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Koloniales Sittenbild
In seinem Debütroman »Tage in Burma« präsentiert Orwell ein
verheerendes Bild der britischen Kolonialherrschaft. Er beschreibt
detailiert die Korruption und imperiale Bigotterie in einer
Gesellschaft, in der Eingeborene für die Kolonialherren »ein
minderwertiges Volk« waren.
Als John Flory, ein weißer Teakholzhändler, sich mit dem Inder Dr.
Veraswami anfreundet, widersetzt er sich dieser Doktrin und macht
sich angreifbar. Der Arzt ist in Gefahr, denn U Po Kyin, ein von
Orwell genußvoll gezeichneter, korrupter und völlig verfetteter
Magistrat, plant seinen Untergang. Das Einzige, was ihn retten kann,
ist die Mitgliedschaft im Europäischen Club, und Flory kann ihm
dabei helfen. Die Begegnung mit der schönen Elizabeth Lackersteen
verändert Florys Leben grundlegend. Sie zeigt ihm einen Ausweg aus
der Einsamkeit und der »Lüge« des Koloniallebens. Neben Graham
Greene und W. Sommerset Maugham das aus den Tropen.
George Orwell
- Tage in Burma -
Roman - Dörlemann - Aus dem Englischen neu übersetzt von
Manfred Allié - Mit einem Nachwort von Manfred Papst - 464 Seiten -
Leinen - Leseband - € [D] 30.00 - 9783038200802
Ein faszinierender Einblick
Mit 22 Jahren wird Céleste Albaret Haushälterin bei Marcel Proust.
Neun Jahre lang, bis zu seinem Tod, umsorgt sie den an Asthma
leidenden Schriftsteller mit den extravaganten Sonderwünschen. Nicht
immer einfach, denn Monsieur Proust schläft tags und arbeitet
nachts, hat sehr genaue Vorstellungen davon, was wo einzukaufen ist,
welche Untertasse, welche Decke oder welcher Pullover die richtigen
sind. Doch der Schriftsteller schenkt seiner Haushälterin auch von
Anfang an seine Aufmerksamkeit, teilt seine Gedanken und Gefühle
mit ihr, versucht, sie an die Literatur heranzuführen. Es entsteht
ein fruchtbares Arbeitsbündnis, beinahe eine Freundschaft. Céleste
Albaret wird zu Prousts Lektorin und engsten Vertrauten, wenngleich
beide bei aller Herzlichkeit bis zuletzt höfliche Distanz wahren.
Erst fünfzig Jahre nach seinem Tod erklärt Albaret sich bereit,
Zeugnis abzulegen über ihre Zeit mit Proust: ein faszinierender
Einblick in das Leben und Wirken, die Eigenheiten und Marotten eines
der bedeutendsten Schriftsteller der Weltliteratur.
CÉLESTE
ALBARET - Monsieur Proust
Erinnerungen. Aufgezeichnet von Georges Belmont -
Mit einem Vorwort von André Aciman -
Aus dem Französischen von Margaret Carroux -
Kampa Verlag - 560 Seiten | Leinen -
€ 34,00 -
978 3
311 24014 3
Chaos hinter den Kulissen
Im
Sommer 1968
gehen in Paris die Studenten auf die Straße, in Vietnam wütet der
Krieg, Martin Luther King wird ermordet. Während die Welt
in Aufruhr ist, wird im sonnigen Brighton, abseits vom
Weltgeschehen, ein aparter Kinofilm
gedreht. Hier kreuzen sich die Wege eines Filmproduzenten, einer
Schriftstellerin und einer Schauspielerin. Alle drei führen ein
Doppelleben: Elfrida, der keine Zeile mehr einfällt und deren Ehe
zerrüttet ist, ertränkt ihren Frust in Wodka. Talbot, der
Filmproduzent, hat ein geheimes Hobby und macht gute Miene zum bösen
Spiel, denn er weiß, dass sein Geschäftspartner versucht ihn
auszubooten, und in Anny, die umwerfende Hauptdarstellerin, ist die
ganze Welt verliebt, aber ihre Liebschaften bereiten dem Filmstar
nur Scherereien: Sie hat eine Affäre mit ihrem Filmpartner, und
natürlich taucht ihr Liebhaber, ein Philosoph aus Paris,
überraschend am Set auf. Außerdem sitzt Anny ihr Ex-Mann und das FBI im Nacken. Während die Dreharbeiten bei scheinbar ausgelassener
Stimmung voranschreiten, rumort es hinter den Kulissen gewaltig. Wie lange kann jeder
seine Rolle spielen? Und wer inszeniert das größte Drama?
William Boyd - Trio - Roman - Aus
dem Englischen von Patricia Klobusiczky und Ulrike Thiesmeyer -
Kampa Verlag - 432 S. - € 22,00 - 978 3 311 10072 0
Aktuelle
Klassiker
Daniel Defoe war fünf Jahre alt, als 1664 und 1665 in London die
Pest wütete. Fast 60 Jahre später – Defoe war als Autor des Robinson
Crusoe (1719) mittlerweile in fortgeschrittenem Alter zu Weltruhm
gekommen – veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel A Journal of
the Plague Year, eine gleichermaßen ungeschminkte wie anschauliche
Chronik der Epidemie und ihres verheerenden Fortschreitens. In einem
Erlebnisbericht zwischen Roman und Reportage, für den er auf
Dokumente und Überlieferungen zurückgriff, lässt er seine Leser
einem fiktiven Erzähler in eine Welt des kalten Grauens folgen.
London gleicht einer Geisterstadt, die Straßen sind verwaist, aus
den noch bewohnten Häusern dringen Laute des Leidens, an den Türen
anderer Häuser prangen Kreuze. Leichensammler durchstreifen die
Stadt, Quacksalber und Geschäftemacher nutzen die Gunst der Stunde,
während sich Angst breitmacht und in Hysterie umschlägt.
Jeder für sich versucht den Wahnsinn zu überleben, bis am Ende rund
100.000 Menschen gestorben sein werden.
Daniel Defoe
-
Die Pest in London - aus dem
Englischen von Rudolf Schaller - Jung & Jung - 400 Seiten -
25,00 € - 978-3-99027-249-7
Liebe im
Ausnahmezustand
Der neue Roman von Steffen Kopetzky erzählt von der jungen, vom rasanten Wirtschaftswachstum geprägten
Bundesrepublik – und verwandelt die wahren Begebenheiten eines kaum
bekannten Kapitels deutscher Geschichte in packende Literatur.
1962: Im Kreis
Monschau sind die Pocken ausgebrochen, hochansteckend und
lebensgefährlich. Mitten im Karneval droht nun Stillstand,
Quarantäne. Der Rither-Chef will die Fabrik um jeden Preis offen
halten, keine zwanzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist man
weltweit gut im Geschäft. Ganz andere Pläne hegt Vera Rither: Die
Alleinerbin studiert in Paris, bewundert Simone de Beauvoir und
trägt den Geist der Avantgarde nach Monschau. Dort begegnet sie
Nikolaos, der als Betriebsarzt durch die tiefverschneite Eifel zur
Patientenvisite gefahren wird, vor Ansteckung geschützt durch einen
Stahlarbeiteranzug. So unterschiedlich die beiden auch sind, der
kretische Arzt, der als Kind die Gräuel der deutschen Besatzung
miterlebt hat, und die schwerreiche Vollwaise: Sie entdecken
schnell, dass sie mehr verbindet als ihre Liebe zu Miles Davis. Doch
die Krankheitsfälle häufen sich, und das Virus nimmt sich, was es
kriegen kann.
Steffan Kopetzky - Monschau -
Roman -
Rowohlt Berlin - 352 S. - 22.00 € -
978-3-7371-0112-7
#Delete Facebook!
NSA-Skandal,
Wahlmanipulationen, Cambridge Analytica, Trump … Das ist nur die
Spitze des Eisbergs! Die »New York Times«-Reporterinnen
Sheera Frenkel und Cecilia Kang gewähren einen bisher einzigartigen
Einblick in den mächtigsten und undurchschaubarsten Konzern der
Welt.
Ausgehend von ihrer langjährigen investigativen Recherche, in der
sie über Hunderte von Interviews führten, zeigen uns die Autorinnen
ein Facebook, das wir so noch nicht kannten. Wir
erfahren, welche Rollen Zuckerberg und Sandberg spielen, wie in den
Hinterzimmern folgenreiche Entscheidungen getroffen, mit Politikern
zwielichtige Absprachen vereinbart und undurchsichtige Netzwerke
gebildet werden. Und wie eine Maschine zur Geldvermehrung immer
weiter am Laufen gehalten wird, koste es, was es wolle – mit
verheerenden Folgen: Aushöhlung der Privatsphäre und der Demokratie,
eine Gefahr für unsere Gesellschaften. Ein Krimi über
Manipulationen und Intrigen in einem der mächtigsten Konzerne der
Welt – wie Dave Eggers' »The Circle«, nur real.
Sheera Frenkel, Cecilia Kang - Inside Facebook,
Die hässliche Wahrheit -
Übersetzt von Henning Dedekind, Marlene Fleißig, Frank
Lachmann, Hans-Peter Remmler - S. Fischer - 384 Seiten - 24,00
€ - 978-3-10-000066-8
Geschichte der Ozeane
Eine überraschende Geschichte der Welt - nicht vom Land, sondern vom
Meer aus erzählt: In diesem opulent gestalteten Buch beschreibt
der Historiker David Abulafia, wie die Weltmeere seit Urzeiten den
Austausch ferner Völker ermöglichten und damit die Geschicke der
Menschen bestimmten.
Waren, Ideen oder Religionen verbreiteten sich immer auch auf dem
Seeweg. Schiffe querten die Ozeane schon in der Antike, heute
transportieren riesige Containerschiffe Waren von einem Kontinent
zum anderen.
Abulafia erzählt von Händlern und Abenteurern, Piraten und
Kartographen, getrieben von der Jagd nach Gewürzen, Gold oder
Sklaven oder auf der Suche nach neuen Siedlungsmöglichkeiten oder
fremdem Wissen. Europa ist ein Kontinent unter anderen, wir reisen
mit den Seefahrern von den Küsten Arabiens nach China und Japan, vom
Indischen Ozean über den Atlantik bis an die Mittelmeerküsten
Europas und in das arktische Meer.
Ein riesiges Panorama entfaltet sich, eine Vielfalt an Verbindungen
und Netzwerken rund um den Globus, denn das Meer ist unendlich und
grenzenlos. Ein Buch für Weltentdecker und alle, die sich fragen,
was hinter dem Horizont liegt.
David Abulafia - Das
unendliche Meer – Die große Weltgeschichte der Ozeane -
Übersetzt von Michael Bischoff, Laura Su Bischoff - S. Fischer -
1168 Seiten - 68,00 € - 978-3-10-002482-4
Woyzeck rekonstruiert
Am 21. Juni
1821 ersticht Johann Christian Woyzeck die Witwe Johanna Woost. Ein
Verbrechen aus Leidenschaft, dessen Umstände von Georg Büchner bis
Werner Herzog Generationen von Künstlern in Bann schlug. In seinem
neuen großen Roman spürt Steve Sem-Sandberg dem historisch
verbürgten Fall nach und entwirft eindrucksvoll das Porträt eines
Mannes, in dem sich das Vexierspiel von Wahnsinn und Schuld, von
innerer Zerrissenheit und Liebe offenbart. Als W. 1790
beim Leipziger Perückenmacher Knobloch in die Lehre eintritt, ist er
gerade mal zehn Jahre alt; die Mutter an der Schwindsucht gestorben,
der Vater ein Trinker, der Rasiermesser und Schere nicht mehr sicher
führen kann. Doch nicht immer kann W. sich nur auf seine Arbeit
konzentrieren, denn manchmal kommt die Stieftochter des
Perückenmachers zu Besuch, und als er sie heimlich beim Waschen
belauert, packt ihn zum ersten Mal das Begehren. Die Lust am
Herumschleichen und Hinterherspionieren wird ihn sein Leben lang
nicht loslassen. Nicht während seiner Wanderjahre, in denen er sich
in diversen Stellungen verdingt, und nicht als Soldat im Krieg, der
ihn durch ein versehrtes Europa treibt. Als W. Jahre später in
Leipzig die mittlerweile verwitwete Johanna Woost wiedertrifft, wird
es ihm zum Verhängnis. Steve Sem-Sandberg geht in seinem
spektakulären Roman dem wahren Woyzeck auf den Grund. Daraus
entsteht der Roman eines schicksalhaften Lebens: Woyzeck als
Getriebener, als Mensch, als einer von uns.
Steve Sem-Sandberg - W. -
Roman - Aus dem Schwedischen von Gisela Kosubek - Klett-Cotta - 416
Seite, - 25.00 €
978-3-608-98119-3
Neues aus der Entführungsindustrie
Jörg-Uwe Albigs Groteske entführt uns in die unendlichen Weiten des
Spätkapitalismus, dorthin, wo sich Profitstreben und mentale
Selbsterkundung gute Nacht sagen. Die tragische Heldin,
Business-Coachin Katrin Perger, hat in jeder Hinsicht die richtigen
Überzeugungen, doch beim Versuch, das System zu unterwandern macht
sie sich zur Komplizin. Katrin Perger ist studierte Psychologin ohne
Diplom. Ihre Abschlussarbeit »Das Stockholm-Syndrom und der
sadomasochistische Geist des Kapitalismus« ist lediglich in
Fragmenten auf einem linken Blog erschienen. Immerhin performt sie
mit ihrem optimierungs- und motivationsbasierten
Business-Coaching-Modell bei den Mittelständlern und Hidden
Champions in Stuttgart und Umgebung nicht schlecht. Ihre neueste
Kundin ist Sabine Seggle, die als Inhaberin des Dienstleisters Human
Solutions ihren schwäbischen Unternehmerethos mit moderneren
Management-Techniken auffrischen will. Katrin Perger findet heraus,
dass das Geschäftsmodell von Human Solutions auf Entführungen beruht
und sie angeheuert wurde, um tragfähige Lösungen für die
»Kundenbindung« zu entwickeln – das Stockholm-Syndrom ist
schließlich ihr Spezialgebiet. Zwar steht die Entführungsindustrie
immer wieder in der Kritik, aber gilt das nicht auch für die
Fleisch- und die Rüstungsindustrie? Und für einen Autozulieferer hat
Perger sogar schon mal gearbeitet. Also was soll’s.
Jörg-Uwe Albig - Das Stockholm-Syndrom und der
sadomaso-chistische Geist des Kapitalismus - Roman - 240
Seiten - 20,00 € - 978-3-608-98416-3
Angie
Mit Angela Merkel zog 2005 erstmals eine Frau und ehemalige Bürgerin
der DDR ins Kanzleramt ein. Aus "Kohls Mädchen", der Ministerin und
Generalsekretärin der CDU, wurde nun die beliebteste deutsche
Politikerin und eine der mächtigsten Frauen der Welt. Ralph Bollmann
zeichnet in seiner grundlegenden Biografie den Lebensweg Merkels
nach und erzählt mit kritischer Sympathie die Geschichte ihrer
Kanzlerschaft, die von der Finanzkrise über die Flüchtlingskrise bis
zur Covid 19-Pandemie enorme Anforderungen an sie
stellen sollte. Sein glänzend geschriebenes Buch zeigt uns eine
außergewöhnliche Frau im Zentrum der Macht, deren Politik ein ganzes
Zeitalter entscheidend geprägt hat.
In der Regierungszeit von Angela Merkel begannen
sich Gewissheiten aufzulösen. Die vertraute Weltordnung der
Nachkriegszeit verschwand, eine neue Unsicherheit trat an ihre
Stelle, zuletzt in der Corona-Krise sogar bis in den Alltag der
Menschen hinein. Durch die Erfahrung des Systembruchs von 1989/90
war die ostdeutsche Politikerin darauf besser vorbereitet als viele
ihrer Kolleginnen und Kollegen. Sie wurde nicht zuletzt deshalb so
beliebt, weil sie von den veränderungsunlustigen Deutschen alle
Zumutungen konsequent fernhielt. Doch mit der Flüchtlingsdebatte
endete diese Harmonie. Merkel konnte und wollte Deutschland nicht
länger von den Weltläufen abschirmen und polarisierte selbst im
Konflikt zwischen nationaler Abwehr und Weltoffenheit. Ralph
Bollmanns Biografie ist nicht nur ein fesselndes Lesevergnügen,
sondern auch eine eindrucksvolle Geschichte Deutschlands und Europas
seit der Wende.
Ralph Bollmann - Angela Merkel - C. H. Beck - 800 S., mit 69
Abbildungen - 29,95 - 978-3-406-74111-1
Artikel online seit 20.08.21
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