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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik

 



Eine Filmcrew bei Kriegsende

Voller Klischees und Kitsch, ermüdend und eintönig.
Mit Warten auf Goebbels verschenkt Bernd Schroeder ein schönes Thema.

Von Georg Patzer

 

Es ist Kriegsende. Hilde Weimar sitzt an der Nähmaschine, über ihr hängt ein Bild des Führers, daneben Jesus am Kreuz und das Bild ihres Mannes Hans in Uniform. Blasmusik ertönt, eine fröhliche Menschenmenge zieht durch das Dorf, singt, jubelt: Der Krieg ist vorbei, Deutschland hat gesiegt. Und da ist auch ihr Mann Hans, der sie liebevoll umarmt. Der sich freut, wieder zu Hause zu sein, seinen kleinen Sohn wiederzusehen. Mit ihm will er gleich nach Berlin fahren, auf dem alten Motorrad. "Verfluchte Scheiße!" schreit er: "Es geht wieder nicht. Verdammt, seid ihr denn nicht in der Lage, das Ding in Ordnung zu bringen?"

"Stopp!", ruft Konrad Eisleben, der Regisseur. Hier wird nur ein Film gedreht. Im Jahr 1944, der Krieg geht tatsächlich zu Ende. Noch glauben viele, dass er gewonnen wird, die "Wunderwaffen" werden es richten. In Altenburg in der Heide sitzt die Ufa-Filmcrew: Sie ist vom Kriegsdienst freigestellt, weil sie einen Film drehen soll. Einen Film, der am 1. Mai 1945, nach dem „Endsieg“ in den Kinos anlaufen und Deutschlands Helden feiern soll. Aber der Regisseur ist langsam. Zumal es noch kein Drehbuch gibt, er muss es selbst schreiben und immer wieder umschreiben. Es ist auch schwierig, Filmmaterial und Essen zu bekommen, das muss jemand aus Berlin holen, bis er nicht mehr durchkommt. Eisleben weiß, dass er mit seiner Hinhaltetaktik nicht nur die beiden jüdischen Schauspieler retten kann, die er für eine Szene aus einem Lager angefordert hat, sondern auch sich selbst und seine Frau, indem er den Film nach und nach so umschreibt, dass er zu einer Kritik am Naziregime wird.

Basierend auf den Dreharbeiten für den letzten Nazifilm, „Das Leben geht weiter“, hat Bernd Schroeder einen Roman geschrieben, in dem er von den Gedanken und Gefühlen der Nazis, Halbnazis und Mitläufer erzählt, vom Regisseur, dem Kameramann und den Schauspielerinnen, den Bewohnern des Dorfes, den Juden und dem Naziaufpasser, der sich erst ganz am Schluss darauf besinnt, dass er ja auch überleben muss. Dazwischen streut er Passagen aus Goebbels' Tagebüchern in den Text - Goebbels hatte vor, auch selbst aufzutreten.

Das ist eigentlich ein spannendes Thema, nur leider gelingt es Schroeder nicht, das auch gut zu schreiben. Hölzern reden seine Protagonisten miteinander, keiner wird auch nur ansatzweise lebendig. Ein großer Teil der Unterhaltungen ist im distanzierten Passiv geschrieben, und auch Schroeders Sprache selbst ist steif und unbeholfen, voller Klischees und Kitsch (ein Bild "prangt", "gleißendes Tageslicht bricht sich einen Weg Richtung Altar"), unnötig verschachtelter Sätze, und der Aufbau mit den ständigen, immer gleich aufgebauten Biografien ist ermüdend und eintönig. Das schöne Thema ist in diesem holprigen und langweiligen Buch restlos verschenkt.

Artikel online seit 16.06.17
 

Bernd Schroeder
Warten auf Goebbels

Roman
Hanser Verlag
240 Seiten
22,00 Euro

Leseprobe


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