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Wider die Empörung
Von Jürgen Nielsen-Sikora |
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Können moralische Einwände ein Rechtfertigungsgrund sein, um wissenschaftlich
gewonnene Ergebnisse zurückzuweisen? Läuft dies nicht auf eine Einschränkung des
wissenschaftlichen Diskurses durch die Moral hinaus?
Es dauert allerdings rund 200 Seiten, bis Henning zu dieser Erkenntnis
durchstößt. Bis dahin erfolgen zahlreiche Ausflüge in die analytische
Sprachphilosophie und einige Allgemeinplätze der Wissenschaftstheorie. Mit diesem Kniff holt Henning zwar die Öffentlichkeit ab, in der daran anschließenden Debatte aber wird ihm kaum noch jemand folgen können, der kein Philosophiestudium abgeschlossen hat. Deshalb stellt sich die Frage: Wozu dieser Umweg über die Macht der Empörten, die Fallstricke des naturalistischen Fehlschlusses und diverse Kosten-Nutzen-Analysen? Warum kein Absatz zu modernen Klassikern der Praktischen Philosophie, etwa der Diskursethik, die diese Problematik schon x-mal diskutiert hat – nicht zuletzt auch jene Beispiele einer empörten Öffentlichkeit, die sich bei den folgenden, im Buch besprochenen Thesen gemeldet hat? (1) »Schwarze Menschen haben genetisch bedingt durchschnittlich einen geringeren IQ.« (Jensen/Herrnstein/Murray) (2) »Der Begriff der Frau trifft nur auf biologisch weibliche Erwachsene zu.« (Kathleen Stock)
(3)
»Neugeborene mit schweren Behinderungen haben keine Interessen, die ihre Tötung
absolut verbieten.«
Die daran anschließende öffentliche Entrüstung weist Henning zurück und zeigt,
dass eine legitime moralische Kritik dennoch möglich ist, wenn sie sich auf
epistemische Grundannahmen und diskursive Rechtfertigungspraktiken bezieht. Sein
Fazit: »Die Wissenschaftsfreiheit … schützt nicht jedwede Meinung, nur weil sie
irgendjemand hat. Vielmehr beruht sie auf der Überzeugung, dass die Äußerungen
einiger Menschen von besonderem Interesse sind, weil sie in einer Weise
qualifiziert sind, die diesen Äußerungen einen besonders hohen epistemischen
Wert verleiht.« |
Tim Henning
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