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Zorn, Trotz & Melancholie
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»Der Desperado unter den deutschen Undergrounddichtern«, Kiev Stingl, starb bereits am 20. Februar dieses Jahres, kurz vor seinem 81.Geburtstag. Er war ein manchmal schillernder, oft düster glimmender Solitär im deutschen Kulturbetrieb, und zu seinen besten Zeiten hatte er Flacker in der Pfote. Er war ein bisweilen unerträgliches enfant terrible abseits des poetischen mainstream, stets bereit zur provokativen Pose, seiner eigenen Unmoral folgend, zugleich aber auch mit einem stilsicheren Gespür für wirkungsvolle Poesie, begabt und überaus belesen: »unerkannt bin ich der ein / zig moderne, der diese langeweile / als schmerzspur begreift, / der im proustschen willen zur / eifersucht rilkes geometrisches / begehren bewohnt.«
Rimbaud, Villon, Baudelaire, Appollinaire: kaum ein Vergleich, der
ihm von tonangebenden Feuilletonisten, stets auf der Suche nach
einem deutschen Poètes maudits, nach verlorenen Zeiten, in denen
etwa der Tag mit einer Schußwunde begann, oder Wünschen noch
geholfen hatte, nicht angetan worden wäre. Nun im Frühjahr 2024 beim Flur Verlag posthum ein kleines, quadratisches Bändchen mit dem schönen Titel »Mein Collier um deinen Hals« erschienen. Da denkt mancher erst einmal an eine Drohung, doch es ist eine schmale Kollektion von über die Jahre hin angewehten Gedankensplittern. Die Auswahl der verstreut in Schubladen, Büchern und Manuskripten aufgefundenen Blättern und Zetteln, birgt existentielle Einsichten, sinnstiftende Sprüche, und Beobachtungen und wurde von Kiev Stingl noch selbst zusammengestellt. Er selbst nennt es »Eine lose Folge kleiner Einsichten zur Pyramide geformt«. Lesen wir es wie den milden Abschiedsgruß eines Poeten, der sich auf den Weg in ein anderes Blau gemacht hat.
»Ich
bin ein verwunschenes Wesen gewesen. Gewesen? |
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