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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik
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Glanz&Elend
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Seitwert


Eine heile kleine Welt,
leider klischeehaft beschrieben


Martin Walker labt sich an »Delikatessen«,
der Leser nicht

Von Georg Patzer

Er muss aufpassen, dass er nicht in die Putzigkeit abrutscht, hat man früher gesagt. Jetzt scheint er darin angekommen zu sein. Dabei ist sein Ausgangspunkt eigentlich nicht nur sozialkritisch, sondern auch philosophisch interessant: ein Dorf im Süden Frankreichs mit einem Dorfpolizisten, Bruno, der keine großen Konflikte will – die hat er als Soldat in Ex-Jugoslawien genug gehabt – der aber den Konflikten auch nicht aus dem Weg geht. Der seine eigenen Methoden hat, um sie zu lösen. Menschlich. Miteinander.

Da gibt es z.B. militante Tierschützer, die gegen die Stopfereien der Gänse sind – Stopfleber ist eine der traditionellen Delikatessen des kulinarischen Frankreich. Sie schneiden also den Zaun eines kleinen Gänsefarmers auf und scheuchen die Gänse auf die Straße. Etliche werden totgefahren, und der kleine Bauer, der am Rand des Existenzminimums lebt, muss Angst haben, wie er sich und seine kleine Familie durchbringt. Bruno aber verhaftet die Studenten nicht und wirft sie ins Gefängnis, sondern bringt sie dazu, sich zu entschuldigen und den Schaden zu ersetzen: Man muss eben nur mit den Leuten reden, damit sie Vernunft annehmen. Ein interessantes philosophisches Experiment im Geist von Sokrates.

Brunos Welt ist ein heiles kleines Dorf, in das die böse Welt einbricht. Sei es in Form der PETA-Tierschutzaktivisten oder von EU-Verordnungen, an die sich im bäuerlichen Frankreich niemand halten will, was Bruno, der selbstgemachten Wein und selbstproduzierte Gänseleber mag, unterstützt, und sei es auch in Form eines gewaltlosen, gar nicht mal so heimlichen Widerstands. Im neuesten Roman, »Delikatessen« ist es neben der PETA auch die ETA, die das idyllische Leben, das ausgleichende Miteinander empfindlich stört. Dazu kommt ein spanisch-französisches Ministertreffen, bei dem Bruno mitarbeiten muss, die Minister beschützen. Und dann wird auch noch eine Leiche auf einer archäologischen Grabungsstelle gefunden, die aber nicht ein paar tausend, sondern nur ein paar zig Jahre tot ist. Der Ausgrabungsleiter verschwindet, und außerdem ein paar Stangen Dynamit.

Und auch auf der persönlichen Seite gibt es genug Probleme für Bruno. So überlegt er, ob er mit Pamlea, der Engländerin des Dorfes, die ihm auch noch ein Pferd zum Geburtstag schenkt, Schluss machen soll, weil sie ihm viel zu sehr auf Abstand geht; dabei hilft, dass sie nach England muss, sich um ihre Mutter kümmern. Und dann kommt seine eigentliche Geliebte Isabelle zurück, die Karriere in der Polizei gemacht hat – ausgerechnet sie ist in dem kleinen Dorf für die Sicherheit der französischen Minister zuständig. Mit ihr will es nichts werden, weil sie in Paris lebt und er das Dorf nicht verlassen will. Und auch Karriere will er nicht machen.

Dummerweise ist das alles sehr klischeehaft geschrieben und mit mehr als unbeholfenen Formulierungen und in umständlichen Satzkonstruktionen und vielfach redundant. Ständig muss alles haargenau erklärt werden, ein Zeichen der Hilflosigkeit von Autoren, die nicht einfach erzählen können. Die Personen werden von Buch zu Buch stereotyper, bis sie inzwischen nur noch Abziehbilder ihrer selbst sind, ihre Zeichnung ist derart grob und holzschnittartig geworden, dass man auch keine Freude mehr an den interessanten und sogar außergewöhnlichen Settings hat, die ein Dorfpolizist, allein gegen alle, vielleicht wirklich durchstehen muss, wenn er den Frieden des Dorfes über alles stellt, wenn er die gefährdete Idylle seines provinziellen Miteinanders verteidigen will.

Dummerweise nerven den Leser dann auch die Unbeholfenheiten stärker, über die er früher, als es noch nicht so grob zuging, hinweggesehen hätte: das ständige Einstreuen französischer Vokabeln, sodass es nicht nur »enchaud de porc« heißt, sondern man die Übersetzung »Schweinerollbraten« gleich hinterhergeliefert bekommt, dass er »pain de champagne« schreiben muss, wenn ein einfaches »Landbrot« auch gereicht hätte, und Jean-Jacques ausgerechnet »Putain, wirklich ausgezeichnet, Bruno« sagen muss.

Nein, das ist inzwischen so putzig, dass man diese Anhäufung von Klischees wirklich nicht mehr lesen mag. Dabei ist es erst sein vierter Roman um »Bruno, chef de police«. Aber eigentlich reicht es auch schon.
 









Martin Walker
Delikatessen
Der vierte Fall für Bruno, Chef de Police
Übersetzt von Michael Windgassen
Diogenes Verlag
404 Seiten
22,90 Euro

 


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