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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Glanz&Elend
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in einer limitierten Auflage von 1.000 Ex.
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Zum Nachreisen

Ein Taschenatlas für Jean Pauls lokale Lebensspuren

Von Wolfram Schütte

 

Als die 250. Wiederkehr seines Geburtstages 2013 von einer fränkischen Initiativgruppe zum »Jean-Paul-Jahr« ausgerufen wurde, war der »Jean Paul-Taschenatlas« als eines der dafür vorgesehenen Widmungsbücher annonciert. Aber erst drei Jahre später erblickte die von Bernhard Echte & Michael Mayer (& ihren 22 Mitarbeitern) erstellte Sammlung von Orten, die für Jean Pauls Leben von Wichtigkeit & Bedeutung waren, das Licht der literarisch interessierten Welt. Vermutlich ist ihr der einzigartige Oberfranke längst wieder aus dem Blick geraten, wohin ihn für einen historischen  Moment sein ausgiebig plakatiertes Gedenkjahr gestellt hatte. Das Buch, von dem mir ein veritabler JP-Kenner Ende des vergangenen Jahres mit nachhallender Begeisterung erzählt hatte (weil er dessen Winken auf einer JP-Pilgerreise gefolgt war), kommt nun zwar »zu spät«; aber vielleicht doch noch »in time«.

Ob allerdings jemand daran Gefallen findet, bzw. (wie oben erwähnt) davon Gebrauch machen wird, ist zweifelhaft. Man wird womöglich schon einer sein müssen, der der amüsanten »Anleitungen, ein wenig Jean Paul zu sein«, nicht bedarf – weil er's nämlich bereits ist. Diese ironisch-humoristischen Empfehlungen befinden sich jeweils am Ende jener 30 Jean-Paul-Orts-Beschwörungen. Aber man kann auch jetzt noch zu dem originellen Bändchen aus schlichtem Amüsement greifen.

Es muss ja gar nicht das Ziel sein, die von unterschiedlichen Autoren aus lokalen & literarischen Dokumenten, vor allem aber Briefen, die der Autor ja in verschwenderischen Fülle ausgestreut hatte, kompilierten & mit alten Stichen, historischen Porträts oder Landkarten illustrativ beschworenen Lebensstationen auch »wirklich« zu besuchen.

Was ein rechter Jean Paulaner ist, der versteht, mit den hier liebevoll & amüsant versammelten Materialien hinlänglich verproviantiert, imaginär auf Reisen zu gehen – ganz  wie JP, der ja z.B. Nürnberg schon literarisch besuchte, bevor er es in Persona tat. Und hat jemand großartig-suggestiver über die Alpen oder die Isola Bella im Lago Maggiore geschrieben als JP, der nie dort war & mussten nicht erst amerikanische Astronauten in den Weltraum geschossen werden, damit sie realiter bestätigen konnten, was unser Dichter seinen »Giannozzo« von seinen Ein-& Ausblicken auf die Erde fabulieren ließ?

Kurz & gut: der »Jean Paul-Taschenatlas« ist ein Schmöker-Vergnügen für alle Freunde des Autors, der (alphabetisch sortiert) zwischen Bamberg & Wunsiedel sich laufend, reisend, logierend bewegte. Deutschland hat er (wie Schiller, dem er »wie aus dem Mond gefallen« vorkam) jedoch nie verlassen. Die meiste Zeit hielt er sich in Franken & dort in Bayreuth auf (nicht zuletzt des Biers wegen). Nach Norddeutschland kam er in seinem Leben nur bis Berlin, im Süden nur bis Stuttgart & München, im Osten bis Leipzig & im Westen nur bis Heidelberg & Frankfurt am Main.

Apropos FfM: als dort Gebürtiger darf ich ein kleines Bedauern äußern zu dem sehr informativen Artikel des Schweizer Robert-Walser- & Jean-Paul-Kenners Bernhard Echte über die Beziehungen des Wunsiedlers zur Freien Reichsstadt am Main. Vielleicht hätte der allmächtige Herausgeber sich einmal eine Abweichung von seinem Schema, die Orte nur im Blick auf JPs jeweiliger dortigen Anwesenheit zu betrachten, erlauben können. Zwar schreibt Echte ausführlich über des späten Jean Pauls Beziehung zu der Frankfurter »Museum«-Gesellschaft; leider erwähnt er aber nicht, dass just dort am 2. Dezember 1825 Ludwig Börne seine »Denkrede auf Jean Paul« gehalten hat: die schönste  Hommage, die je Jean Paul gewidmet war. Das wäre doch eine echte Ausnahme wert gewesen.

Artikel online seit 14.02.17

 

Bernhard Echte Michael Mayer, Hrsg.
Jean Paul – Taschenatlas
Nimbus-Verlag, Wädenswil am Zürichsee
488 Seiten, 380 auch farbige Illustrationen
24.80 €
978-3-907142-82-0

 


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