»Dinge
machen aus Angst«
Rainer Maria Rilke gilt als einer der größten Dichter des 20. Jahrhunderts.
Seine Kunst sei »Dinge machen aus Angst«, schreibt er im Juli 1903 seiner
ehemaligen Geliebten Lou Andreas-Salomé. Manfred Koch zeigt in seiner neuen,
Leben und Werk gleichermaßen in den Blick nehmenden Biographie Rilke als
hochsensibles Echolot und geschlechtlich fluidesten Dichter der heraufziehenden
Moderne. So entsteht die mitreißende Erzählung eines radikalen Lebens, das ganz
Kunst sein will und dadurch eine Wahrnehmungssensibilität entfaltet, die
erschreckend nah in Berührung kommt mit den Abgründen in ihm selbst und in
seiner Zeit.
Rainer Maria Rilkes Lebensstationen sind immer auch Marksteine seines Werkes:
Prag, Russland, Worpswede, Paris, München, Duino, Spanien, Schweiz. Manfred
Kochs wunderbar geschriebene Biographie folgt diesen Stationen wie dem kreativen
Kreuzweg eines körperlich wie seelisch bedrohten Mannes und verbindet Rilkes
Lebenswanderung mit exemplarischen, verständlichen Interpretationen seines
Werks. Der Dichter der «Duineser Elegien» erscheint als ein Mann, der wie kein
zweiter zu schnorren versteht, Frauen und Mäzene in seinen Bann zieht und bis an
den Rand des Erträglichen manieriert ist, der aber zugleich all dies wie sein
eigenes Leben rigoros zur bloßen Folie macht für das, worauf es ihm ankommt:
Dichtung für die Ewigkeit zu schaffen und aus Leben «wahre» Kunst werden zu
lassen. Er hatte darin Erfolg, aber der Preis war hoch, für ihn selbst wie für
all jene, die ihn umgaben. Rechtzeitig zum 150. Geburtstag liegt mit dieser
einfühlsamen, auf einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit Leben und Werk
basierenden Biographie ein neuer zeitgemäßer Zugang zu Rainer Maria Rilke vor.
Rilke -
Dichter der Angst
-
Eine Biographie - C.H. Beck - 560 S., mit 30 Abbildungen - 34,00 € -
978-3-406-82183-7
Offen
sein und schreiben,
... mehr wollte Rilke nicht: ein bescheidener und zugleich anspruchsvoller
Wunsch. Als Autor erfuhr er »das ganze Leben [...], als ob es mit allen seinen
Möglichkeiten mitten durch ihn durchginge«. Allerdings auch mit all seinen
Widersprüchen: Rilke floh vor seinen Musen und konnte ohne sie nicht sein,
beklagte die Folgen des menschengemachten Fortschritts und begeisterte sich für
die Technik, er liebte das einfache Leben und hatte eine ausgeprägte Vorliebe
für schöne Dinge und Wohnsitze. Er schuf mit den Aufzeichnungen des Malte
Laurids Brigge einen der ersten modernen Romane und epochemachende
Gedichtzyklen, deren Ausdruckskraft bis heute nachwirkt.
Sandra Richter, Literaturwissenschaftlerin und Direktorin des Deutschen
Literaturarchivs Marbach, arbeitet
mit neuen Quellen, die mit Ankauf des großen Rilke-Archivs 2022 nach Marbach
gelangt sind. In ihrer Biographie erscheint der Autor in neuem Licht: Nicht der
weltabgewandte Einsiedler, zu dem er sich gern stilisierte, sondern robust,
durchsetzungsfähig, alert in Gesellschaft, heiter und selbstironisch und in
Finanzdingen beschlagener, als man gemeinhin annimmt. Diese Biographie macht
deutlich, warum es sich heute in besonderer Weise lohnt, Rilke wieder zu lesen:
Er lebte in schwierigen Zeiten, und er verarbeitete sie mit einer Wucht, die
vielleicht nur im Angesicht existenzieller Bedrohung glaubhaft wirkt.
Sandra Richter
-
Rainer Maria Rilke oder Das
offene Leben
-
Eine Biographie - Insel - 478 Seiten, Mit zahlreichen Abbildungen - 28,00 € -
978-3-458-64482-8
Sehnsüchtiges
Ringen
Er ist 22 und ein literarischer Shootingstar, sie Psychoanalytikerin und selbst
erfolgreiche Schriftstellerin: Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé. Ihre
Liebe beginnt mit ein paar Gedichten, die der junge Dichter 1897 der fast
fünfzehn Jahre älteren Lou schickt. Als sie sich persönlich kennenlernen, ist
sie fasziniert und mitgerissen von der Tiefe seines Gefühls und der Größe seiner
dichterischen Begabung. Ihm bedeutet die Begegnung eine menschliche und
künstlerische Erfüllung und Herausforderung. Für beide ist ihre Liebe ein
überwältigendes und einzigartiges Ereignis.
Dabei hält Lou stets an ihrer Freiheit fest, beurteilt Rilkes Werk schonungslos
und bewahrt ihren Geliebten davor, sich auf dem Genius Rilke
auszuruhen. Und so ist ihre Liebesbeziehung, die später in eine lebenslange
Freundschaft mündete, auch ein sehnsüchtiges Ringen umeinander, eine
leidenschaftliche Suche nach Verbindung und Freiheit.
Maxine Wildner -
Bis unsre Seelen Sterne
sind. Rilke
und Lou Andreas-Salomé - Roman - insel taschenbuch 5081 - 282 Seiten - 16,00 € -
978-3-458-68381-0
»Ganz
Europa stürzte
mir in den Kopf«
Geplant als
Novelle, als heiteres Gegenstück zum 'Tod in Venedig', entstand mit dem
'Zauberberg' einer der großen Romane der klassischen Moderne. Ein kurzer Besuch
in einem Davoser Sanatorium wird für den Protagonisten Hans Castorp zu einem
siebenjährigen Aufenthalt, der Kurort wird zur Bühne für die europäische
Befindlichkeit vor dem Ersten Weltkrieg. Im Juli 1913 begonnen, während des
Krieges durch essayistische Arbeiten, vor allem durch die 'Betrachtungen eines
Unpolitischen', unterbrochen, konnte der Roman 1924 abgeschlossen und
veröffentlicht werden. Der Band 5 der 'Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe'
folgt dem Erstdruck.
»Ganz Europa stürzte mir in den Kopf …«, schrieb Susan Sontag über das für sie
wichtigste Buch: Thomas Manns »Zauberberg«. Ganz Europa – das ist im Roman die
»große Konfusion« an Ideologien, Überzeugungen und Positionen, die in einem
Davoser Sanatorium unversöhnlich aufeinanderprallen, so dass man sich, komisch
und tragisch zugleich, irgendwann nur noch Schlagworte an den Kopf wirft.
Welcher große Roman der Weltliteratur bringt diese gereizte, gewaltbereite
Stimmung, die uns hundert Jahre später wieder so bekannt vorkommt,
eindringlicher zur Anschauung? Zugleich aber erzählt Thomas Mann auch davon, wie
man der Gereiztheit und Gewalt womöglich entkommen könnte: indem man vielleicht
wie die Hauptfigur Hans Castorp eher zuhört, als endlos zu reden. Und indem man
nicht alles so furchtbar ernst nimmt wie all die Alphamänner dieser Welt.
Thomas Mann -
Der Zauberberg
- Roman - S. Fischer - 1008 Seiten - 29,00 € - 978-3-10-348128-0
Pressespiegel
Wie für Susan Sontag ist Thomas Manns 1924 erstmals erschienener Roman »Der
Zauberberg« auch heute noch für viele Leserinnen und Leser weltweit eines der
wichtigsten, prägendsten Bücher Thomas Manns. Neben anderen Beiträgen fragt
dieses Heft der Neuen Rundschau nach der heutigen Bedeutung des Romans. Was
verbindet die »große Gereiztheit« auf dem Zauberberg mit der Gegenwart? Was hat
die Erzählweise des Romans mit Demokratie zu tun? Und inwiefern geht es auf dem
Zauberberg auch um unsere Sehnsucht nach Entschleunigung? Mit Lektüren und
Essays von Merve Emre, Claudius Seidl, Philipp Theisohn u. a.
Neue Rundschau
2024/3 -
100 Jahre Zauberberg
- Neue Rundschau, Band 2024 - S. Fischer - 184 Seiten - 978-3-10-809138-5
»Große
Abneigung, nachmittags noch irgend etwas zu tun.«
Thomas Mann
gilt als Vorbild für Disziplin, als fleißiger, unbeirrbarer Arbeiter im
täglichen Homeoffice. Seine Tagebücher aber zeigen ein anderes Bild: Zwischen
Morgenmüdigkeit und Magenverstimmung muss das selbst geforderte Schreib-Pensum
jeden Tag dem eigenen Körper abgerungen werden – mal mit Erfolg, viel öfter
ohne. Felix Lindner, bekannt geworden durch seinen Twitter-Account »Thomas Mann
Daily«, versammelt in diesem humorvollen Buch 365 Kurzzitate aus den
Tagebüchern, die den Alltag des Nobelpreisträgers mit all seinen Krisen und
Hindernissen zeigen. Ja, Thomas Mann hatte Menschen, hatte Frauen um sich herum,
die ihm die Hausarbeit abnahmen und ihn vor der Unruhe der Außenwelt schützten.
Trotzdem war Thomas Mann kein in sich ruhender »Zauberer«, dem die Sätze nur so
aus der Feder flossen. Wie wir alle war auch er müde und genervt, von Zweifeln
geplagt und immer wieder abgelenkt vom Leben jenseits der Bücher.
Mit Thomas Mann durch das Jahr
- Herausgegeben
von Felix Lindner - S. Fischer - 432 Seiten - 16,00 € - 978-3-596-52371-9
Humanistische
Appelle
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verließ Thomas Mann Deutschland
und kehrte nie wieder zurück. Im Schweizer Exil verlor der deutsche
Literaturnobelpreisträger 1936 seine Staatsbürgerschaft. Er emigrierte weiter
nach Amerika, von wo aus er ab 1940 seine Anti-Kriegsreden sendete. In 58
verzweifelten, glühenden humanistischen Appellen redete er den deutschen Hörern
bis November 1945 ins Gewissen. Seine Radioansprachen, auf abenteuerlichen Wegen
von der BBC nach Europa übertragen, sind einzigartige Dokumente eines aufrechten
Deutschen.
Thomas Mann -
Deutsche Hörer!
-
Radiosendungen nach Deutschland | Neuausgabe mit einem Vorwort und einem
Nachwort von Mely Kiyak - S. Fischer - 272 Seiten - 24,00 € - 978-3-10-397685-4
Qual
und Glanz
Schon zu Lebzeiten war er ein Monument, der letzte Dichterfürst in der Nachfolge
Goethes. Thomas Mann war ein Schriftsteller von feinster Empfindlichkeit, mit
lauernden Abgründen, tief verwurzelt in deutscher Kultur. Den Katastrophen
seiner Zeit hat er sich unerschrocken ausgesetzt, auch wenn es ein weiter Weg
war von der »machtgeschützten Innerlichkeit« des Kaiserreichs, die er
verherrlichte, bis zum Kampf gegen Hitler und das nationalsozialistische
Deutschland, den er unermüdlich führte. In fast sechs Jahrzehnten wuchs sein
riesiges literarisches Werk, einzigartig nach Umfang und geistiger Spannweite.
Seine Sprache besetzt alle Nischen und Winkel der benennbaren Welt, macht sie
erzählerisch verfügbar in virtuoser Demonstration ihrer Allmacht. Und seine
Ironie, nicht frei von Herablassung, lässt jederzeit die Präsenz des Erzählers
spüren, der uns seinen Willen aufzwingt, indem er uns verführt und verzaubert.
Hanjo Kestings Buch ist das Resultat einer lebenslangen Beschäftigung mit Thomas
Mann in Nähe und Distanz. In Werkanalysen und biographischen Annäherungen
entsteht ein Gesamtbild des großen Schriftstellers, der seine Lebensbilanz im
Tagebuch mit den Worten zog: »Es gab wohl selten ein solches Ineinander von Qual
und Glanz.«
Hanjo Kesting -
Thomas
Mann - Glanz und Qual
-
Wallstein - 400 S., geb., Schutzumschlag - 28,00 € - 978-3-8353-5413-5
Artikel online seit 25.02.25
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