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Stephen Crane
wiederentdeckt |
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Mit
achtundzwanzig Jahren war er bereits tot. Gestorben, wie sein Kollege Tschechow
wenige Jahre später, in Badenweiler am Rande des Schwarzwalds, ebenfalls an
Tuberkulose. Dann geht es los. Die Schlacht hat begonnen, rechts und links von ihm werden seine Kameraden getroffen, manche sind gleich tot, andere krepieren, erbärmlich jammernd, fürchterlich langsam. Vor ihm, hinter ihm, neben ihm Tote. Kanonenschüsse lassen die Erde erbeben. Der Junge wirft sein Gewehr in die Büsche und haut ab. Nur wohin? Als er sich an einen flüchtenden Soldaten klammert, schlägt der ihm mit dem Gewehrkolben eine klaffende Wunde an den Kopf. Die Lage beruhigt sich. Er trifft einen Kameraden, der ihn zur Truppe zurückbringt. Er hat Angst, man könnte seine Flucht bemerkt haben. Das ist aber nicht der Fall. Die Kämpfe flammen wieder auf. Und er tut sich als Held hervor. Mit diesem Ruhm kehrt er nach Hause zurück. Es ist ein faszinierender Anti-Kriegs-Roman. Helden sind Feiglinge. Feiglinge werden Helden. Der ganze Krieg ist ein einziges sinnloses Gemetzel. Aber hervorragend geschrieben. Und lesenswert ist dieses Buch auch deshalb, weil die angehängte kurze Erzählung »Der Veteran« die weitere Lebensgeschichte des »Jungen« erzählt, der jetzt als alter Kriegsheld, Mr. Flemming, verehrt wird. Und, vor allem, das Buch enthält noch ein kurzes, interessantes Nachwort und ein höchst lesenswertes Porträt Stephen Cranes von Rüdiger Barth. Wenn man diese »rote Tapferkeitsmedaille« liest, dann erscheint unvorstellbar, dass Erich Maria Remarque sein (Anti-)Kriegs-Epos »Im Westen nichts Neues« ohne Kenntnis von Stephen Crane geschrieben haben könnte. Das Buch machte Crane weltweit bekannt. Selbst Joseph Conrad, der Crane in dessen letztem Lebensjahr in Sussex, England, noch kennen gelernt hatte, bekannte gewissermaßen neidlos, wie »schrecklich neidisch« er auf ihn sei. Auch H.G. Wells und ebenso Hemingway waren voller Bewunderung für ihren so früh gestorbenen Kollegen. Hemingway stellte ihn in eine Reihe mit Mark Twain und Henry James und pries speziell die beiden Geschichten »Das offene Boot« und »Das blaue Hotel«, die beide in der jetzt ebenfalls bei Pendragon, erschienenen Sammlung »Die tristen Tage von Coney Island« enthalten sind. Die kurze Geschichte »Gefesselt« zeigt Kleist’sche Qualitäten. Der erste Akt spielt auf einem Bauernhof. Echte Pferde, die richtiges Wasser tranken und schließlich einen richtigen Karren von der Bühne zogen. Das Publikum war begeistert. Im zweiten Akt wird der Held, der grausam misshandelt worden war, in seiner »Gefängniskluft«, an Händen und Füßen gefesselt, von seinen Häschern vorgeführt, die sich an der Hilflosigkeit ihres Opfers ergötzen. Da schrie es plötzlich »vom Parkett – aber auch aus den Logen« her »Feuer! Feuer! Feuer!« Und das Ganze geht nicht gut aus. In einer anderen Geschichte erzählt Crane, offenbar nach einer wahren Begebenheit, von einigen Männern, die sich nach einem Schiffbruch auf ein kleines Boot gerettet haben und rudernd versuchen an das rettende Ufer zu gelangen. »Eine Nacht im offenen Boot auf hoher See ist eine lange Nacht.« Stephen Crane weiß, aus eigener Erfahrung, wie sich solche Erlebnisse, die glücklicherweise nicht jedem »vergönnt« sind, im Gedächtnis der Betroffenen ablagern. Er ist, trotz seines frühen Todes, auf der Welt herumgekommen, als Reporter, als Kriegsberichterstatter, als Schriftsteller. Er hat uns ein schmales, aber bedeutendes Werk hinterlassen. Und den Hinweis: Kaufen! Lesen! Weitergeben! Artikel online seit 11.03.22 |
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