Great
American Novel
John Dos Passos' »USA-Trilogie«
ist in der amerikanischen Literatur einzigartig wegen ihrer epischen Gestaltung
und panoramischen gesellschaftlichen Perspektive. In den Romanen, aus denen sie
besteht, »Der
42. Breitengrad«
(1930), »1919«
(1932) und »Das
große Geld«
(1936), zeichnet Dos Passos mit sarkastischem Humor und scharfem Auge für
soziale Fragen ein unvergessliches Kollektivporträt der USA. Dabei verbindet er
das Leben seiner Charaktere und die Zeit, in der sie leben, auf eine raffinierte
erzählerische Weise, die diese Trilogie zu einem der lesbarsten modernen
Klassiker überhaupt gemacht hat. Seine Protagonisten erleben Kriege und
Revolutionen, verzweifelte Liebesaffären, schwere Familienkrisen, öffentliche
Triumphe und private Katastrophen vor Kulissen, die unter anderem die
Schützengräben des Ersten Weltkriegs, das aufständische Mexiko, Hollywoodstudios
in der Stummfilmära, Wall-Street-Büros und die von Tumulten erschütterten
Straßen von Boston vor der Exekution von Sacco und Vanzetti umfassen.
In seinem Vorwort schreibt Dos Passos:
»USA,
das ist ein Querschnitt durch einen Kontinent ... Vor allem aber ist es das
gesprochene Wort der Menschen.«
Es ist die gewaltige Stimme Amerikas von der Industrialisierung bis zur
Prohibition. Dirk van Gunsteren und Nikolaus Stingl verleihen ihr mit ihrer
Neuübersetzung einen zeitgemäßen Sound.
John Dos Passos - USA-Trilogie - Der 42. Breitengrad/1919/
Das große Geld - Übersetzt von Dirk van Gunsteren und Nikolaus Stingl
- Rowohlt - 1648 Seiten - € 50,00 - 978-3-498-09560-4
Leseprobe
Leben
& Leben lassen
Thomas McNulty und sein Freund John Cole sind gerade 17 Jahre alt,
als ihre Karriere als Tanzmädchen in einem Saloon für Bergarbeiter
ein natürliches Ende findet. Für den »miesesten Lohn aller miesesten
Löhne« verdingen sie sich bei der Armee und sind fortan
unzertrennlich in Kriegsgeschäften unterwegs. Angst kennen beide
nicht, dafür haben sie schon zu viel erlebt. Sie wissen: »wenn’s um
Gemetzel und Hungersnot geht, darum, ob wir leben oder sterben
sollen, schert das die Welt nicht im Geringsten. Bei so vielen
Menschen hat die Welt es nicht nötig.« Thomas ist vor dem »Großen
Hunger« aus Irland geflohen, hat die Überfahrt und die Fieberhütten
in Kanada überlebt, sich bis nach Missouri durchgeschlagen. Wie ein
irischer Simplicissimus stolpert er durch das Grauen der Feldzüge
gegen die Indianer und des amerikanischen Bürgerkriegs – davon und
von seiner großen Liebe erzählt er mit unerhörter
Selbstverständlichkeit und berührender Offenheit. In all dem Horror
findet Thomas mit John und seiner Adoptivtochter Winona sein Glück.
Er bleibt ein Optimist, ganz gleich unter welchen Umständen.
»Könnte
sein, dass ich von Dingen rede, die sich 1873 oder 1874 im Henry
County, Tennessee, zugetragen haben, doch was Daten betrifft, war
ich noch nie verlässlich. Und falls sie sich zugetragen haben, gab
es zu der Zeit keine wahrheitsgetreue Darstellung. Es gab nackte
Tatsachen und eine Leiche, und dann gab es die wahren Ereignisse,
die niemand kannte. Dass Jas Jonski getötet wurde, war die nackte
Tatsache.«— Während der sogenannten Indianerkriege haben die beiden
Unionssoldaten Thomas McNulty und John Cole ein Lakota-Mädchen
adoptiert, und es Winona genannt. Und es ist Winona, die hier
erzählt: von Jas Jonski, ihrer ersten Liebe und vielleicht ihrem
Vergewaltiger, von ihrer Kindheit bei ihrem Stamm; davon wie es war,
bei den Männern aufzuwachsen, die ihre Familie getötet haben könnten
und die sie doch so sehr liebt; davon wie es ist, für die einen
etwas Goldenes, für die anderen aber ein Nichts zu sein; von der
Farm, wo sie mit Thomas und John, mit Lige Magan und den befreiten
Sklaven Rosalee und Tennyson eine neue Familie gefunden hat. Eine
bedrohte Idylle, denn nach dem verlorenen Bürgerkrieg hungert der
Süden, auf den Banken ist kein Geld, die Rebellen wittern ihre
Chance – und durchs Land ziehen Männer mit Kapuzen, vor denen nicht
einmal die Weißen sicher sind.
Sebastian Barry, 1955 in Dublin geboren, gehört zu den »besten
britischen und irischen Autoren der Gegenwart« (Times
Literary Supplement). Er schreibt Theaterstücke, Lyrik
und Prosa. Bei Steidl erschienen bisher seine Romane
Ein verborgenes Leben, ausgezeichnet mit dem Costa Book
of the Year Award und auf der Shortlist für den Booker Preis,
Mein fernes, fremdes Land,
ausgezeichnet mit dem Walter Scott Prize for Historical Fiction, Ein langer, langer Weg,
auf der Shortlist für den Booker Preis,
Gentleman auf Zeit. Sein Roman
Tage ohne Ende, 2018 auf Deutsch erschienen, war ein
internationaler Bestseller und wurde u. a. mit dem Costa Book of the
Year Award ausgezeichnet. Sebastian Barry lebt in Wicklow, Irland.
Sebastian Barry – Tage ohne Ende -
Übersetzt durch Hans-Christian Oeser - Steidl Verlag - 272 Seiten -
12,80 € - 978-3-95829-727-2 Sebastian Barry –
Tausend Monde erscheint im
September
Familiengeschichten
Alle sechs Romane von Kent Haruf spielen in der fiktiven Kleinstadt
Holt im US-Bundesstaat Colorado. Sein letzter Roman, ›Unsere Seelen
bei Nacht‹, wurde zum Bestseller und mit Jane Fonda und Robert
Redford in den Hauptrollen verfilmt.
Es ist der letzte Sommer für Dad Lewis am Rand der Kleinstadt Holt –
die er nie verließ, im Gegensatz zu seinem Sohn Frank, zu dem es
keinerlei Kontakt mehr gibt, oder Tochter Lorraine, die nun zur
Unterstützung zurückkehrt. Aber es kommen auch neue Gesichter und
mit ihnen Geschichten: Die kleine Alice zieht im Nachbarhaus bei
ihrer Großmutter ein, und der neue Reverend Lyle hat nicht nur mit
den eigenwilligen Anwohnern, sondern auch mit der eigenen Familie zu
kämpfen.
Kent Haruf - Kostbare Tage - Aus
dem Amerikanischen von pociao und Roberto de Hollanda - Diogenes -
Hardcover Leinen - 352 Seiten - 24,00 - 978-3-257-07125-2
Leseprobe
Spätes
Glück
In Crosby, einer kleinen Stadt an der Küste von Maine, ist nicht
viel los. Und doch enthalten die Geschichten über das Leben der
Menschen dort die ganze Welt. Da ist Olive Kitteridge, pensionierte
Lehrerin, die sich auch mit siebzig noch in alles einmischt, so
barsch wie eh und je. Da ist Jack Kennison, einst Harvardprofessor,
der ihre Nähe sucht. Beide vermissen ihre Kinder, die ihnen fremd
geworden sind, woran Olive und Jack selbst nicht gerade unschuldig
sind … Ein bewegender Roman, der von Liebe und Verlust erzählt, vom
Altern und der Einsamkeit, von Momenten des Glücks und des Staunens.
Elizabeth Strout - Die langen Abende
- Roman - Aus dem Amerikanischen von Sabine Roth - Luchterhand - 352
Seiten - 20,00 € - 978-3-630-87529-3
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Kulturgeschichte
für Europa
Was hält Europa zusammen?
Gibt es Gemeinsamkeiten in den Werken der Kunst und Kultur, die sie als
europäisch kenntlich machen? In einer fesselnden Reise durch über 2000 Jahre
europäischer Kulturgeschichte zeigt Jürgen Wertheimer, was Europa ausmacht: Es
nimmt sich seit jeher als Gemeinschaft wahr, die ständigem Wandel unterliegt,
die zwischen Autonomie und Zusammenhalt schwankt – ohne sich auf ein starres
Selbstbild zu verpflichten. Trotz aller Krisen und Kriege liegt darin auch seine
Stärke: Seit der Antike hat sich eine einzigartige Kultur der Neugier,
Selbstbefragung und Offenheit gebildet, die sich in den vielfältigen kulturellen
Zeugnissen Europas spiegelt – von Homer bis in unsere Zeit.
Jürgen Wertheimer -
Europa - eine Geschichte seiner Kulturen -
Penguin Verlag - 576 Seiten - 26,00 € - 978-3-328-60063-3
Gefährlicher
Rivale
Chinas Aufstieg zur Weltmacht ist unaufhaltsam. Lange erwartete man, dass sich
das Land mit zunehmendem Wohlstand demokratisieren würde. Doch das Gegenteil ist
der Fall. Die Kommunistische Partei Chinas will sich mit allen Mitteln an der
Macht halten. Dafür werden Wirtschaft und Gesellschaft im eigenen Land auf Linie
gebracht und ein weitreichendes Programm wurde entwickelt, mit dem China die
westlichen Demokratien unterwandert und eine neue Weltordnung etablieren will.
Dabei setzt es nicht nur seine Wirtschaftsmacht als Waffe ein, sondern die
gesamte Bandbreite seiner Politik. Wie vielfältig der chinesische Einfluss auch
bei uns bereits ist, enthüllen die beiden Autoren an zahlreichen Beispielen –
ein Anstoß zu einer dringend notwendigen Debatte: Wie soll Deutschland, wie
Europa mit der neuen Weltmacht China umgehen?
Clive
Hamilton, Mareike Ohlberg -
Die
lautlose Eroberung - Wie China westliche Demokratien unterwandert
und die Welt neu ordnet - Aus dem Englischen von Stephan Gebauer - DVA - 496
Seiten, ca. 6 Grafiken - 26,00 € - 978-3-421-04863-9
Himmlers
Dienstkalender
Lange galten Himmlers Dienstkalender der beiden letzten Kriegsjahre als
verschollen – bis man sie in einem russischen Archiv in der Nähe von Moskau
fand. Die darin erfolgten Eintragungen sind deshalb so brisant, weil dieser
Zeitraum den Höhepunkt der deutschen Gräueltaten an den Völkern Europas
markiert. Erstmals werden sie nun durch ausgewiesene Experten für die Geschichte
des Holocaust und der NS-Diktatur entschlüsselt und einem breiten Publikum
zugänglich gemacht. Der spektakuläre Fund belegt, wie diese Verbrechen vom
Reichsführer-SS initiiert und organisiert wurden. Die Kalendernotizen zeigen
zudem, wer an diesen Entscheidungen beteiligt war, wer zum engsten Kreis um
Himmler gehörte und wie jene Männer handelten, die Europa zerstörten und für den
größten Massenmord der Geschichte verantwortlich sind.
Die Organisation des Terrors - Der Dienstkalender Heinrich
Himmlers 1943-1945 - Hg.: Martin Holler, Jean-Luc Leleu, Dieter Pohl, Thomas
Pruschwitz, Matthias Uhl - Piper-1152 Seiten, € 48,00 - 978-3-492-05896-4
Denken
mit Hannah Arendt
Das 20. Jahrhundert sei ohne Hannah Arendt
gar nicht zu verstehen, schrieb der Schriftsteller Amos Elon. Arendt prägte
maßgeblich zwei für die Beschreibung des 20. Jahrhunderts zentrale Begriffe: Totalitarismus
und Banalität des Bösen. Das liegt auch daran, dass Arendts Urteile
selten unwidersprochen blieben. Der Band, der die gleichnamige
Ausstellung des Deutschen Historischen Museums
begleitet, folgt ihrem Blick auf das Zeitalter totaler Herrschaft,
Antisemitismus, die Lage von Flüchtlingen, die Erblasten der Nachkriegszeit, den
Eichmann-Prozess, das politische System und die Rassentrennung in den USA,
Zionismus, Feminismus und Studentenbewegung. Mit Beiträgen von Stefan Auer,
Felix Axster, Susanne Baer, Roger Berkowitz, Micha Brumlik, Claudia
Christophersen, Astrid Deuber-Mankowsky, Wolfram Eilenberger, Norbert Frei,
Antonia Grunenberg, Barbara Hahn, Marie Luise Knott, Jerome Kohn, Marcus Llanque,
Ursula Ludz, Thomas Meyer, Susan Neiman, Ingeborg Nordmann, Anna Pollmann, Milo
Rau, Werner Renz, Antje Schrupp, Chana Schütz, Liliane Weissberg.
Hg.: Dorlis Blume, Monika Boll, Raphael Gross
Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert - Piper Verlag -
288 Seiten, Klappenbroschur - € 22,00 - 978-3-492-07035-5
Kluges
»ungeknechteter« Stoff
Nicht nur über eine derzeit umstrittene Pipeline, sondern auch über Jahrhunderte
des Austauschs wie der Abstoßung waren und sind Russland und Deutschland
einander so fern wie verbunden. Die politische Gegenwart scheint kritisch, die
Zeichen stehen auf Konflikt und Polarität.
In
dieser Lage macht Alexander Kluge Russland zum ausschließlichen Thema eines
neuen Großbandes. In dezidiert poetischer Weise, nicht mit dem herrischen Willen
zur Synthese, nähert er sich dem unermesslichen Terrain des größten Landes der
Erde und der Mehrzahl seiner Seelen. Ihm geht es um den »ungeknechteten« Stoff,
der dem Leser und den Materialien »die Freiheit lässt zu atmen«.
Diese
Freiheit realisiert sich in polyperspektivischer Darstellung: aus dem historisch
geprägten Blickwinkel deutscher Patrioten der Befreiungskriege ebenso wie aus
der erzählerischen Sicht eines Franz Kafka und eines Heiner Müller, aus
messianischer Sehnsucht und utopischer Erwartung im 20. Jahrhundert, aus dem
Rückblick auf vollendete und Beinahe-Katastrophen im Zeitalter atomarer
Potentiale, aber auch – und möglicherweise vor allem – aus der dezidiert
weiblichen Empathie einer Swetlana Alexijewitsch und der Russlandliebe seiner
Schwester Alexandra: »In ihrem Auftrag schreibe ich dieses Buch.«
Alexander Kluge - Russland-Kontainer
- Suhrkamp - Mit vielen farbigen Abbildungen und bimedialer Anwendung - 444
Seiten - 34,00 € - 978-3-518-42892-4
Leseprobe
Beitrag online seit 22.06.20
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