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In die Falle gelockt
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40 Jahre nach dem Tod des Autors erscheint ein Buch von Michel Foucault, das eine Standortbestimmung der Philosophie versucht und fragt, was den philosophischen Diskurs von anderen Diskursen unterscheidet. Primär sieht Foucault die Rolle der Philosophie in einer Art Diagnostik der Gegenwart, in der der Philosophen die Aufgabe zufällt, zu sagen, was ist. Die Diagnose gilt nicht allein der Gesamtheit des Wissens und der Institutionen, sondern auch der Praktiken, kulturellen Formen und Existenzbedingungen. Diskursiv ist dieses Unterfangen, weil die Philosophie die Gesamtheit all jener Dinge im Blick hat, die zu einer bestimmten Zeit gesagt werden. Da dies jedoch nie vollumfassend geleistet werden kann, bleibt die diagnostische Tätigkeit stets ein „lächerlicher“ Diskurs, den Foucault unter anderem vom wissenschaftlichen Diskurs abgrenzt. Es ist vor allem die stets mitzudenkende Existenz eines Subjekts, das in die eigenen Aussagen eingebunden bleibt, die die Philosophie von den (Natur-)Wissenschaften unterscheidet: Der philosophische Diskurs kommt seit René Descartes nicht ohne ein reflektierendes, theoretisierendes Ich aus, weshalb er eine gewisse Nähe zum literarischen Diskurs zeigt. Bleibt aber das Subjekt (als Fiktion) in der Literatur in der Schwebe, so sucht der philosophische Diskurs jenseits seines eigenen Ichs den wahren Diskurs, der zumindest teilweise souverän in ihm spricht. Der philosophische Diskurs lebt insofern von dem, was in ihm das Subjekt offenbart, und er zielt auf eine Kritik anderer Diskurse, die über sich selbst keine Aussagen machen können. Mit Descartes betritt der Philosoph als jene Figur die Bühne, die zwar immer noch über Gott, die Welt und die Seele nachdenkt, doch dies, indem er sich selbst als ein Phänomen der Geschichte begreift, das die Wahrheit spricht. Diese Entwicklung findet ihren vorläufigen Höhepunkt in den Schriften Kants, bei dem das Subjekt zur alleinigen Grundlage des philosophischen Diskurses wird. In Kants Philosophie sieht Foucault folgerichtig einen „Gravitationspunkt der gesamten abendländischen Philosophie.“ Neben Descartes und Kant ist es immer wieder Friedrich Nietzsche, auf den Foucault zu sprechen kommt. Seine Philosophie habe sich am Ende des 19. Jahrhunderts in den Raum eingeschlichen, in dem andere Diskurse bereits sprechen (vgl. Die Ordnung des Diskurses, 1970). Seit Nietzsche ist der Philosoph nicht nur Denker, sondern auch Dichter, Aphoristiker und Dramatiker, seine Identität bleibt stets hinter einer Maske verborgen. Aber auch der Diskurs ist seither problematischer geworden. Seine Funktionsweise sowie sein Archiv als all das, was innerhalb eines Diskursraums gesagt werden kann, haben sich verändert. Die Quellen, das Material, die Stimmen sind schier ins Unendliche angewachsen. Wohlgemerkt: Als Foucault dies 1966 (Zeit der Manuskriptabfassung) diagnostiziert, sind wir noch weit davon entfernt, die Diskurse des Internets und der sozialen Medien einbeziehen zu können.
Essenz: In seinem eigenen Diskurs über die Rolle der Philosophie finden sich
bereits zahlreiche Denkanstöße, die Foucault im Verlauf seiner weiteren
Entwicklung und in den Schriften über den Wahnsinn, den ärztlichen Blick, die
Gefängnisse, über Wissen und Wahrheit, Sexualität und die Ordnung der Dinge
weiterspinnt, ausbuchstabiert und mit immer neuen und überraschenden Diagnosen
unterfüttert.
Der Text selbst ist nicht immer leicht zu lesen. Die Reflexionen auf Descartes,
Kant und Nietzsche überraschen auch in ihrer Eigenwilligkeit, die mitunter
durchscheint, kaum. Die Interpretation des Diskursraums, des Archivs, der
archäologischen Methode haben nicht selten eher den Charakter soziologischer
Prämissen. Für diese These spricht auch die Idee der Philosophie als
Diagnoseinstrument. Man fühlt sich, wie so oft bei Foucault, in eine Falle
gelockt. Doch es ist eine, in die man durchaus immer wieder gerne tappt. |
Michel
Foucault
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