihn fünfzig einfach einen Graphomanen,
vierzig haben ihn als Unterhaltung gelesen, und sich gewundert, weshalb sie von
alldem keine Unterhaltung hatten, und nur zehn (die Futuristen-Dichter, die
Philologen des »Opojaz«) kannten und liebten diesen Kolumbus neuer poetischer
Kontinente, die jetzt von uns besiedelt und urbar gemacht werden.«
(Vladimir Majakovskij, 1922)
Zeitlose
Chroniken
Johannes V. Jensens
tragikomische »Himmerlandsgeschichten«
in der lebendigen Übersetzung von Ulrich Sonnenberg
erschienen im Guggolz Verlag.
Von Lothar Struck
Text lesen
»Die
Melancholie, der Verlust der mythischen Heimat zu Gunsten einer pluralistischen
und für viele durchaus bedrohlichen Moderne, führte bei Jensen nicht zur
falschen Idealisierung des Vergangenen. Hierfür wusste er zu viel.«
Gänge durchs Unwirkliche
Karl Ove Knausgårds
beklemmender Start in seine
Magic-Mystery-Tour.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Leider
hat diese Plot-Süffigkeit ein Opfer: Es ist die literarische
Qualität. "Der Morgenstern" gleitet rasch in einen
Unterhaltungsmodus ab, dem man sich allerdings gerne aussetzt.«
Eindrücke
aus der »Werkstatt«
Peter Handkes
»Innere
Dialoge an den Rändern
2016-2021«.
Von Lothar Struck
Text lesen
Viele der an sich selber gerichteten Aufforderungen und Sprachsuchen
sind in Dialog- bzw. Frageform verfasst, was dem Journal den Titel
gegeben hat. Handke betreibt ein Spiel der Dialektik, ein
Sich-ins-Wort-fallen, oft durchaus mit Humor und Selbstironie und
manchmal in einen Aphorismus mündend.
»Der
Frieden nach dem
Kalten Krieg ist vorbei«
Erstmals
2021 publiziert und jetzt in deutscher Übersetzung vorliegend,
bekommt das Buch
»Future
War«
durch die russische Invasion in die Ukraine zusätzliche Relevanz.
Von Gregor Keuschnig
Text lesen
»Die
Lektüre ist beunruhigend, ernüchternd und anstrengend, aber auch
lohnend.«
Vagabundierend
durch Räume und Themen
Zu Band 14
der
Kritischen Gesamtausgabe Walter Benjamins
»Texte über
Städte, Berichte, Feuilletons«
Von Jürgen Nielsen-Sikora
Artikel lesen
»Benjamin
erweist sich in diesen Arbeiten einmal mehr als sehr genauer und
kritischer Beobachter seiner Zeit, ...«
Am
Nullpunkt der Existenz
Von Jürgen
Nielsen-Sikora
Artikel lesen
David Roussets Dokument
»Das
KZ-Universum«
Rousset ist ein großer Schriftsteller, dessen schockierendes
Dokument endlich in deutscher Fassung vorliegt und von einem
profunden Nachwort Jeremy Adlers flankiert wird. Selbst am
»Nullpunkt der Existenz« werde, so Adler mit Verweis auf Rousset,
»unter den schlimmsten Verhältnissen gelebt, gesehen und gedacht.«
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